Eine Person vom Krankenhaus-Personal hält die Hand eines Patienten.
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Beim heutigen Krankenhausgipfel in Berlin stehen die heiß diskutierten Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Fokus.

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Krankenhausreform: Ländliche Kliniken üben scharfe Kritik

Beim heutigen Krankenhausgipfel in Berlin stehen die heiß diskutierten Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Fokus. Kritik kam vor allem aus Bayern, gerade Kliniken in ländlichen Gebieten sorgen sich um ihre Zukunft.

Der kaufmännische Leiter des Höchstädter St. Anna-Krankenhauses, Thomas Menter, hat die Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) scharf kritisiert. Bereits am Sonntag sagte Menter BR24 mit Blick auf den heutigen Krankenhausgipfel in Berlin, er halte nichts von Reformen, "die am grünen Tisch entstehen". Stattdessen bevorzuge er die Einbeziehung der Beteiligten aller Versorgungsstufen, um sinnvolle Umstrukturierungsmaßnahmen zu erstellen. Es nütze nichts, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen.

Höchstädter Klinikchef befürchtet Kündigungswelle

Nach aktuellem Stand würde die Reform Lauterbachs dafür sorgen, dass rund 1.000 Kliniken in Deutschland aus dem Versorgungsplan fallen würden, so Menter: "Dann wären auch wir kein Akut-Krankenhaus mehr, sondern nur noch eine bessere Kurzzeitpflege." Als Folge fürchtet der Klinik-Chef zahlreiche Kündigungen, "weil Ärzte und qualifiziertes Fachpersonal nicht in so einem Umfeld arbeiten wollen."

Hohe Kosten durch Krankenhausreform

Gleichzeitig würden die Reformpläne für einen massiven Patientenzulauf bei größeren Krankenhäusern, sogenannten "Maximalversorgern", sorgen. "Die müssen dann ja wieder bauen, das dauert zum einen sechs bis zehn Jahre, zum anderen rechnen Experten mit Gesamtkosten von etwa 80 bis 100 Milliarden Euro."

Die Lage in deutschen Krankenhäusern sei ohnehin angespannt. Eine hohe Ausfallquote aufgrund der Corona-Pandemie sowie der grundsätzliche Arbeitskräftemangel sorgen dafür, dass sich die Branche schon seit Jahren "enorm strecken" müsse, sagt Menter. Er verstehe zwar, dass es Änderungen im System brauche. Allerdings bezweifelt er, dass aktuell der richtige Zeitpunkt für eine Reform ist.

Reformpläne in der Kritik

Auch die Verantwortlichen des Klinikums Altmühlfranken stehen den Plänen Lauterbachs kritisch gegenüber. Manuel Westphal (CSU), Landrat des Landkreises Weißenburg-Gunzenhausen, und Klinikchef Christoph Schneidewin sind allerdings auch davon überzeugt, dass die Reform nicht wie bisher geplant umgesetzt werden kann, erklärten sie bei einem Pressegespräch. In der Zwischenzeit haben Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Bayern gemeinsam ein Rechtsgutachten angefordert, das klären soll, ob die geplante Krankenhausreform verfassungsgemäß ist.

Grundversorgung statt Spezialisierung

Nach den bisherigen Reformentwürfen würden die beiden Kliniken in Weißenburg und Gunzenhausen in die Kategorie "Level 1" fallen, erklärt der Chef des Klinikums Altmühlfranken Schneidewin. Das bedeutet, dass nur noch eine Grundversorgung, zum Beispiel mit allgemeiner Chirurgie angeboten würde. Abteilungen wie Kardiologie, Onkologie, Endoprothetik oder die Geburtsstation müssten schließen, so Schneidewin. Geht es nach Gesundheitsminister Lauterbach, sollen nur noch sogenannte Level-2-Kliniken solche Stationen betreiben.

Längere Wege für Patienten

Das Klinikum Altmühlfranken hat sich vor mehr als 20 Jahren dazu entschlossen, die medizinischen Strukturen aufeinander abzustimmen, so Klinikchef Schneidewin. Das heißt: Die beiden Kliniken im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen unterhalten nicht alle Stationen, sondern jedes Haus hat sich spezialisiert. So gibt es in Gunzenhausen unter anderem Unfallchirurgie und Kardiologie, dafür ist in Weißenburg zum Beispiel die Gastroenterologie und die Geburtshilfestation untergebracht. "Wir haben einen sehr hohen Spezialisierungsgrad", sagt Christoph Schneidewin stolz. Aber all das könnte künftig nicht mehr angeboten werden, so der Klinikchef. Das würde für Patientinnen und Patienten bedeuten, dass sie Wege von 60 Kilometern und mehr zurücklegen müssten, um behandelt zu werden. Durch die Spezialisierung an den beiden Standorten stehe das Klinikum auch wirtschaftlich gut da, erklären Schneidewin und Westphal.

Regionale Sonderlösungen für den ländlichen Raum

Der Landrat hat sich bereits an den bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) gewandt, um ihm die Situation des Klinikums Altmühlfranken zu schildern. Außerdem habe er sich der Erklärung des Bayerischen Landkreistages gegen die Reformpläne angeschlossen, so Westphal. Lauterbachs Entwürfe würden für Großstädte funktionieren, aber nicht für den ländlichen Raum, sagt Schneidewin. Er und der Landrat fordern regionale Sonderlösungen – vor allem für wirtschaftlich sehr gesunde Kliniken wie in Weißenburg und Gunzenhausen. Die 100 Millionen Euro teure Sanierung des Weißenburger Krankenhauses ist von den Reformplänen nicht betroffen. Sie soll auf jeden Fall planmäßig im Herbst mit dem Spatenstich für einen Funktionstrakt starten.

Thomas Mentner kaufmännischer Leiter St. Anna und Landrat Erlangen-Höchstadt Alexander Tritthart (CSU).
Bildrechte: BR

Ländliche Kliniken kritisieren Gesundheitsminister Lauterbach und seine geplanten Reformen.

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