Privatdozentin Dr. Dr. Bettina Hohberger mit ihrem Team in Uniklinik Erlangen.
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Privatdozentin Dr. Dr. Bettina Hohberger steht mit ihrem Team in einem Untersuchungszimmer der Uniklinik Erlangen.

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Long Covid oder Chronic Fatigue-Syndrom: Wer bekommt Medikament?

Das Medikament BC 007 könnte sowohl gegen Long-Covid als auch gegen das Chronische Fatigue-Syndrom helfen. In zwei Studien soll das erforscht werden. Doch wegen der teuren Zulassungsverfahren droht das vorläufige Aus für eine der beiden Studien.

Die Nachricht in den Sozialen Medien sorgte bei den Betroffenen für Entsetzen: Das für eine Studie dringend benötigte Medikament BC 007 kann nicht geliefert werden. Cindy Kleinschmidt ist immer noch fassungslos. Für die 41-Jährige ist eine Welt zusammengebrochen, "denn die ganze Hoffnung von uns ME/CFS-Betroffenen lag auf dieser Studie."

Seit über zwanzig Jahren leidet sie an Myalgischer Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrom – kurz ME/CFS. Sie sitzt mittlerweile im Rollstuhl, wenn sie überhaupt aus dem Bett aufstehen kann: "Im Prinzip bin ich völlig kraftlos, liege 22 Stunden abgedunkelt im Zimmer, leide unter Schwindel und haben einen Puls bis zum Anschlag. Es sind so viele Symptome, dass ich ein ganzes Buch darüber schreiben könnte. Die Ärzte wissen auch noch nicht, warum es so ist", sagt Cindy Kleinschmidt.

Große Hoffnungen auf BC 007

In der Medizin fehlt es noch an Wissen und Diagnostik für diese Erkrankung, die oft laienhaft als "Erschöpfungssyndrom" bezeichnet wird. Doch ME/CFS ist weit mehr, und das Leiden der Patientinnen und Patienten ist groß. Die Hoffnungen ruhen auf dem Medikament BC 007, an dem Privatdozentin Dr. Bettina Hohberger und ihr Team an der Uniklinik Erlangen forschen.

Damit haben sie im vergangenen Jahr vier Long-Covid-Patienten von ihren Beschwerden, wie großer Müdigkeit, Konzentrationsproblemen und Muskelzittern, befreit. Das bei den Heilversuchen eingesetzte Medikament BC 007 macht sogenannte Autoantikörper unschädlich, die sich gegen körpereigene Proteine richten und als eine mögliche Ursache von Long-Covid-Beschwerden diskutiert werden.

Parallelen zwischen Long COVID und ME/CFS

Wieso dies ein Hoffnungsschimmer auch für ME/CFS-Patienten ist, hängt mit einer gewissen Ähnlichkeit mit Long-Covid zusammen, erklärt Bettina Hohberger: "Sowohl im Blut der Patienten mit ME/CFS als auch mit Long-Covid sind Autoantikörper vorhanden. Das sind von der Variabilität her weniger als bei Long-Covid, aber es sind zwei identisch Gleiche dabei. Außerdem ähnelt sich die Symptomatik bei beiden Erkrankungen: Es gibt bei beiden die sogenannte Post-Exertional Malaise und die Chronic Fatique, so dass wir davon ausgehen, dass das Medikament BC 007 sowohl Menschen mit Long-Covid als auch ME/CFS helfen könnte."

Keine Zusage für Medikamentenlieferung

Mittlerweile gibt es zwei Spendensammlungen und öffentliche Fördergelder von Bund und Freistaat, damit die Wirkung von BC 007 auch bei ME/CFS-Erkrankten erforscht werden kann. Doch zurzeit herrscht Stillstand: Der Berliner Arzneimittelhersteller BerlinCures hat angekündigt, das notwendige Medikament nicht zu liefern. "BerlinCures hat als Startup-Unternehmen nicht die wirtschaftlichen Möglichkeiten, um ein Zulassungsverfahren von BC 007 für ME/CFS durchzuführen," sagt Geschäftsführer Dr. Johannes Müller zu BR24.

