Corona, Fachkräftemangel, explodierende Energiepreise – im Krankenhausbereich laufen diese Probleme zusammen. "Uns fehlen leider in vielen Bereichen die Fachkräfte, im Laborsektor, aber natürlich auch in der Pflege", erklärt Martin Gösele, der Chef der Wertachkliniken in Bobingen und Schwabmünchen. Corona sei ein "Beschleuniger" gewesen, der viele Mitarbeitende aus der Pflege getrieben habe. Auch aktuell sei der Krankenstand in vielen Kliniken hoch, "auch bei uns".
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Viele unbesetzte Stellen, massiv gestiegene Krankmeldungen
Von den rund 300 Stellen der Wertachkliniken in Bobingen und Schwabmünchen seien aktuell über 40 unbesetzt. Dazu seien die Krankmeldungen beim Personal seit dem letzten Jahr "massiv gestiegen", Gösele führt das zurück auf "Erschöpfungszustände, Frustration und andauernde Überlastung".
Covid-Fälle seien dagegen in der Belegschaft derzeit nur in Einzelfällen zu verzeichnen. Auf Station gebe es dagegen seit vielen Monaten stets rund 15 Corona-Fälle. Im vergangenen Sommer sei das nicht der Fall gewesen. Diese doch durchgängige Zahl von Corona-Fällen wiederum belaste das Personal zusätzlich, aufgrund der nötigen Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen.
Hohe Mehrkosten für Strom und Gas
Noch mehr Sorgen macht dem Klinikchef allerdings die Entwicklung auf dem Energiesektor. Er rechnet für dieses Jahr mit rund 750.000 Euro Mehrkosten für Strom und Gas. "Wir haben bereits Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerke an den Standorten Bobingen und Schwabmünchen installiert, trotzdem trifft uns diese Teuerungsrate extrem hart. Und es gibt keine Ausgleichszahlung, es ist nichts in Sicht, dass wir auch nur einen Euro mehr bekommen." Schon vor dem Krieg in der Ukraine hat die Klinik zu spüren bekommen, wie fragil die Versorgung mit Energie geworden ist. "Unser Versorger wurde insolvent, schickte in der Weihnachtswoche die außerordentliche Kündigung, wir mussten binnen kürzester Zeit einen neuen Anbieter finden", das sei nur unter erheblichen Mehrkosten gegangen.
Gösele sieht, bedingt durch Corona, Fachkräfteschwund und Energiekrise schwere Zeiten auf die deutschen Krankenhäuser zukommen. "Wir werden zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geraten." In weiten Teilen der Gesellschaft sei noch nicht angekommen, wie dramatisch die Situation ist: "Wir laufen auf eine Rationierung der Leistungen zu. Auf den Punkt, wo es nicht mehr selbstverständlich ist, dass man sofort ein Krankenhaus findet, wo man unterkommt und behandelt wird", mahnt der Experte.
Kreistag unterstützt die Forderungen nach mehr Geld
Unterstützung kommt von Kreistagssprecher Klaus Schulenburg. Der Bund müsse über eine deutliche Verbesserung der Einnahmen der Kliniken einen wesentlich höheren Beitrag zum Erhalt dieser Häuser leisten, so Schulenburg zum BR. Der Gesundheitsausschuss des Bayerischen Landkreistags spreche sich mit Nachdruck für den Erhalt kleiner Klinikstandorte im ländlichen Raum aus. 60 der insgesamt 71 bayerischen Landkreise haben derzeit noch eigene Krankenhäuser in Betrieb.
Vor allem bei den Vorhaltekosten gibt des laut dem Spitzenverband, der die bayerischen Landkreise vertritt, dringenden Handlungsbedarf. Mit den Erlösen für einfachere Operationen, wie einer Blinddarm-OP oder einem Beinbruch oder der Behandlung von leichten Schlaganfällen, könnten die Kosten für die Vorhaltung der Notaufnahme oder des Betriebs der Operationssäle rund um die Uhr nicht finanziert werden. Nach dem neuen Koalitionsvertrag auf Bundesebene sollen diese Vorhaltekosten zwar künftig anders finanziert werden.
Kritik an Politik in Sachen Pflegenotstand
Generell würden die Kliniken von der Politik allein gelassen, kritisiert Klinikchef Gösele. Vor allem in Sachen Pflegenotstand sei nichts so richtig angepackt worden. Dabei sei diese Arbeit für die Beschäftigten psychisch wie physisch höchst anspruchsvoll, "doch die Leute erhalten nach wie vor nicht die angemessene Vergütung dafür", meint der Klinikleiter.
In Sachen Pflegenotstand werden die Klinik, der Landkreis Augsburg und die Städte Bobingen und Schwabmünchen jetzt selbst aktiv: Sie planen derzeit, einen Pflegeschulen-Campus in Containerbauweise in Bobingen einzurichten. Auf dem Gelände der Klinik sollen pflegeinteressierte Mittelschüler bereits ab 2023 eine einjährige Ausbildung zum Pflegehelfer durchlaufen können. Wer die erfolgreich absolviert, ist auch für die weitere dreijährige Ausbildung qualifiziert. Über drei Millionen Euro wollen Landkreis und Kommunen in den Campus und in Übernachtungsmöglichkeiten vor Ort für die Schüler investieren. Der Kreisausschuss hat bereits zugestimmt, im Stadtrat von Bobingen und Schwabmünchen soll noch vor der Sommerpause der Beschluss für das Projekt gefasst werden.
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