Erste Ausstellung in der Kongresshalle in Nürnberg
Bildrechte: BR/ Michael Reiner

Viel Platz für die freie Kunst-Szene: Die neue White Cube-Ausstellungsfläche in der vin den Nazis nicht fertig gebauten Kongresshalle.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Kunst im Nazi-Bau: Erste Ausstellung in Nürnberger Kongresshalle

Die Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände soll zum kulturellen Hotspot Nürnbergs werden und international leuchten – mit dem Ersatz-Opernhaus und Räumen für die freie Szene. Die erste Ausstellung zeigt, ob das funktionieren kann.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Durch eine unscheinbare Stahltür im Arkadengang der Kongresshalle geht es in den Ausstellungsraum – die unverputzten Backsteinwände sind beeindruckende zehn Meter hoch, die Decken sind aus Sichtbeton und der Fußboden ist uneben und staubig. Die Nazis haben den hufeisenförmigen Bau zwischen Volksfestplatz und Dutzendteich auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände nie fertiggestellt.

  • Zu Artikel: Kulturszene auf 7.000 in früherer NS-Kongresshalle

An den Wänden hängen große und kleine Bilder, davor stehen Objekte. Zum Beispiel zwei Sofas in der Form eines liegenden nackten Mannes und einer liegenden nackten Frau. "Clemens Heinl, der diese Sofas hier gemacht hat, der hat gleich gesagt: 'Um Gottes Willen, diese Räume so lassen, nichts verändern, ja nichts saubermachen, ja nichts weiß streichen'", sagt der Fotokünstler Günter Derleth, der die erste Ausstellung im Inneren des früheren Nazi-Baus organisiert.

Zu den Wurzeln der Fotografie

Die Räume seien sehr spektakulär, findet er. "Wobei man die Geschichte nicht ausblenden kann." Derleth hat mit seiner Lochkamera die Ateliers von 42 Künstlerinnen und Künstlern fotografiert. Lange hat der 82-Jährige nach Räumen gesucht, in denen er seine blau-schwarz-weißen Fotos ausstellen konnte – zusammen mit Werken der von ihm besuchten Künstler. Dann hat ihm die Stadt die Räume in der Kongresshalle angeboten. "Ich kenne das Gelände sehr gut. Wir haben da außenherum als Kinder immer gespielt." Jetzt freut er sich, dass nach so langer Zeit endlich ein kleiner Raum für die Kunst geöffnet wird.

Öffentlichkeit kann sich ein Bild machen

Die Stadt Nürnberg hat viel vor mit den Räumen, die sie nun erstmals präsentiert. Es ist zunächst einmal ein sogenannter "White Cube" entstanden. Das ist eine frei bespielbare Fläche, die immer wieder neu interpretiert werden kann, erklärt Kulturbürgermeisterin Julia Lehner (CSU). Im "White Cube" will die Kulturverwaltung zeigen, welche Potenziale die so genannten Ermöglichungsräume in der Kongresshalle haben. "Wir machen hier so eine Art Probelauf. Uns ist es wichtig, dass vor allem die Bevölkerung in das Gebäude kommt und sich vor Ort informieren kann."

Bildrechte: BR/Michael Reiner
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Viel Platz für Kunst: Bürgermeisterin Lehner und Foto-Künstler Derleth auf einem der Sofas von Clemens Heinl in der aktuellen Ausstellung.

Ein Fußballplatz für Kunst und Kultur

In der Kongresshalle soll außerdem die Ersatzspielstätte entstehen, wenn das Opernhaus wegen der Generalsanierung geschlossen werden muss. Ab dem Jahr 2027 sollen die Arbeiten beginnen – so jedenfalls der bisherige Plan. Im Innenhof soll der Bühnenbau gebaut werden. Foyers, Garderoben, Technik und Probenräume werden im Kongresshallen-Torso untergebracht. Dort ist viel Platz, der der freien Kulturszene zur Verfügung gestellt werden solle. Denn: In Nürnberg fehlen Atelier- und Proberäume, Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen. Geplant sind drei Stockwerke für Kunst und Kultur – die so genannten Ermöglichungsräume – mit knapp 7.300 Quadratmetern Fläche. Das ist etwa so groß wie ein Fußballplatz.

Hoffen auf internationale Beachtung

Mit den demokratischen Mitteln der Kunst und Kultur soll sich der "Un-Ort" Kongresshalle wandeln, sagt Bürgermeisterin Lehner. "Es ist ein visionärer Schritt. Wir entwickeln hier einen ganz besonderen Kulturort. Der wird internationale Beachtung finden." Der Bund fördert den Ausbau der Ermöglichungsräume mit 20 Millionen Euro. Für die anderen Arbeiten gibt es ebenfalls Zuschüsse vom Freistaat. Die Kosten für das gesamte Kongresshallen-Projekt inklusive des Opern-Interims hat die Stadt auf 211 Millionen Euro gedeckelt. Der Bau von Opern-Interim und Ermöglichungsräumen soll im Jahr 2027 beginnen – so die derzeit aktuelle Planung.

Räume inspirieren zu großformatigen Werken

Im "White Cube" wird nun ausprobiert, was möglich ist. Susanne Carl hat das großformatige Foto einer Frau aufgehängt, die mit einer Maske vor dem Gesicht auf einem Sofa steht – der Abzug ist 2,75 Meter hoch. "Auf diese Idee bin ich nur gekommen, weil ich wusste, hier sind riesige, hohe Räume", sagt sie.

Regina Pemsl hat sich für ihre Arbeit mit der Kamera auf eine botanische Spurensuche rund um die Kongresshalle gemacht. Sie zeigt zum Beispiel das Bild eines braungestreiften Mauerfarns, der an der Außenhaut der Kongresshalle wächst. "Ich finde die Ausstellungsräume genial. Das sichtbar lassen, was passiert ist, aber es auch im Gespräch zu halten, das ist das Wichtigste überhaupt", meint sie.

Platz für Lesungen, Tanz und Theater

Der Bildhauer Hans Karl Kandel hat eine kleine Plastik aus Gips ausgewählt, die er ausstellt. Die Räume mit ihren kleinen Winkeln und großen Treppenhäusern sind eine Herausforderung für jeden Künstler, sagt er beim Rundgang durchs Gebäude und zeigt auf ein Podest, das auf gemauerten Backsteinbogen steht. "Ich könnte mir hier vorstellen, dass Lesungen stattfinden, dass hier Tanz stattfindet. Die Räume können mit alle Arten von Kunst bespielt werden".

Freier Eintritt soll Publikum anlocken

Die Ausstellung "Die Camera Obscura im Atelier" läuft bis zum 2. Juli im "White Cube Kongresshalle". Der Zugang ist vom Parkplatz und der Straßenbahnhaltestelle Dokumentationszentrum gut ausgeschildert. Die Schau ist immer freitags, samstags und sonntags zwischen 13.00 und 17.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!