Freitag, 10. März 2023: ein großer Tag für die Gemeinde Karlstein am Main an der bayerisch-hessischen Landesgrenze. Seit mehr als 20 Jahren wird dort über eine Ortsumfahrung diskutiert, heute wird sie für den Verkehr freigegeben. Damit sollen vor allem die Anwohner der Hanauer Landstraße im Ortsteil Dettingen entlastet werden.
Karlsteins größtes Infrastrukturprojekt
Etwa 18.000 Autos und Lkw fahren täglich über die Hauptverkehrsachse im Ort. "Für uns ist es natürlich ein wunderbarer Tag – vor 20 Jahren haben wir die Überlegungen für eine solche Ortsumgehungsstraße gestartet. Jetzt wird sie endlich Realität", sagte Karlsteins Bürgermeister Peter Kreß zu BR24. Es sei das größte Infrastrukturprojekt, das sie bis dato umgesetzt hätten. "Das meiste sind zwar Fördergelder, doch wir sind mit sechs Millionen Euro dabei", so Kreß weiter. Insgesamt kostet das Mammutprojekt 32 Millionen Euro.
Weniger Autos und Lkw durch den Ort
Die knapp drei Kilometer lange Trasse beinhaltet eine neue Brücke über eine ICE-Strecke der Bahn sowie die Anschlüsse der Gewerbegebiete "Am Kieswerk/Herzberg" und "Östliche Auwanne". Damit wird vor allem der Lkw-Verkehr aus dem Ort herausgehalten. Mit Öffnung der Umgehungsstrecke soll sich nun der Orts-Durchfahrtsverkehr auf circa 4.000 bis 8.000 Autos am Tag reduzieren.
Fuß- und Radwegunterführung soll noch kommen
Im Vorfeld ist ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept mit Bürgerbeteiligung gelaufen. Das Würzburger Büro Holl Wieden Partnerschaft hatte den Planerwettbewerb für sich entschieden. Die wichtigsten Daten: Ein "Baumtor" an der südlichen Ortseinfahrt, viel Grün, eine teils gepflasterte Hanauer Landstraße, breitere Gehsteige, Sitzmöbel, Tempo 30. Maßnahmen, um den verbleibenden Verkehr in der Hanauer Landstraße in Karlstein-Dettingen dazu zu bringen, langsam und rücksichtsvoll zu fahren. Noch in Arbeit ist eine Fuß- und Radwegunterführung am Bahnübergang "Hörsteiner Weg", die im Frühjahr 2025 fertig sein soll.
Bürgermeister: Flächenverbrauch möglichst gering halten
Große Priorität sei es gewesen, den Flächenverbrauch für die Baumaßnahme möglichst gering zu halten, so Bürgermeister Kreß. "Wir wollten möglichst keine Ackerflächen bebauen und haben genutzt, was wir hatten – wie vorhandene Wege um ein Kieswerk, auch eine alte Gleistrasse haben wir bebaut." Seitens des Naturschutzes wurde schon in den Jahren 2010 und 2011 ein Alternativbrutplatz für Uferschwalben geschaffen.
Ortsumfahrungen beschäftigen Bayern vielerorts
Ortsumgehungsstraßen scheinen in Bayern vielerorts Dauerthema zu sein. Etwa 100 Kilometer von Karlstein entfernt, in Giebelstadt, wurde auch 20 Jahre geplant. Doch schließlich hat sich die Regierung von Unterfranken aus Naturschutzgründen gegen eine Ortsumgehung ausgesprochen.
Auch ein Beispiel aus Oberfranken zeigt, dass es dauern kann, bis eine Ortsumfahrung kommt – oder eben nicht. In Kauerndorf bei Kulmbach haben Bürger seit den 1950er-Jahren diskutiert. Das Nachbardorf Untersteinach bekam die Umgehung dann vor drei Jahren, jetzt soll Kauerndorf an der Reihe sein. Doch Ukrainekrieg, Corona-Pandemie und Inflation haben erneut Kritiker des Bauprojekts auf den Plan gerufen. Seit November vergangenen Jahres wird nun gebaut, doch abgeflaut ist die Kritik noch nicht.
Die Regierung von Oberbayern beschäftigt sich aktuell auch mit mehreren Umgehungen: Bei Traunreut im Landkreis Traunstein sollen zwei Ortschaften durch eine Umgehung entlastet werden; in Neuburg a.d. Donau ist eine zweite Donaubrücke geplant. Beide Projekte stoßen auf Widerstand, nicht nur wegen des Lärms und der Kosten.
Aber auch Alternativen zu Umgehungsstraßen werden derzeit erprobt. Denn Straßen verbrauchen viel Fläche und sind deswegen oft umstritten. Der Bund Naturschutz und das Verkehrsministerium haben einen Modellversuch gestartet mit dem Ziel: Verkehrsberuhigung statt Umgehungsstraße.
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