Damals plügten die Felsblöcke mit unvorstellbarer Gewalt die Landschaft um. Der Eibsee wurde dadurch in seiner heutigen Form geschaffen. Unter den Wäldern und Weiden des Tales stapeln sich die Felsen des ehemaligen Zugspitzgipfels teilweise bis zu 50 Meter hoch.
Erneute Katastrophe?
Das Beunruhigende ist: Der Bergsturz ereignete sich zu einer Zeit, in der es ähnlich warm war wie heute. Der heutige Klimawandel ist dafür verantwortlich, dass die steilen Flanken im Hochgebirge erneut instabil werden. Denn neben dem Eis der Gletscher schmilzt auch das Eis im Inneren der Berge, der Permafrost, unaufhaltsam. Wissenschaftler der Technischen Universität München fanden dafür auch Beweise. Quer durch den Gipfel der Zugspitze führt ein Gang. Ein ehemaliger Versorgungsstollen, durch den auch einst die Skifahrer von Österreich in das Skigebiet am Gletscher gelangten. Noch vor 15 Jahren war der Gang dick vereist. Heute ist davon nur noch ein kleiner Rest übrig, direkt unter dem Kamm.
Eis und Wasser
Der Permafrost im Inneren der Berge wirkt wie Mörtel. Er hält teilweise große Felspartien zusammen. Schmilzt dieses Eis, kann das steile Gelände seinen Halt verlieren. Neben dem Eis gibt es aber noch einen anderen Faktor, der im Zuge des Klimawandels die Felsen instabil macht: Wasser. Wenn Regen- oder Schmelzwasser in die eisfreien Klüfte fließt und sich dort staut, kann sich hoher Druck aufbauen. Und der setzt die Felsen unter Stress. Im schlimmsten Fall kann Wasserdruck ganze Wände absprengen.
Zugspitze auf der Waage
Genau diesen Prozess untersuchen die Forscher an der Zugspitze. Weltweit zum ersten Mal mit einer speziellen Messmethode: Sie nutzen ein Gravimeter. Mit dem Gerät lässt sich das Schwerefeld der Erde bestimmen, an jedem beliebigen Punkt - auch im Inneren der Zugspitze. Damit können die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die Schwere der Zugspitze ziehen. Seit drei Sommern sind sie damit unter dem Gipfel unterwegs. Tatsächlich stellen sie fest, dass das Gewicht der Zugspitze schwankt. Bei Schnee- und Eisschmelze im Frühsommer wird der Berg leichter. Bei Starkniederschlägen allerdings nimmt er Wasser auf und kann schwerer werden.
Wasser in einer Höhle
Aber noch etwas stellen die Wissenschaftler bei ihren Messungen fest: Die Zugspitze wird über die Jahre schwerer. Wahrscheinlich, weil sich im Berg tatsächlich Wasser staut und sammelt. Die Untersuchungen lassen einen Hohlraum im Zugspitzgipfel vermuten, hinter einer steilen Flanke. Und der scheint voll Wasser zu laufen. Die momentanen Schätzungen belaufen sich auf etwa 2.000 Kubikmeter. Schon diese Masse könnte den Fels gehörig unter Stress setzen. In der nächsten Zeit werden die Wissenschaftler deshalb ihre Untersuchungen ausweiten. Ziel ist es, ein Überwachungs- und Frühwarnsystem zu schaffen, das einen erneuten Bergsturz vorhersagen kann.
Paläo-Eibsee
Ob ein erneuter Bergsturz an der Zugspitze auch so verheerende Ausmaße annehmen könnte wie vor 3.700 Jahren, beschäftigt die Wissenschaftler ebenfalls. Lange Zeit war nicht klar, warum die Katastrophe von damals eine so große Fläche verwüsten konnte. Aber auch hier scheint Wasser eine Rolle zu spielen. Bei Ihren Untersuchungen im Bergsturzgebiet durchleuchteten die Forscher den Untergrund mit Strompulsen. Dabei entdeckten sie unter den Schuttmassen von einst große Mengen an Seesedimenten und Schlamm. Sie vermuten, dass vor dem heutigen Eibsee schon mal ein Eibsee am Fuße der Zugspitze lag, nur viel tiefer. In diesen könnte der Bergsturz gefallen sein. Wasser und Schlamm des Sees haben die Fels- und Geröllmassen ungeheuer mobil gemacht. Ein Prozess, der oft in den Alpen Hangrutschungen und Muren verursacht.
Gefahrengebiet
Heute leben auf der Fläche des ehemaligen Bergsturzes rund 5.000 Menschen. Im Falle eines erneuten drohenden Abbruchs einer Felsflanke vom Zugspitzgipfel müssten wohl viele von ihnen evakuiert werden. Denn auch der heutige Eibsee könnte dafür sorgen, dass Felsen, Schlamm und Geröll eine Schneise der Verwüstung schlagen.