Drei Wölfe im Wald
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Wölfe

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Kommt der Wolf, wächst der Wald?

Weil Rehe und Hirsche hierzulande keine natürlichen Feinde mehr haben, heißt eine Lösung: Mehr Jagen um Wildschäden im Wald einzudämmen. Doch hilft es dem Wald, wenn Wölfe wieder heimisch werden? Dazu gibt es zwei Forschungsprojekte in Bayern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Im Veldensteiner Forst, einem großen Waldgebiet im oberfränkischen Landkreis Bayreuth, gibt es seit sechs Jahren ein standorttreues Rudel Wölfe. Zwei Elterntiere plus Nachwuchs, die genauen Zahlen weiß man nicht. Wie wirkt sich das auf die Populationen von Hirsch, Reh und Wildschwein aus? Für Waldbesitzer ist vor allem spannend, ob der Wolf dafür sorgt, dass es weniger Rehe und Hirsche gibt und somit weniger Bäume verbissen oder geschält werden. Um das herauszufinden, läuft seit Mai 2020 dort auf 9.500 Hektar Fläche ein Forschungsprojekt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LWF). Unter anderem werden Vegetationsaufnahmen durchgeführt, um Veränderungen hinsichtlich der Waldverjüngung zu erfassen.

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Der Wolf frisst bevorzugt Hirsche

Noch läuft das Projekt und konkrete Ergebnisse gibt es noch nicht. Nur eines ist bereits klar: Die Wölfe im Veldensteiner Forst fressen in erster Linie Rotwild, also Hirsche. Dafür gibt es zwei Gründe, erklärt Wibke Peters von der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, die das Projekt betreut: "Der Wolf sucht sich immer Tiere, die am leichtesten greifbar sind. Die Rehe aber leben in anderen Habitaten als die Wölfe, nämlich da, wo es viel Laubwald und Dickicht und Deckung für die Rehe gibt."

Geschwächte Tiere sind leichte Beute für den Wolf

Der zweite Grund: der große amerikanische Leber-Egel, ein Parasit, der eingeschleppt wurde. Er befällt vor allem Rotwild. "Die Hirsche sterben zwar nicht daran, aber ihre Fitness ist geschwächt und damit sind sie die leichtere Beute für den Wolf", erklärt Wibke Peters. Förster Sebastian Bäumler, Revierleiter und Wolfsbeauftragter des Staatsforstbetriebs Pegnitz der Bayerischen Staatsforsten im Veldensteiner Forst, bestätigt das: "Das Rotwild ist weniger geworden. Aber dafür nimmt das Rehwild seit ein paar Jahren zu, das vorher nahezu nicht da war." Rehe würden nur sehr selten vom amerikanischen Leberegel befallen, falls doch, würden sie schnell dran sterben.

Räuber-Beute-Beziehung wird erforscht

Auch auf den Truppenübungsplätzen Grafenwöhr und Hohenfels in der Oberpfalz wird seit Mai 2020 geforscht. In Grafenwöhr lebt ein Rudel Wölfe, in Hohenfels ein Paar ohne Nachwuchs. Beteiligt an dem Projekt ist Professor Sven Herzog von der Universität Dresden. Er vertritt die grundsätzliche Meinung, dass Verbissschäden im Wald unabhängig von der Wilddichte seien und dass es einen Wald-Wild-Konflikt überhaupt nicht gebe. Und zum Thema Wolf: "Richtig ist: Wölfe fressen Huftiere. Aber die Aussage "Kommt der Wolf, wächst der Wald" ist völlig naiv." Auch Sven Herzog sagt, seriöse Aussagen seien noch nicht möglich. Nur so viel: "Das Wild wird scheuer und tritt in größeren Sozialverbänden auf."

