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Albanische Familie

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Krank, aber abgeschoben

Wenn der Asylantrag eines Flüchtlings abgelehnt ist, wollen ihn die Behörden schnell abschieben. Dabei werden immer wieder gesundheitliche Bedenken, ethische Grundsätze oder gesetzliche Vorgaben umgangen. Von Michael Olmer und Judith Dauwalter

Über dieses Thema berichtet: Das interkulturelle Magazin.

Liljana Bardhoku klingt aufgelöst, verzweifelt. Per Whatsapp-Sprachnachricht meldet sie sich aus Tirana, der Hauptstadt Albaniens. Dorthin wurde die 33-Jährige vor einer guten Woche abgeschoben - zusammen mit ihren drei minderjährigen Kindern. Ihr Mann war zum Zeitpunkt der Abholung nicht in der Sonderunterkunft im oberbayerischen Manching.

"Ich habe gesagt: Bitte, ich habe Angst vor dem Flug. Bitte nicht gehen mit Flug, bitte mit Bus. Die haben mich mit Haaren, Füßen, Hand und Körper ins Flugzeug gebracht. Aber das hat sie nicht interessiert - tut weh oder nicht, nicht interessiert." Liliana Bardhoku

Schwere Depression

Neben ihrer Flugangst leidet Liljana Bardhoku an einer schweren Depression. Das bestätigen zahlreiche Atteste von behandelnden Ärzten. Ende März war sie beim ersten, gescheiterten Abschiebeversuch zusammengebrochen und kam in eine geschlossene Psychiatrie.

Regierung von Oberbayern rechtfertigt sich

Auch die zweijährige Tochter reagierte traumatisiert: Sie weigerte sich zu essen, verletzte sich selbst - und wurde deshalb zeitweise auch stationär behandelt. Ihr Zustand verhinderte den zweiten Abschiebeversuch. Am 1. August, im dritten Anlauf, erfolgte dann die Abschiebung. Die Regierung von Oberbayern rechtfertigt sich schriftlich.

"Am 1. August 2017 war der Begleitarzt bereits bei der Abholung in Ingolstadt anwesend und hat vor der Übergabe der Betroffenen an die Bundespolizei am Münchner Flughafen die Reisefähigkeit der Mutter ausdrücklich bestätigt. Die Kinder waren unauffällig. Die Zentrale Ausländerbehörde der Regierung von Oberbayern hat der Bundespolizei also Personen übergeben, die ärztlich bestätigt uneingeschränkt reisefähig waren." Regierung von Oberbayern

Genau das ist aber fraglich. Die Tochter sollte am 9. August im Münchner Kinderzentrum ärztlich untersucht werden. Das jüngste Gutachten eines Facharztes von Ende Juli bescheinigt zudem die Reiseunfähigkeit der Mutter. Für das Gericht genügte dieses Attest nicht den gesetzlichen Vorgaben. Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk erklärte ein Pressesprecher des Gerichts aber auch, dass es aus Zeitmangel nicht selbst habe ermitteln können.

Nicht der erste Fall

Die Abschiebung der Familie Bardhoku aus Albanien ist nicht der erste Fall dieser Art. Der BR berichtete im vergangenen Jahr über eine Kosovarin. In diesem Fall hatte der Amtsarzt Suizidgefahr attestiert. Abgeschoben wurde sie dennoch, weil laut Innenministerium ein begleitender Arzt die "Reisefähigkeit" festgestellt habe. Eine Frau aus der Sammelunterkunft in Bamberg wurde abgeschoben, obwohl das Krankenhaus auch sie als selbstmordgefährdet einstufte - sie war Opfer einer Massenvergewaltigung im Kosovokrieg. Rechtlich ist so ein Vorgehen fragwürdig, erklärt Asyl-Rechtsanwalt Wolfram Steckbeck aus Nürnberg.

"Wenn diese Atteste vorliegen, dann kann man darüber nicht einfach hinweggehen. Das Grundgesetz sieht in seinen Artikeln 1.1 und 2.2 vor, dass das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu achten ist und dass die Menschenwürde zu achten ist. Und dass man deswegen niemanden in die sichere Lebensgefahr oder in die Gefahr der Verschlechterung seiner Krankheit hineinschicken darf. Das ist einer Behörde nicht erlaubt, da kann sie nicht einfach die Augen zumachen und sagen, das interessiert uns nicht. Sondern das muss man prüfen." Wolfram Steckbeck

Zahlreiche Abschiebefälle, von denen der BR Kenntnis hat, sprechen allerdings eine andere Sprache: Nämlich, dass die bayerischen Behörden regelmäßig die Atteste verschiedener Fachärzte umgehen oder umdeuten, wenn es um die Bewohner der Sonderunterkünfte in Bamberg oder Ingolstadt geht.