Der Friedensaktivist Hans-Jürgen Schramm
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Kirchentag Nürnberg: Wie "friedlich" ist die Kirche noch?

Hiroshima 1945, Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, Wettrüsten im Kalten Krieg: Diese Eindrücke haben Hans-Günther Schramm zum Pazifisten gemacht. Dass sich Teile der Evangelischen Kirche für Waffen an die Ukraine aussprechen, erschüttert ihn.

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

“Ich überlege, ob ich aus der Kirche austreten soll“, sagt Hans-Günther Schramm. Der 82-Jährige Nürnberger ist enttäuscht, dass die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus, Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet. Waffen machen für ihn keinen Frieden.

Schramm ist seit 60 Jahren in der Kirche aktiv. So wie ihm gehe es derzeit vielen seiner Freunde, erklärt der überzeugte Christ. Dass auf dem Nürnberger Kirchentag nun mit Generalinspekteur Carsten Breuer erstmals der ranghöchste Soldat in Deutschland auf ein Podium eingeladen ist, ganz offiziell, erstaunt ihn. Umso mehr, weil "Kirchen-Promis" wie Theologin Margot Käßmann, die gegen Waffenlieferungen sind, ihre Teilnahme am Kirchentag abgesagt haben.

Bereits Anfang März hatte es Irritationen über die Teilnahme der Theologin am Kirchentag gegeben. Anlass war eine geplante Konzertlesung von Käßmann mit dem Liedermacher Konstantin Wecker unter dem Motto "Entrüstet Euch! - Von der bleibenden Kraft des Pazifismus".

Weltkrieg, Flucht, Atomwaffen: Wie Hans-Günther Schramm zum Pazifisten wurde

"Mich haben damals die Bilder von Hiroshima stark beeindruckt", sagt Hans-Günther Schramm. Die zerfetzte Haut der Menschen habe ihn zum Nachdenken gebracht, ihn zum entschiedenen Pazifisten gemacht. 1941 im Zweiten Weltkrieg in Pommern geboren, erlebte er schon als Kind Flucht und Vertreibung. Viel stärker geprägt habe ihn aber der Nato-Doppelbeschluss 1979, atomare Mittelstrecken-Raketen in Deutschland zu stationieren, als Gegengewicht gegen die Atommacht Sowjetunion, das heutige Russland.

"Damals habe ich begonnen, Aktionen gegen Atomwaffen zu organisieren." So hat Schramm zum Beispiel am US -Standort Mutlangen in Baden-Württemberg an Sitzblockaden teilgenommen. Von 1983 bis 1990 waren dort Pershing-Raketen stationiert. Zur Erinnerung an den wegen seiner Friedensbemühungen erschossenen schwedischen Politiker Olof Palme organisierte Schramm 1987 einen internationalen Friedensmarsch mit. Außerdem gründete Schramm mit Freunden das "Nürnberger Evangelisches Forum für Frieden" (NEFF), Zwölf Jahre lang organisierte das Netzwerk nach dem Atom-Unfall in Fukushima Mahnwachen in Nürnberg, insgesamt 600 Mal, bei jedem Wetter standen sie mit Plakaten auf der Straße.

Seit Hannover 1983: Kirchentage als Teil der Friedensbewegung

Angesichts der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, des NATO-Doppelbeschluss und des Kalten Krieges wurde die Friedensbewegung in Europa immer stärker. Und auch die Evangelischen Kirchentage entwickelten sich zum Teil der Friedensbewegung. Am Kirchentag Hannover gingen 70.000 meist junge Menschen auf die Straße.

Das war die bislang größte Friedensdemo in der Geschichte der Bundesrepublik. Ihr Markenzeichen: Das lila Halstuch, bedruckt mit dem Motto: “Die Zeit ist da dafür ein NEIN ohne jedes JA zu Massenvernichtungswaffen“. Auch Hans-Günther Schramm war damals dabei. Der 82-Jährige erinnert sich genau: “Dieses lila Tuch hat die Friedensbewegung über Jahre zusammengehalten.“ Von den Konservativen bis zu den Kommunisten: Alle hätten sich auf dem Kirchentag vereint. Und auch die nachfolgenden Kirchentage in Hamburg und Berlin standen unter dem Eindruck der Friedensbewegung.

Nürnberger Forum für den Frieden: Eigene Demo parallel zum Kirchentag

Wenn heute der Kirchentag in Nürnberg beginnt, ist auch Hans-Günther Schramm mit seinen Freunden dabei. Aber sie gestalten nicht das offizielle Programm mit, hier bekamen sie eine Absage mit ihren Vorschlägen. Deswegen organisieren sie für Samstag, 10. Juni eine eigene Demo mit Kundgebung. Dazu haben sie Bischof Friedrich Kramer eingeladen, den Friedensbeauftragten des Rates der EKD. Seine Haltung gegen Waffenlieferungen sagt Hans-Günther Schramm zu. Und auch den anderen Aktivisten vom Friedensforum.

"Waffen sind keine Lösung. Waffen führen zu Tod und verlängern den Krieg", sagt auch seine Frau Christine Mössner. Ihre Vision: Verhandlungen, mit Hilfe von Politikern, die an beide Seiten herankommen, die von beiden Seiten Gehör finden. Auch Friedensaktivist Siegfried Winter hat konkrete Vorstellungen an die EKD: "Wenn ich Waffen liefere, dann sollten diese an die Bedingung geknüpft sein, zu verhandeln." Er beobachte, dass die Gier nach Waffen immer größer werde. Die Christen sind nun gespannt, welche Positionen zu Waffenlieferungen auf dem Kirchentag vertreten werden.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Mehr zum Kirchentag in der Sendung STATIONEN, am Mittwoch, 07. März 2023 um 19 Uhr im BR Fernsehen und in der BR Mediathek.