Das Landgericht Traunstein hat das Verfahren gegen den einstigen Papst Benedikt XVI. und andere Kirchenverantwortliche ausgesetzt. In dem Zivilverfahren vor dem Landgericht Traunstein will ein Missbrauchsopfer aus dem oberbayerischen Garching an der Alz gerichtlich klären lassen, ob Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., als Münchner Erzbischof (1977-1982) durch sein Handeln oder Unterlassen in einem Missbrauchsfall zu Schadensersatz verpflichtet ist oder zumindest gewesen wäre.
Klage nicht nur gegen späteren Papst Benedikt
Die Klage richtet sich nicht nur gegen das frühere Kirchenoberhaupt, sondern auch gegen den Münchner Kardinal Friedrich Wetter (Erzbischof von 1982-2008), gegen den mutmaßlichen Täter sowie das Erzbistum München und Freising als solches.
Das Landgericht Traunstein hat am Dienstag bestätigt, dass das Verfahren ausgesetzt wurde. Der BR und das Recherchezentrum Correctiv hatten zuerst berichtet. Demnach hat der Prozessbevollmächtigte von Benedikt XVI., die Kanzlei Hogan Lovells, beantragt, das Verfahren pausieren zu lassen, bis ein Rechtsnachfolger des verstorbenen Papstes feststehe.
Nach Benedikts Tod treten dessen Erben ins Verfahren ein
Denn nach dem Tod Benedikts am Silvestertag ist dieser laut Gericht "nicht mehr Partei des Verfahrens". Kraft Gesetz träten nun automatisch seine Erben ins Verfahren ein. Das Amtsgericht Traunstein sieht sich dahingehend aber nicht zuständig, weil "der sogenannte gewöhnliche Aufenthalt des verstorbenen emeritierten Papstes im Vatikanstaat war".
Bei der Klage geht es um einen Missbrauchsfall, der sich in den 1990er-Jahren im oberbayerischen Garching an der Alz abspielte. Der Kläger, ein heute 38-jähriger Mann aus Oberbayern, war dort von seinem Gemeindepfarrer, dem mehrfach von der Kirchenleitung versetzten Wiederholungstäter Peter H., sexuell missbraucht worden.
Ohne Rechtsnachfolger Benedikts ruht das Verfahren
Das Landgericht Traunstein soll im Interesse des Klägers rückwirkend prüfen, ob damals Verantwortliche des Erzbistums für den Schaden haften müssen, der dem Mann durch den Missbrauch entstanden ist. Zu den damals Verantwortlichen zählen auch die ehemaligen Münchner Erzbischöfe, Kardinal Friedrich Wetter und Kardinal Joseph Ratzinger.
Trotz der Aussetzung sind alle Beteiligten am Verfahren mit dem geplanten Beginn der mündlichen Verhandlung am 28. März einverstanden, teilte das Gericht weiter mit. "Ob es zu diesem Termin aber kommt, wird davon abhängen, ob bis dahin die Frage der Rechtsnachfolge geklärt ist."
Opferanwalt: Erzbistum München will Verjährung geltend machen
Laut einem Schreiben, das dem Bayerischen Rundfunk und dem Recherchezentrum Correctiv vorliegt, versucht das Erzbistum München und Freising aber offenbar, die Zivilrechtsklage abzuwenden.
Die Anwaltskanzlei des Erzbistums werde in dem Feststellungsverfahren, das am 28. März vor dem Landgericht Traunstein beginnen soll, "keinen Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklären", heißt es in dem Schreiben der Kanzlei des Erzbistums an den Anwalt des Klägers.
Indem das Erzbistum München und Freising die Verjährung des Falls geltend macht, könnte es das Verfahren formal verhindern. Das Erzbistum wolle sich offensichtlich seiner Verantwortung nicht stellen, so der Verteidiger des Klägers, der Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz. Im Gegensatz zum Erzbistum München und Freising hatte jüngst das Erzbistum Köln bei einer Klage auf Schadensersatz auf die Verjährungseinrede verzichtet.
Missbrauchsgutachten vor einem Jahr vorgestellt
Bei einer Pressekonferenz des Erzbistums zu den Folgen des vor einem Jahr vorgestellten Missbrauchsgutachtens für die Erzdiözese sagte Sprecher Bernhard Kellner zu diesem Aspekt: "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu dem laufenden Verfahren nicht äußern können." Amtschefin Stephanie Herrmann fügte an, die Klageerwiderung habe man noch gar nicht abgegeben. Die Frist laufe noch.
Die Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission der Erzdiözese, Michaela Huber, sagte am Rande der Pressekonferenz, sie gehe fest davon aus, dass das Erzbistum München und Freising keine Einrede der Verjährung einlegen werde. Etwas anderes würde "nicht zu dem passen, wie ich Kardinal Marx in den letzten eineinhalb Jahren erlebt habe", sagte sie.
Mit Material von KNA
Zum Nachschauen: BR24live zieht Bilanz - Ein Jahr nach Münchner Missbrauchsgutachten
Schattenkreuz an der Wand
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