Der Ballermann-Song "Layla" ist eine beispiellose Verharmlosung – von Zwang, Elend und Gewalt. Das sagt Helmut Sporer, Kriminaloberrat a.D., aus Wertingen, der lange für die Augsburger Kripo im Dezernat Sitte gearbeitet hat. Sporer sagte dem BR, er habe im Laufe seiner 30 Dienstjahre mit vielen Frauen zu tun gehabt, die nicht wussten, wie die Stadt heißt, in der sie gerade anschaffen mussten, die alle paar Wochen ausgetauscht und in ein anderes Bordell gebracht wurden, um die Freier nicht zu langweilen. Frauen, die kaum ein Wort Deutsch konnten und völlig abhängig von ihrem Zuhälter waren, der sie oft genug nicht nur mit aufmunternden Worten dazu antrieb, alles zu machen, was die Freier verlangten.
Massenhaft Angebote im Raum Augsburg
Und die Freier verlangten viel, auch abseits dessen, was Otto-Normalverbraucher unter Geschlechtsverkehr verstehe, weiß Sporer. Was er damit meint, zeigt ein Blick in einschlägige Foren im Internet: Über zwei Suchbegriffe bei Google werden sofort massenhaft Angebote für schnellen Sex ausgeworfen, mitten in Augsburg, Bobingen, Aichach oder Gersthofen.
Lied verharmlost ein kriminelles Gewaltsystem
Der Song "Layla" bediene völlig falsche Klischees, sagt Helmut Sporer. Der Zuhälter würde verharmlost und die "Puffromantik" im Lied "verniedliche" die Tatsache, dass in den Etablissements in der Regel auch schwere Verbrechen verübt würden: von Körperverletzung bis hin zu Totschlag und Mord. "Das ist ein kriminelles Gewaltsystem", sagt der Ex-Polizist, der jetzt im Ruhestand das "Deutsche Institut für angewandte Kriminalitätsanalyse" (DIAKA) in München mitgegründet hat. DIAKA will beraten und Öffentlichkeitsarbeit leisten "für eine Gesellschaft frei von Menschenhandel und damit verbundener sexualisierter Gewalt". Denn was in Deutschland als Prostitution bezeichnet und behandelt wird, ist laut DIAKA in weiten Teilen "ein Geschäftsfeld der Organisierten Kriminalität".
Diskussion um Prostitution wird zu oberflächlich geführt
Den Song zu verbieten, der seit Wochen die Charts anführt und bei Streaming-Diensten der Renner ist, sei freilich nicht der richtige Weg, so der frühere Polizist. Vielmehr müsse endlich über das eigentliche Problem geredet werden: dass Deutschland mittlerweile "der Puff Europas" sei. Generell müsse geklärt werden, ob Prostitution weiterhin erlaubt sein soll in Deutschland. "Diese Diskussion wird aber sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik viel zu oberflächlich geführt, da traut sich keiner ran", meint der frühere Augsburger Kripo-Beamte.
Dazu komme laut Sporer eine "laute Lobby" aus den Kreisen deutscher Rotlichtbetriebe, die weiterhin dafür werbe, die Prostitution in Deutschland so laufen zu lassen. Dieser sei es egal, dass die freizügigen Regelungen zulassen, dass ausländische Frauen in Deutschland systematisch zum Sex gezwungen werden, glaubt Sporer. Er hat während seiner Zeit bei der Polizei etliche große Strafprozesse wegen Menschenhandels gegen Zuhälter in Augsburg begleitet.
Augsburgs Ruf als "Puff-Hauptstadt" kommt von guter Kripo-Arbeit
Schätzungen von Polizei und Behörden zufolge, schaffen rund 300 Frauen allein in Augsburg an. Vor Corona waren es noch rund 500. Dass die Stadt lange als "Puff-Hauptstadt" gehandelt wurde, ist Experten aus der Szene zufolge leicht zu erklären, auch wenn es paradox klingt. Es gebe dort viel Prostitution, wo die Polizei viel nachschaue und kontrolliere. Die Augsburger Kripo mache eine hervorragende Arbeit, sagt Daniela Lutz von der Frauenrechtsorganisation Solwodi. Sie bezeichnet die Zusammenarbeit mit der Augsburger Polizei sogar als beispielhaft, weil Ermittler von Polizei und Zoll, Ordnungsamt, Gesundheitsamt und Hilfsorganisationen an einem Strang ziehen würden, das sei längst nicht in allen Städten der Fall.
Die Realität ist Elends- und Zwangsprostitution
Das Problem sei, so Daniela Lutz, "dass die Bevölkerung gar nicht richtig informiert ist, wie brutal und menschenverachtend" es in der Prostitution hierzulande zugehe. "Für mich ist das ein Problem, dass immer nur eine Minderheit in der Öffentlichkeit zum Thema spricht. Die vulnerablen Gruppen, die gezielt angeworben werden, die Elendsprostituierten, die kriegen sie gar nicht in die Medien." Sie würde sich wünschen, so Lutz weiter, dass mehr Menschen erfahren, wie die Realität aussieht und auch in den Schulen über Zwangsprostitution informiert wird.
Verharmlosung tut "in der Seele weh"
Dass diese Not-und Elendsprostitution in den Bierzelten mit dem Song "Layla" dann so verharmlost wird, "das tut mir wirklich in der Seele weh", sagt die Augsburgerin. "Weil junge Männer diesen Eindruck doch auch mitnehmen" - dass käuflicher Sex völlig in Ordnung sei.
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