"Sie haben keine Ahnung", ruft Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) mehrmals in Richtung der Oppositionsbänke links und rechts der Regierungsfraktionen im Bayerischen Landtag. Bernreiter wirkt verärgert, nach der etwa einstündigen Debatte im Landtagsplenum. Das Thema der "Aktuellen Stunde" auf Vorschlag der SPD-Fraktion: "Vier Wände statt leerer Worte - Wie bezahlbarer Wohnraum in Bayern gelingt".
Opposition: Wohnungsbauversprechen ist "Pleite" für Söder
Genervt ist Bernreiter offensichtlich vor allem angesichts der Angriffe der Opposition auf die staatliche Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim. Für die ist er - obwohl erst vor einem Jahr ernannt - als Minister zuständig, ob er will oder nicht. Denn die BayernHeim bleibt nach wie vor deutlich zurück hinter dem Versprechen, bis 2025 10.000 neue Wohnungen zu bauen.
Sein Chef, Ministerpräsident Markus Söder, hatte das 2018 als klares Ziel formuliert - mit Bernreiter beißt sich daran inzwischen der dritte Bauminister innerhalb einer Legislaturperiode die Zähne aus. Bis Ende 2024 dürfte die BayernHeim mit 682 Wohnungen nur sieben Prozent des angestrebten Ziels erreichen, das zeigen Daten aus dem Bauministerium.
In den ersten vier Jahren habe die BayernHeim keine einzige Wohnung gebaut, lediglich 234 gekauft, erklärt SPD-Fraktionschef Florian von Brunn: "Was für eine Pleite für den Ministerpräsidenten" findet der Spitzenkandidat der Bayern-SPD für die Landtagswahl.
AfD und FDP: BayernHeim muss liquidiert werden
Ähnlich die Kommentare der anderen Oppositions-Redner. Jürgen Mistol, baupolitischer Sprecher der Landtagsgrünen, nennt den Ministerpräsidenten "einen der besten Luftschlossbauer der Welt", und fügt hinzu: "Aber in einem Luftschloss kann halt leider keiner wohnen". Es räche sich nun, dass Söder als Finanzminister mit den 33.000 GBW-Wohnungen "Tafelsilber verscherbelt" habe.
Für den AfD-Baupolitiker Franz Bergmüller ist die BayernHeim "ein Rohrkrepierer". Er fordert die Auflösung der BayernHeim zu Gunsten von kommunalen und gemeinnützigen Wohnungsbau-Unternehmen. Auch der Vorsitzende des Bauausschusses im Landtag, Sebastian Körber, FDP, spricht von "liquidieren". Er könne es nicht mehr hören, wenn die Regierungsfraktionen sich hinstellten und sagten "die BayernHeim ist etwas Gutes", so Körber. Das sei "Realsatire".
Bernreiter: BayernHeim nimmt an Fahrt auf
Bauminister Bernreiter lässt die Kritik über sich ergehen, zwischenzeitlich ist auf der Regierungsbank ein gequältes Lachen erkennbar. Am Rednerpult dann teilt er aus gegen den politischen Widersacher: "Jeder blamiert sich so gut er kann", ruft er zum Beispiel in Richtung SPD-Mann Florian von Brunn. Und er spricht von "ganz viel Unsinn" und "dünner Suppe, die Sie uns da kredenzen".
Dann die Verteidigungsrede für die BayernHeim: Die Rahmenbedingungen seien "herausfordernd", die Baukosten um 17 Prozent gestiegen. Inflation und Fachkräftemangel würden das Übrige tun. Während die private Wohnungswirtschaft deshalb jetzt "auf die Bremse tritt", nehme die BayernHeim gerade "an Fahrt auf". Zuletzt hatte Bernreiter erklärt, dass mehrere tausend Wohnungen in Planung seien. Mit noch einmal 250 Millionen Euro, will er das Kapital der BayernHeim aufstocken.
Das zweifelt die Opposition im Landtagsplenum lautstark an, es sei aus dem Haushaltsentwurf 2023 nicht herauszulesen. Bernreiter entgegnet, "auf die Nachschubliste für 2024 fort-folgende" komme eine entsprechende Verpflichtungsermächtigung, "um den Schwung fortsetzen zu können". Der Minister berichtet zudem von großen Wohnungsbaufirmen und von Bürgermeistern "auch von der SPD", die sich jetzt bei ihm meldeten und mit der BayernHeim zusammenarbeiten wollten.
