Dass manche Kinder hungrig in die Schule kommen, ohne Frühstück und ohne Pausenbrot: Das ist mittlerweile leider keine Ausnahme mehr. Vielerorts merken die Lehrer sogar, dass es mehr Schüler betrifft als früher. Hilfsorganisationen wie der Münchner Verein "Brotzeit" oder die vom Freistaat geförderte Initiative "Denkbar" wollen das ändern. In München allerdings fehlen dafür derzeit noch etliche Helfer, wohl eine Folge von Corona. In Augsburg dagegen läuft die Arbeit dank vieler Ehrenamtlicher hervorragend - wie etwa an der Löweneckschule im Norden der Stadt.
Mit Butterbrot und viel gutem Willen
Morgens um 7 Uhr an der Löweneckschule ist es noch still auf den Fluren, nur im Anbau wird schon gewerkelt. Dort steht Dieter Bissinger im Frühstücksraum hinter dem Tresen: ein großer, durchtrainierter Mann. Er ist im Ruhestand, kommt aber jeden Morgen, um das kostenlose Frühstück vorzubereiten. Jeder Handgriff sitzt, er legt Käse und Geflügel-Wurst auf ein Tablett, schneidet Äpfel auf, röstet Toastscheiben. Waldtraud Karl, ebenfalls Rentnerin, geht ihm zur Hand, holt zwei Salatgurken aus dem Kühlschrank und schneidet sie in Scheiben. "Mir macht das Spaß, jeden Morgen für die Kinder da zu sein. Früher habe ich im Büro gearbeitet, jetzt freut es mich, zu helfen."
Es geht ums Essen – aber nicht nur
Leandra ist heute, wie so oft, die erste Schülerin beim Frühstück. Zuhause frühstückt das Mädchen selten, die Mama muss früh zur Arbeit. Beim Schulfrühstück kann sich Leandra aussuchen, was sie gerade mag – und sie muss nicht allein essen: "Da gibt es Getränke, Müsli, Frischkäse, alles." Immer mehr Kinder kommen herein, nehmen sich Teller und Tasse, ein Brot oder ein Glas Saft: "Jetzt geht es los", sagt Waltraud Karl. Sie legt Wurst und Käse nach und auf einmal ist der Frühstücksraum voll, alle Tische sind besetzt. Die Kinder lachen, unterhalten sich und lassen es sich schmecken.
In München fehlen die freiwilligen Helfer
Fünf Schulen sind in Augsburg beim Schulfrühstück dabei. Für weitere wäre noch Platz im Programm, sagt Christoph Mayer, Projektleiter des Vereins "Brotzeit". Der wurde 2009 von der Schauspielerin Uschi Glas gegründet und betreut mittlerweile bayernweit knapp 300 Grund- und Förderschulen. Ein großer Discounter spendet alle benötigten Lebensmittel. In Augsburg gibt es genügend Helferinnen und Helfer, die mit anpacken - in München dagegen werden Freiwillige derzeit händeringend gesucht. "Da ist es so, dass wir den Bedarf nicht ganz abdecken können, weil uns seit der Pandemie einfach Helfer fehlen", erläutert Mayer. Er würde sich freuen, wenn sich neue Freiwillige melden würden für diese wichtige Arbeit. Wer Interesse habe, könne sich ganz einfach über die Internetseite des Vereins melden.
Alles wird teurer – da bleibt der Kühlschrank leer
Die Augsburger Schulleiterin Britta Siemer steht voll hinter dem Projekt "Schulfrühstück": "Wir brauchen das. Wir sind in Augsburg-Oberhausen, die Menschen haben wenig Geld, es kommt schon vor, dass die Kids ohne Frühstück kommen, da ist im Kühlschrank nicht viel drin. Oder die Eltern stehen nicht mit den Kindern auf oder sind dann schon beim Arbeiten. Wir merken jetzt, dass die Sachen auch noch teurer werden – und mehr Kinder kommen."
Alltag für viele Eltern kaum mehr zu stemmen
Auch Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), der das Frühstücksprojekt "Denkbar" betreut, sieht die derzeitige Entwicklung mit Sorge: "Aktuell zeigt sich ein extrem steigender Bedarf, immer mehr Familien können sich den Alltag kaum mehr leisten. Mehr als 20 Prozent der Kinder sind von Armut bedroht. Wir wollen vielen geflüchteten Kindern die Integration hier bei uns in Bayern erleichtern. Wir betreuen Schulen, deren Bedarf bis in den letzten Monaten bis zu 30 Prozent gestiegen ist", so Fleischmann.
Ohne Essen im Bauch kein Lernerfolg
Dabei bringt das Frühstück auch fürs Lernen viel, meint Schulleiterin Britta Siemer. Die Kinder seien "viel befriedeter, als wenn sie von zuhause durchstarten und dann hektisch schnell ankommen, das merken wir auch im Unterricht". Das Miteinander beim Frühstück habe auch eine wichtige soziale Komponente für die Kinder. Und die Betreuerinnen und Betreuer würden viel schneller merken, wenn ein Kind ein Problem mit sich herumträgt. Generell sei es aber vor allem wichtig, "dass sie erst mal was in den Bauch bekommen". Viele Kinder würden sich auch noch ein Brot für die Pause mitnehmen. Vollkorntoast, Obst und Gemüse gibt es immer, aber auch mal einen Tag mit Nussnougatcreme, "das muss auch mal sein", sagt Siemer.
Was den Helfern gut tut
Punkt 8 Uhr dann sind alle Kinder im Unterricht, insgesamt 60 Buben und Mädchen waren da beim Schulfrühstück in der Augsburger Löweneckschule. Helfer Dieter Bissinger räumt Tassen und Teller zusammen, wischt die Tische ab – und ist zufrieden: "Wenn Sie den Kindern in die Augen schauen, das ist jetzt vielleicht ein bisschen sentimental, da ist das Dankeschön in die Augen geschrieben, ohne dass die was sagen. Und das finde ich ganz toll."
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