Micha Frey, Christian Bergemann und Véronique Coiffet verteilen Flyer am Passauer Ludwigsplatz und suchen das Gespräch mit den Bürgern zum Thema Klimaschutz: "Wir wissen, dass das 1,5-Grad-Ziel tot ist und rasen auf eine Klimahölle zu", formuliert Frey seine Befürchtung. Die Passanten hören kurz zu, nehmen die Handzettel und gehen weiter. Die drei jungen Menschen gehören zum harten Kern der Passauer Klima-Aktivisten - und damit zu denen, die sich auch auf Straßen kleben und damit kilometerlange Staus erzeugen und Autofahrer provozieren.
Oberbürgermeister hält sich zurück
Die Klebe-Aktionen haben Passau in den vergangenen Wochen mehrmals in die Schlagzeilen gebracht. Denn der ohnehin oft dichte Verkehr kam mehrmals komplett zum Erliegen. Die Forderung der Unterstützer der "Letzten Generation": ein Gespräch mit dem Passauer Oberbürgermeister und ein Zeichen der Solidarität von Seiten der Stadt. Doch beides gibt es bisher nicht.
Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) sucht bislang keinen Kontakt zu den Protestierenden. Interviews oder schriftliche Stellungnahmen, um die BR24 gebeten hatte, lehnte er ab. In der letzten Stadtratssitzung aber kommentierte Dupper die Aktionen der "Letzten Generation" deutlich: "Diese Leute haben geglaubt, sie müssten andere am Fortkommen hindern, weil sie angeblich höhere Ziele verfolgen."
Reaktion der Stadtverwaltung
Die Stadt hat nun eine Allgemeinverfügung erlassen. Aktivisten ist es damit untersagt, sich an "besonders kritischen Straßenzügen" festzukleben - also dort, wo Rettungsfahrzeuge schlecht durchkommen und keine Umleitungen möglich sind. Mit dem städtischen Verbot kann die Polizei bei Blockaden schneller reagieren und die Aktionen ohne langwierige versammlungsrechtliche Prüfung sofort beenden.
Aktivisten nehmen Gefängnis in Kauf
Ob der Protest damit aufhört? Unwahrscheinlich, denn: Die Aktivisten kündigen an, weitermachen zu wollen – solange, bis die Stadt Gesprächsbereitschaft zeigt. Sie nehmen auch in Kauf, eingesperrt zu werden, sagt Micha Frey. Er selbst saß schon zwei Wochen in Präventivhaft.
Die Aktivisten hoffen auf ein Gespräch, so wie es beispielsweise im hessischen Marburg stattfand. Hier schloss der Oberbürgermeister mit den Aktivisten einen Deal. Die Proteste hörten auf. Die Oberbürgermeister aus Bamberg und Bayreuth hingegen empfinden die Post von der "Letzten Generation" als Nötigung. Und auch der deutsche Städte- und Gemeindebund übt scharfe Kritik an Vereinbarungen einzelner Kommunen mit den Klima-Aktivisten.
Worum es der "Letzen Generation" geht
Warum finden ausgerechnet in Passau immer öfter Klebe-Aktionen statt? Passau sei prädestiniert für diese Form des Protests. Hier hat er die größtmögliche Wirkung, rechtfertigt Véronique Coiffet die Klebe-Aktionen der letzten Wochen: "Wenn sich hier der Verkehr staut, werden sehr viele Menschen auch aus den umliegenden Gemeinden gestört. Natürlich ist das unangenehm für die Leute. Aber auf die Art kommt unser Hauptthema ins Gespräch und darum geht’s uns."
Viel Wut und ein bisschen Verständnis
Die Proteste kommen bei betroffenen Autofahrern gar nicht gut an. Die Blockierer werden nicht nur beschimpft, ihnen schlägt blanke Wut entgegen. Eine nicht repräsentative Umfrage in der Fußgängerzone fällt in der Tendenz so aus: Klimaschutz ja – aber den Verkehr lahmlegen, das geht zu weit. Die Feuerwehr dürfte das Klebe-Verbot in bestimmten Straßen begrüßen. Denn von auswärts kommende Klima-Kleber versperrten vor einigen Tagen eine wichtige Zufahrtsstraße in Richtung von Feuerwehrhauptwache und Klinikum.
Unterstützung von 130 Uni-Mitarbeitern
Die meisten Aktivisten sind Studierende der Universität Passau. Von dort kommt auch ein öffentlicher Appell, den 130 Mitarbeitende – darunter auch Professoren – unterschrieben haben. Wirtschaftswissenschaftler Johann Graf Lambsdorff initiierte ihn: "Das sind friedliebende Menschen, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen", heißt es darin und weiter: "Dem müssen wir uns weltweit stellen, auch in Passau. Wenn wir uns ärgern über einzelne Aktionen, ist das menschlich verständlich, aber wir müssen doch Teil der Lösung sein, und nicht Teil des Problems."

Sie legen den Verkehr lahm, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. In Passau gab es in letzter Zeit besonders häufig solche Klebe-Aktionen.
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