Jürgen Baumgärtner, CSU-Baupolitiker im Landtag, springt Bernreiter bei. Die BayernHeim habe sich als "fester Player" in der bayerischen Wohnungsbaugesellschaft etabliert. Seine Prognose: "2029 haben wir das endgültig im Griff".
CSU und Freie Wähler kontern mit Kritik an Geywitz
Sonst aber verfahren die Redner der Regierungsfraktionen eher nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung": Sie richten den Blick nach Berlin. Dort würde das Wahlversprechen der Bundes-SPD und das erklärte Ziel der Ampelregierung, jedes Jahr 400 000 neue Wohnungen zu bauen, auch nicht erreicht. "Die Ampel ist der Fürst des Abstiegs und des Versagens", lästert der CSU-Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner. Er kritisiert auch ein "Förderchaos", das SPD, Grüne und FDP beim Wohnungsbau angerichtet hätten.
Und Hans Friedl von den Freien Wählern ärgert sich darüber, dass die Förderprogramme vom Bund "unterfinanziert" seien. Als Beispiel nennt er die KfW-Förderung für energieeffiziente Gebäude. Im Gegensatz zur Ampel, so die Vertreter von Freien Wählern und CSU, stehe die Staatsregierung für "Verlässlichkeit". Genau das sei für die Bauwirtschaft wichtig.
Bernreiter setzt auf bayerischen "Wohnbau-Booster"
Doch wie kann Wohnungsbau gelingen? Den zweiten Teil des Titels der "Aktuellen Stunde" "Vier Wände statt leerer Worte - Wie bezahlbarer Wohnraum in Bayern gelingt" beantwortet Bernreiter mit seinem erst kürzlich vorgestellten "Wohnbau-Booster". Kernpunkte sind höhere Fördersätze für den Mietwohnungsbau und höhere Zuschüsse für Privatpersonen.
Zudem will die Staatsregierung durch Änderungen im Erbbaurecht die verbilligte Abgabe von staatlichen Grundstücken ermöglichen, damit Bauherren erschwingliche Mietwohnungen bauen können. Und in der Bauordnung soll die Zulassung von einfacherem und damit günstigerem Wohnungsbau erweitert werden. "2023 wollen wir dafür so viel Geld in die Hand nehmen wie nie zuvor", so Bernreiter. Er sprach zuletzt stets von "einer Wohnungsmilliarde".
Opposition an Regierung: "Schreiben Sie gerne wieder von uns ab"
Die Opposition wirft Bernreiter "Luftbuchungen" vor. Ohne deutliche Aufstockung der Bundesmittel für dieses Jahr wäre die Wohnungsmilliarde längst "zusammengeschrumpft", so Jürgen Mistol von den Grünen. Im Haushaltsentwurf stelle Bernreiter keinen zusätzlichen Euro zur Verfügung: "Da kommt das Geld aus Berlin recht, um das eigene Image aufzupolieren", so Mistol. Und FDP-Bauexperte Körber ruft: "Ein Bauboosterchen mit Bundesmitteln - wie erbärmlich kann das denn sein". Auch SPD-Chef Florian von Brunn fordert eine "echte" bayerische Wohnungsmilliarde. Er wirft der Staatsregierung eine "Mogelpackung" vor: "Statt bezahlbare Wohnungen zu bauen, täuschen und tricksen Sie." Bernreiter weist das als "glatte Falschbehauptungen" zurück.
Gleichwohl, so die Oppositionsvertreter, seien einzelne Maßnahmen im Rahmen des Wohnbau-Boosters sinnvoll und wünschenswert. Sie reklamieren dabei aber mehrere Ideen für sich. Von "Serviceopposition" spricht FDP-Politiker Körber mit ironischem Unterton von seiner Partei. An den Bauminister gerichtet verweist Körber auf "64 konkrete Vorschläge" seiner Fraktion: "Wir freuen uns, wenn Sie die nächsten Vorschläge von uns abschreiben".
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!