Während die klinische Studie zu BC 007 und Long-Covid im Herbst starten soll, gehen die ME/CFS-Erkrankten also erstmal leer aus. Obwohl es rund 300.000 Betroffene in Deutschland gibt, die seit vielen Jahren keine ausreichende Diagnostik und Therapie erhalten. Zwar ist ME/CFS seit 1969 von der Weltgesundheitsorganisation als neuroimmunlogische Erkrankung anerkannt, doch sie wurde seitdem kaum erforscht.

Wertvolle Zeit nutzen statt warten

Bettina Hohberger hofft weiterhin, dass sie eine entsprechende Studie an der Uniklink Erlangen durchführen kann, obwohl "wir lediglich eine mündliche Zusage des Unternehmens BerlinCures haben, dass es mit uns eine Studie machen möchte. Aber ohne schriftliche Fixierung des Unternehmens, die sie uns zum aktuellen Stand noch nicht geben wollen."

Vermittlungsversuche kommen von dem Ingolstädter CSU-Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer, der auch im Ausschuss für Gesundheit sitzt. Er vermutet ein Kommunikationsproblem und schildert, dass BerlinCures erst die Long-Covid-Studie machen und das Ergebnis abwarten wolle. "Die ME/CFS –Studie soll dann aus Sicht von BerlinCures eventuell der nächste Schritt sein. Doch Frau Dr. Hohberger sieht das anders. Wir sind da in Verhandlung und versuchen, beide Vertragspartner zusammen zu bringen", so MdB Erich Irlstorfer.

Mehr Geld und mehr Wille nötig

Erst die Long-Covid-Studie, dann ME/CFS-Forschung: Dadurch könnten viele Jahre ungenutzt verstreichen, befürchten ME/CFS- Betroffene. Sie hoffen, dass so schnell wie möglich ein wirksames Medikament zugelassen wird, und sie wünschen sich mehr Unterstützung seitens der Politik. Der Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer nennt zehn Millionen Euro, die der Bund für die Forschung zur Verfügung gestellt hat. Da sei zu wenig, und das sehe der Bundesgesundheitsminister ähnlich, so Irlstorfer. Da müsse nachgebessert werden. Wenn die klinische Forschung so weit sei, dass eine Zulassung beantragt werden kann, dann sei unter Umständen ein beschleunigtes Verfahren seitens der Behörden möglich.

Aufgeben ist keine Option

Es gibt noch viele Fragezeichen. Doch eines steht fest: Die Ärztin und Wissenschaftlerin Bettina Hohberger will sich an der Uniklinik Erlangen weiterhin für ME/CFS-Erkrankte einsetzen und die Krankheit und deren mögliche Diagnostik und Therapie weiter erforschen.

"Wir werden nicht aufgeben. Im Idealfall können wir die geplante Medikamentenstudie umsetzen. Zum jetzigen Stand prüfen wir auch Alternativen zu dem Studiendesign. Das ist noch nicht spruchreif, aber insgesamt ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“ Privatdozentin Dr. Dr. Bettina Hohberger, Uniklinik Erlangen

So hofft Cindy Kleinschmidt wie viele andere Betroffene weiter auf eine baldige Klärung, ob und wie es mit der geplanten Studie weitergehen wird. Sie wünscht sich eine Chance auf gesundheitliche Besserung, und dass zumindest ausprobiert wird, ob BC 007 den ME/CFS-Erkrankten helfen könnte.

Kranke warten verzweifelt auf Studie
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Wegen teurer Zulassungsverfahren droht zwei Studien zum Medikament BC007 für Long-Covid- und Patienten mit chronischem Fatigue-Syndrom das Aus.

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