Ein Mann arbeitet an einer CNC-Maschine (Symbolbild)
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Mainfrankens Wirtschaft hat viel zu beklagen

Mainfrankens Wirtschaft hat viel zu beklagen

Energiepreise, Bürgergeld, Bürokratie, Kosten – die Gründe zur Klage sind in mainfränkischen Betrieben vielfältig. Als Ursache und Lösung der Probleme sehen viele Wirtschaftsvertreter den Staat – und stellen klare Forderungen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Der Autozulieferer Jopp Holding in Bad Neustadt gibt offen zu, dass die Investitionen im Ausland stärker wachsen als am Stammsitz in Unterfranken, wo zurzeit noch die Hälfte von rund 1.700 Konzernbeschäftigten tätig sind. Für Jopp-Geschäftsführer Martin Büchs müsste als erstes die Stromsteuer gesenkt werden. Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Habeck für einen Industriestrompreis hält Jopp für ungeeignet, weil sie dem Mittelstand mit den allermeisten Beschäftigten nicht helfen würden.

Auf einer Pressekonferenz der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) in Unterfranken gab es zudem viel Kritik an der wachsenden Bürokratie. Fast jeden Monat eine neue Vorschrift, die Unternehmen könnten das gar nicht umsetzen, meinte Büchs. Für das Gastgewerbe gehe es nicht um Abwanderung, sondern um mögliche Betriebsaufgaben, sagte Claudia Amberger-Berkmann, die in Würzburg und München Hotels betreibt und in Unterfranken den Branchenverband DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) leitet. Für das Überleben vieler Gastronomie-Betriebe sei jetzt entscheidend, dass die verminderte Mehrwertsteuer von sieben Prozent auch weiterhin für sie bestehen bleibt.

Bürgergeld: Das "Schlimmste, was für uns passieren konnte"

Zum Hintergrund: Die Berliner Ampelkoalition plant möglicherweise ab dem nächsten Jahr eine Rückkehr zum alten Satz von 19 Prozent Mehrwertsteuer im Gastgewerbe. "Wir haben ja schon ein Gaststätten-Sterben", sagte Amberger-Berkmann vom DEHOGA Bayern und nannte gleich noch andere Maßnahmen, die wichtig wären. Besonders schlechte Erfahrungen habe das Gastgewerbe mit dem neuen Bürgergeld gemacht: Es sei das "Schlimmste, was für uns passieren konnte" in der Gastronomie und in anderen Bereichen.

Die Bereitschaft, zum Beispiel von Asylbewerbern, mehr als einen 520-Euro-Job zu übernehmen, sei durch die höheren Zahlungen zurückgegangen. Bürgergeld bringe mehr als mancher Vollzeitjob, so die DEHOGA-Bezirksvorsitzende für Unterfranken.

Flexiblere Arbeitszeiten gefordert

Generell fordern Wirtschaftsverbände wie die vbw oder DEHOGA flexiblere Arbeitszeiten. Eine Regelung mit maximal 48 Arbeitsstunden in der Woche wäre für das Gastgewerbe besser als die aktuelle Höchstgrenze von zehn Stunden am Tag. Hochzeiten oder andere Abendveranstaltungen ließen sich damit leichter bewältigen.

Besonders dramatisch sei die Lage im ländlichen Bereich, so Amberger-Berkmann, wo Gaststätten wegen der geringeren Auslastung stärker unter den steigenden Kosten und der Inflation litten. Gerade auf dem Land würden viele Betreiber von Restaurants und Wirtshäusern oft vorzeitig mit Mitte 50 oder Anfang 60 bereits aufgeben, weil sie sich sagten: "Wir haben keine Zukunft mehr."

Eine Folge seien große Entfernungen, wenn Ortschaften in 20 Kilometern keine Gastronomie mehr hätten. Der entscheidende Punkt seien viele Preiserhöhungen von Lieferanten vor allem bei den Lebensmitteln. Sie habe von einigen Lieferanten für ihre Hotels und das Caffè Ottolina in Würzburg schon die dritte Erhöhung in diesem Jahr bekommen. Diese Preissteigerungen ließen sich nicht einfach so an die Gäste weitergeben. Der niedrigere Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für das Gastgewerbe müsse daher unbedingt erhalten bleiben.

Weiter hohes Potential da

Noch sieht die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft im Bezirk Unterfranken die heimische Wirtschaft gut aufgestellt. Ihr Vorstandsvorsitzender Wolfgang Fieber verweist auf Innovationen wie die angemeldeten Patente der Unternehmen, von denen 123 sogenannte Weltklasse-Patente sind mit entscheidenden Ideen für mögliche Produkte. Es gehe dabei vor allem um Material-Technologie, so Fieber. Es sei ein hohes Potential da, aber darauf könnte man sich jetzt nicht ausruhen, es gebe viele Stellschrauben für den Erfolg.

Ähnlich äußerte sich Martin Büchs vom Autozulieferer und Maschinenbauer Jopp, der auf eine 104 Jahre alte Tradition zurückblicken kann. "Wir sind verwöhnt von den Erfolgen der letzten Jahrzehnte", so Büchs, der wegen steigender Personalkosten bei sinkender Produktivität verstärkt auf Automatisierung setzen will.

Jopp ist neben Bad Neustadt vor allem in China tätig, aber auch in den osteuropäischen Nachbarländern Ungarn und Tschechien. Die Qualität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sei vergleichbar mit den heimischen Belegschaften in Unterfranken. Bei der Ausbildung will Jopp aber weiterhin den Schwerpunkt in Bad Neustadt an der Saale setzen. Bis auf einige Spezialbereiche wie die Programmierung von Software sei es immer noch gut möglich, in der bayerischen Heimat genug Nachwuchskräfte zu finden, sagt Büchs.

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