Wolf bevorzugt Rotwildgebiete

In Bayern sind nur 14 Prozent der Landesfläche Rotwildgebiete. Auf 86 Prozent der Fläche muss jeder Hirsch sofort geschossen werden. Der Hintergrund: Rotwild verursacht im Wald Schälschäden, das heißt, die Tiere schälen die Rinde von Bäumen ab - vor allem in jungen Fichtenwäldern. Die Truppenübungsplätze Grafenwöhr und Hohenfels sind solche Rotwildgebiete. Und in diesen Gebieten werde sich der Wolf bevorzugt niederlassen, prognostiziert Sven Herzog.

Der Hirsch macht länger satt als ein Reh

Ein ausgewachsener Wolf braucht pro Tag rund vier Kilogramm Frischfleisch. Rotwild gehört neben Reh und Wildschwein zur Hauptnahrung der Wölfe. "Gibt es Rehwild und Rotwild, bevorzugt der Wolf den Hirsch", sagt Sven Herzog. Denn Raubtiere seien Energiesparer und für einen Rothirsch brauche man nicht mehr Energie zum Jagen als für ein Reh, aber die Masse an Nahrung sei größer: "Ein Hirsch macht ein Wolfsrudel länger satt."

Ein natürliches Gleichgewicht gibt es nicht mehr

Forstwissenschaftler Ulrich Maushake ist der Betriebsleiter der Bundesforsten am Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Auch er ist an dem Forschungsprojekt beteiligt. Seine Einschätzung: "Der alte Försterspruch "Wo der Wolf jagt, wächst der Wald" hat in einer von Menschen unbeeinträchtigten Landschaft durchaus eine Berechtigung. Aber nicht in einer Kulturlandschaft."

In Deutschland mit einer hohen Bevölkerungsdichte und einer intensiven Landschaftsnutzung durch den Menschen sei der Zusammenhang, weniger Wild bedeute weniger Wildschaden und mit dem Wolf würden die Probleme gelöst, unzutreffend. Deutschland sei nicht vergleichbar mit Nordamerika, wo es noch große Naturlandschaften gebe.

Wildbiologen: Kein Einfluss auf Wildverbiss

Auch Wildbiologe Professor Klaus Hackländer aus Wien stellt fest: "Ein Wolfsrudel reduziert tatsächlich die Rehdichte innerhalb seines Territoriums. Aber es gibt keinen eindeutigen Bezug zum Wildverbiss." Hackländer hat zusammen mit der bayerischen Wildbiologin Christine Miller an einer Studie der Universität für Bodenkultur in Wien mitgewirkt und beide kommen zu dem Ergebnis: Der Einfluss von Wölfen auf Wildtiere sei komplex, einen simplen Schluss gebe es nicht. Zwar würden Wölfe alte, schwache oder junge Beutetiere im Wald erlegen, wenn ihnen nicht leichter erreichbare Nutztiere als Beute dienen.

Der Einfluss des Wolfes könne im Wald aber auch zu größeren Schäden an der Vegetation durch Rehe und Hirsche führen. Nämlich dann, wenn das Schalenwild versuche, dem Wolf auszuweichen und sich auf bestimmte Gebiete konzentriere. Auch die Bejagung des Reh- oder Rotwildes spiele eine Rolle. "Nach gültigem Recht müsste sich die Jagd grundsätzlich zurücknehmen, sobald geschützte, große Beutegreifer in einem Gebiet leben", so Wildbiologin Miller.

Kommt der Wolf, wächst der Wald auch nicht besser

Kommt der Wolf, wächst der Wald – das wäre der Traum vieler Förster. Ein Wunschtraum, der sich nicht erfüllen wird, sagen alle Experten, die sich mit dem Thema Wolf und Wald beschäftigen. Nur in einer ursprünglichen Naturlandschaft würde das funktionieren, aber nicht in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft wie in Deutschland, wo immer auch der Mensch eingreife. Große Beutegreifer wie Wölfe und auch Luchse fressen zwar Rehe, Hirsche und Wildschweine, aber weniger Wildschäden im Wald gibt es deshalb bisher nicht.

Dieser Artikel ist erstmals am 16. April 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

ARD Audiothek: "Ernte gut, alles gut? Die großen Themen der Landwirtschaft"

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