Dunkle, tote Fenster in der Weilheimer Fußgängerzone von Weilheim. Restaurants und Cafés haben geschlossen. Die Glastüren vom Kaufhaus Rid hingegen sind weit geöffnet. Seit sechs Generationen führt die Familie Lipp das klassische Warenhaus. Herren- und Damenbekleidung, Schreib- und Kurzwaren, Hausrat und Spielwaren.
Kunden tröpfeln ins Geschäft
Inhaber Florian Lipp steht halb versteckt hinter einem Ständer mit dicken Winterjacken in der Herrenabteilung und beobachtet den Eingang. Nur wenige Kunden kommen herein. Auf der Stirn des Geschäftsmannes bilden sich Sorgenfalten. Das Weihnachtsgeschäft, sagt der Geschäftsmann, sei die wichtigste Zeit des Jahres:
"Wir machen im November und Dezember normalerweise einen doppelten Monatsumsatz. Das werden wir dieses Jahr sicherlich nicht schaffen und das ist wirklich dramatisch." Florian Lipp, Geschäftsmann
Auf drei Stockwerken warten im Kaufhaus Rid 40 Angestellte auf Kunden. Insgesamt hat die Firma sogar rund 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Sabine Billig ist im Kaufhaus Rid angestellt
Leere statt Schlange vor den Kassen
Sabine Billig ist eine davon. Sie leitet die Lederwarenabteilung. Normalerweise würden die Kunden um diese Zeit schon vor den Kassen Schlange stehen, meint sie - aber heuer sei ohnehin alles anders:
"Wir spüren, dass es sich mehr aufs Wochenende verlagert, dass die Leute nicht öfter zum Shoppen kommen, sondern konzentrierter einkaufen, aber auch gezielter. Der Unterschied ist spürbar – und es sind eben auch nicht ganz so viele wie in den Jahren zuvor." Sabine Billig, Angestellte in der Lederwarenabteilung
Gewinner und Verlierer in der Corona-Krise
Nicht nur im Kaufhaus Rid ist die Stimmung gedrückt. Der Lockdown light im beginnenden Weihnachtsgeschäft ist am Ende des Corona-Jahres eigentlich eine weitere Katastrophe. Weil jetzt mehr Leute zu Hause bleiben, gebe es beim stationären Handel derzeit Gewinner und Verlierer erklärt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern:
"Gut läuft es bei Baumärkten, Drogerien, Lebensmittelgeschäften. Wenn in Bayern alles geschlossen ist, dann kochen die Bayern zu Hause. Nicht gut läuft es bei Textil, Uhren, Schmuck, Schuhen und Spielsachen. Also da, wo man Spaß am Einkaufen haben muss. Wir hoffen, dass das mit Blick auf Weihnachten noch deutlich an Schwung gewinnt." Bernd Ohlmann, Handelsverband Bayern
Diese Hoffnung teilt auch Florian Lipp vom Kaufhaus Rid. Heuer feiert das Familienunternehmen 180. Geburtstag. Im Büro des Chefs steht ein massiver, grün-lackierter Stahltresor. Er enthält Kassenbücher, die bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen. Wenn sich Florian Lipp Mut machen will, blättert er in der Geschäftsgeschichte seines Unternehmens.
Rid-Inhaber Florian Lipp schmökert in alten Kassenbüchern
Bewegte Firmengeschichte: Weltwirtschaftskrise und Krieg
Da habe es 1923 die Inflation gegeben, die so massiv war, dass man am Nachmittag mit dem Gehalt vom Vormittag nichts mehr habe kaufen können, berichtet Lipp. Oder im April 1945: da sei Weilheim bombardiert worden und trotzdem seien die Kunden am nächsten Tag wieder im Laden gewesen. Daraus schöpft er Hoffnung.
Familienunternehmer gibt sich optimistisch
"Angesichts dieser überstandenen Herausforderungen bin ich absolut zuversichtlich, dass wir auch diese Krise meistern und dass es uns auch in Zukunft noch viele Jahre geben wird.", sagt Lipp. Irgendwie werde er 2020 auch mit einem etwas schlechteren Weihnachtsgeschäft klar kommen, davon ist der Kaufhausbesitzer überzeugt. Für 2021 hofft er aber auf einen Impfstoff gegen Corona und wieder auf bessere Geschäfte.
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