Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hat durchaus Verständnis dafür, dass der Ministerpräsident eher selten zu den Plenarsitzungen erscheint. Sie verweist darauf, dass Söder während der Corona-Pandemie 13 Regierungserklärungen gehalten hat: "Natürlich freuen wir uns immer sehr, sehr, sehr, wenn er bei uns da ist und auch spricht. Und deswegen… ist schon in Ordnung."
Auch vergangene Woche fehlte Söder wieder während der Plenarsitzung. Stattdessen nahm er zeitgleich an der Landesdelegiertenkonferenz des Verbandes der Marktkaufleute und Schausteller teil – und besuchte anschließend den Neujahrsempfang des Sportschützenbundes. Das geht aus seiner Terminliste hervor. "Natürlich sind das wichtige Verbände und die wollen auch den Ministerpräsidenten sehen", verteidigt Aigner ihren Parteifreund Söder. Leider würden sich die Verbände nicht nach den Plenarsitzungen richten.
"Das ist ein Problem": Opposition ist verärgert
FDP-Fraktionschef Martin Hagen hat wenig Verständnis dafür, dass sich die Abgeordneten die Köpfe heiß reden, ohne dass der Ministerpräsident an der Debatte teilnimmt: "Wahlkampf ist Söder offenbar wichtiger als zu regieren. Das ist legitim Wochen vor der Wahl, aber über ein Jahr vor der Wahl im Plenum gar nicht mehr aufzutauchen, das ist ein Problem."
Auch Florian von Brunn, Chef der SPD-Landtagsfraktion, ärgert sich über die seltene Anwesenheit des Ministerpräsidenten. Er hat nachgerechnet: Von 31 Plenarsitzungen habe Söder im vergangenen Jahr bei 26 gefehlt, sagt von Brunn: "Das gibt es eigentlich in keinem anderen Parlament. Die Ministerpräsidenten der anderen Bundesländer, die sind eigentlich meistens da."
Grüner Mistol berichtet von erstaunten Kollegen
Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Jürgen Mistol, wirbt bei seinen Fraktionskollegen dafür, an Vollversammlungen möglichst immer teilzunehmen: "Das ist Pflicht, dass man im Landtag ist." Mistol berichtet, er habe bei einem Bund-Länder-Treffen von Söders Abwesenheit erzählt. Die Kollegen aus den anderen Bundesländern seien ganz erstaunt gewesen, dass man es dem Ministerpräsidenten durchgehen lasse.
Tatsächlich ist Söder nicht nur Teil der Staatsregierung (als Ministerpräsident), sondern er ist weiterhin auch Landtagsabgeordneter. Seit 1994 hat der CSU-Politiker ein Landtagsmandat, wurde 2018 im Stimmkreis Nürnberg-Ost wiedergewählt.
In anderen Ländern mehr Präsenz der Ministerpräsidenten
Und wie ist es in anderen Bundesländern? Eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung hat ergeben, dass in Brandenburg Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bei genau einer Plenarsitzung in der laufenden Legislaturperiode fehlte. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fehlte bei zwei Sitzungen. In anderen Bundesländern wurde mehr geschwänzt: In Nordrhein-Westfalen war CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei zehn von mehr als 30 Sitzungen nicht anwesend, ähnlich sieht es bei Manuela Schwesig (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern aus.
Aber auf eine so geringe Anwesenheitszahl wie Söder kommt offenbar kein Amtskollege. Auch Bayerns AfD-Fraktionschef Ulrich Singer erwartet, dass der Ministerpräsident öfter da ist: "Wenigstens für eine kurze Zeitspanne."
Freie Wähler haben Verständnis für Söders Abwesenheiten
Fabian Mehring ist parlamentarischer Geschäftsführer der Freie-Wähler-Fraktion und damit Söders Koalitionspartner. Er kann nachvollziehen, dass der Ministerpräsident nicht bei jeder Plenarsitzung dabei ist.
Mehring verweist auf die Gewaltenteilung in Bayern: Staatsregierung und Parlament hätten schließlich unterschiedliche Aufgaben: "Das heißt, es gibt an einem Tag, an dem im Parlament getagt wird, für den Spitzenvertreter der Exekutive, den bayerischen Ministerpräsidenten natürlich auch noch andere Aufgaben, die bewerkstelligt werden wollen."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!