Immerhin in einer Sache sind sich alle Beteiligten weitgehend einig: Es muss sich etwas ändern in Deutschlands Krankenhauslandschaft. Schließlich schrieben fast 60 Prozent aller Kliniken vergangenes Jahr rote Zahlen. Eine Reform ist also geboten - doch bei der Frage, wie die aussehen soll, endet die Einigkeit und der Streit beginnt.
Am Dienstag präsentierte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) im Landtag ein Gutachten, mit dem er abermals vor den Reformplänen von Bundesminister Karl Lauterbach (SPD) warnte. Die Ideen der Expertenkommission in Berlin würden dazu führen, dass in Bayern unter anderem "reihenweise Geburtshilfen wegfallen, dass Kardiologie wegfällt, dass das bewährte System der Schlaganfallversorgung nicht mehr stattfinden kann".
Holetschek: "Zu starre Vorgabe"
Die Expertenkommission des Bundes hatte empfohlen, Kliniken künftig in drei Versorgungslevel einzuteilen – von Level Eins gleich Basisversorger bis Level Drei gleich Vollversorger wie Unikliniken. Krankenhäuser sollen sich stärker spezialisieren, Basisversorger sollen sich vor allem um ambulante Pflege kümmern.
Holetschek sieht in den Vorschlägen "eine zu starre Vorgabe" für den Freistaat. Es brauche sogenannte Öffnungsklauseln und Ausnahmetatbestände für die Länder um die Reformpläne individuell anzupassen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte sich bei einem Bund-Länder-Treffen vergangene Woche hierzu gesprächsbereit gezeigt. "Die Reform wird nicht so kommen, wie sie auf dem Tisch liegt und das ist gut so", sagte Holetschek am Dienstag im Gesundheitsausschuss.
SPD-Gesundheitspolitikerin Ruth Waldmann bezeichnete das von Holetschek in Auftrag gegebene Gutachten als "Themaverfehlung". Von starren Vorgaben könne keine Rede sein. Das Papier der Expertenkommission liefere lediglich Vorschläge und eine Grundlage für weitere Verhandlungen. "Es entsteht erst ein Referentenentwurf an dem Sie bitte mitarbeiten müssen, wie alle anderen Länder auch", sagte Waldmann in Richtung Holetschek. "Es wäre wichtig zu formulieren: Wo wollen wir hin? Das müssen Sie hier vorlegen." Stattdessen betreibe Bayerns Gesundheitsminister "Angstmache" mit Blick auf mögliche Versorgungsdefizite.
Grüne: Brauchen mehr Hubschrauber und weniger Schwarzwaldkliniken
Andreas Krahl von den Grünen kritisierte, dass das Gutachten nur die Zahl der gegebenenfalls herabgestuften Kliniken betrachte, nicht aber die medizinische Qualität: "Sie setzen voraus, dass ein kleiner Erstversorger ohne entsprechende technische Ausrüstung die gleiche initiale Herzinfarktbehandlung leisten kann, wie ein hochspezialisiertes klinisches Zentrum." Laut Krahl muss die bayerische Staatsregierung der Strukturwandel aktiv mitgestalten und auch die präklinische Versorgung stärker in den Fokus nehmen, nach dem Motto: "Wir werden in Zukunft in Bayern mehr Hubschrauber brauchen und weniger Schwarzwaldkliniken."
Dominik Spitzer von der FDP ist selbst Arzt und beklagte vor allen Dingen die drastische Ablehnung der Staatsregierung mit Blick auf die Berliner Vorschläge. Laute Töne würden zum jetzigen Zeitpunkt zur Verunsicherung der Bürger, Pflegekräfte und Ärzte führen - "bis hin zur Überlegung von Chef- und Oberärzten, die Klinik zu wechseln". Spitzer empfahl auf der sachlichen Ebene zu kommunizieren.
Freie Wähler: Vorschläge gehen für Bayern in falsche Richtung
Die Freien Wähler wiesen Kritik am Gutachten zurück. Es liege ein konkretes Papier der Regierungskommission auf dem Tisch und darüber müsse diskutiert werden. "Das Gutachten zeigt deutlich, dass dieses Papier für Bayern in die falsche Richtung geht", sagte Peter Bauer (FW). Laut CSU-Politiker Martin Mittag sind die Menschen wegen den Ideen aus Berlin verunsichert und nicht wegen dem bayerischen Gutachten. "Dann darf man sowas nicht öffentlich machen", sagte Mittag, sondern müsse die Vorschläge zunächst intern zwischen Bund und Ländern besprechen. Andreas Winhardt von der AfD bezeichnete die Reformpläne der Experten als "Angriff auf die föderale Struktur" und in der Konsequenz als "Schlag ins Gesicht für Patienten".
SPD-Politikerin Margit Wild bedauerte die Diskussionskultur im Ausschuss. Die Krankenhausreform sei viel zu wichtig um damit zu polemisieren. "Das haben Sie früher nicht gemacht Herr Minister", sagte Wild in Richtung Holetschek. Sie wünsche sich, dass man das Thema "weitgehend aus dem Wahlkampf rauslässt".
Bundesverfassungsgericht als Ultima Ratio
"Ich bin keiner der die gemeinsame Ebene verlassen will", sagte Gesundheitsminister Holetschek. Er wolle eine gemeinsame Reform hinkriegen, aber so, dass die Bedürfnisse der einzelnen Länder abgebildet werden. Außerdem müsse der Bund die nötigen finanziellen Mittel für die Transformation bereitstellen.
Holetschek fügte hinzu, er "kämpfe bis zu letzten Kugel dafür, dass wir die Versorgung in den ländlichen Räume sicherstellen". Versorgung dürfe kein Privileg der Metropolen sein. Der CSU-Minister wiederholte, dass er nicht davor zurückscheue "als Ultima Ratio" vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, sollte man sich nicht auf einen gemeinsamen guten Weg begeben.
Holetschek: "Was ich nicht will, ist ein fauler Kompromiss"
Im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk wehrte sich Holetschek gegen den Vorwurf, schlicht gegen die geplante Krankenhausreform zu sein. "Ich bin natürlich dabei, aber ich muss doch - wenn ein Expertenpapier daliegt - Transparenz herstellen, was das für den Freistaat Bayern bedeutet. Diesen Vorwurf weise ich strikt zurück." Es wäre "Aufgabe der Bundesregierung gewesen zu zeigen, welche Auswirkungen dieses Papier hat auf die Versorgung in der Fläche. Und von daher bin ich natürlich am Tisch. Und ich bin auch beim Dialog dabei. Wir brauchen diese Reform. Was ich nicht will, ist ein fauler Kompromiss."

Warnt vor einem "faulen Kompromiss": Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU)
Um dem Mangel an Pflegepersonal in den Krankenhäusern entgegenzuwirken, müssen sich laut Holetschek dringend die Arbeitsbedingungen und die Löhne ändern: "Der Schlüssel bei allen Problemen, die wir im Gesundheitswesen haben, ist, dass die Ressource Mensch nicht da ist an den verschiedenen Stellen. Deswegen müssen wir die Arbeitsbedingungen verbessern." Dazu gehörten zuverlässige Dienstpläne ebenso wie verbesserte Gehaltsstrukturen: "Auch das wäre ein Aufschlag, zumindest ein erster kleiner - um zu zeigen, wir meinen es ernst. Und wir tun jetzt auch was."
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