Der Katastrophen- und Zivilschutzschutz in Deutschland braucht mehr Fahrzeuge, mehr Material und eine bessere Förderung der Ehrenamtlichen – das ist die Botschaft, die vom BRK-Katastrophenschutzkongress an diesem Wochenende in Deggendorf ausgehen soll. Vor der Stadthalle kann man sich anschauen, wovon es aus Sicht der Helfer noch mehr bräuchte: Eine öffentlich zugängliche Fahrzeugausstellung zeigt technisches Gerät für große Einsatzlagen. Etwa robuste, geländegängige Fahrzeuge, große Transporter, sogenannte watfähige Fahrzeuge, die auch durch Wasser fahren können.
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"Wir müssen feststellen, dass weder die Gesellschaft noch die Hilfsorganisationen ausreichend auf die veränderten und neuartigen Einsatz- und Bedrohungslagen vorbereitet sind", mahnt BRK-Präsidentin Angelika Schorer. "Es ist ein fatales Signal zur Unzeit, dass der Bund kein Sondervermögen für die zivile Verteidigung gebildet hat."
Helfer mahnen Mangel bei Ausrüstung und Fahrzeugen an
"Uns fehlen aktuell 40 Prozent der Materialien im Zivilschutz", konkretisiert Landesbereitschaftsleiter Dieter Hauenstein vom BRK-Bezirksverband Niederbayern/Oberpfalz. "Da reden wir von Hochwasser, Massenanfall von Verletzten, Evakuierung und Betreuung bei Großschadensereignissen", so Hauenstein zum BR. "Der Klimawandel und die immer häufiger auftretenden Wetterextreme fordern uns in einer Zeitfrequenz, die wir vorher nicht gekannt haben." Um die Betroffenen zu erreichen und Hilfe zu leisten, brauche es geländegängige Fahrzeuge.
Auf kriegerische Auseinandersetzungen – auch damit müsse man sich leider auseinandersetzen – sei Deutschland "überhaupt nicht vorbereitet". Hier seien Flüchtlingsströme möglich, "die 2015 übersteigen werden". Der Zivilschutz brauche Ausrüstung, um Unterkünfte zu bauen und Fahrzeuge für den Verletztentransport.
Material müsse da sein, wenn es gebraucht wird. Es dann erst über gewerbliche Lieferanten zu beschaffen, sei schwer – "das haben wir in der Pandemie erkennen müssen", mahnt Hauenstein.
Mobile Betreuungsreserve des Bundes: Aufbau ganz am Anfang
Der Aufbau der Mobilen Betreuungsreserve des Bundes kommt ihm zu langsam voran. Sie soll aus mobilen Betreuungsmodulen ("MBM 5.000") bestehen, die an verschiedenen Standorten vorgehalten werden. Dabei handelt es sich um eine weitgehend autark funktionierende mobile Unterkunfts- und Betreuungseinrichtung für bis zu 5.000 Menschen, die in Notlagen kurzfristig aufgebaut werden kann. Vollständig aufgebaut ist ein "MBM 5.000" vergleichbar mit einer mobilen Kleinstadt. Derzeit sei aber erst eines von zehn geplanten Betreuungsmodulen im Aufbau, bemängelt Hauenstein.
BRK-Landesbereitschaftsleiter Dieter Hauenstein vor einem Zivilschutzfahrzeug
Fahrzeuge müssen sich ergänzen
Der BRK-Landesbereitschaftsleiter sieht auch Defizite in der Beschaffung kompatibler Fahrzeuge. Eine Schnelleinsatzgruppe bestehe aus zwei bis drei Fahrzeugen für Transport, Betreuung und Behandlung. Allerdings würden diese oft nicht gleichzeitig beschafft. Manchmal liegen laut Hauenstein fünf bis zehn Jahre dazwischen.
"Was nützt der 'Gerätewagen Sanität', wenn der Mannschaftstransportwagen dazu fehlt?". Man müsse dann mit anderen Fahrzeugen aufstocken, die aber nicht wirklich kompatibel seien. BRK-Fahrzeuge seien 20 oder 25 Jahre im Dienst. Das ist aus Hauensteins Sicht zu lang, weil sich die Technik immer schneller verändert.
Mehr Anerkennung und Förderung des Ehrenamts
Das BRK fordert auch eine stärkere Förderung der Ehrenamtlichen. "Der Katastrophen- und Zivilschutz in Deutschland ist auf Ehrenamt aufgebaut", erinnert Hauenstein. "Dazu brauchen wir auch die Voraussetzungen. Die Politik muss dem einen anderen Stellenwert einräumen." Firmen müsse es attraktiver gemacht werden, Mitarbeiter für Fortbildungen im Ehrenamt freizustellen. Hier seien zum Beispiel steuerrechtliche Erleichterungen als Kompensation denkbar.
Staatsregierung sieht Bund in der Verantwortung
Nach der Brand-Katastrophe in Kalifornien hatte vor Kurzem auch Bayerns Innen- und Katastrophenschutzminister Joachim Herrmann (CSU) mehr Einsatz vom Bund für den Bevölkerungsschutz gefordert. Die dramatische Lage in Los Angeles müsse wachrütteln: "Wir müssen uns besser für Großschadenslagen und Katastrophen, aber auch mögliche kriegerische Auseinandersetzungen wappnen", erklärte er und verwies darauf, dass der Freistaat im Rahmen eines Sonderinvestitionsprogramms in den vergangenen Jahren "kräftig in die Sachausstattung der Katastrophenschutzbehörden und Einsatzorganisationen investiert" habe. Im Doppelhaushalt 2024/2025 seien die Ausgaben für zwei Jahre auf knapp 81 Millionen Euro weiter gesteigert worden.
Beim 13. BRK-Katastrophenschutzkongress in Deggendorf stehen bis einschließlich Sonntag unter anderem zahlreiche Fachvorträge auf dem Programm, zu denen auch Vertreterinnen und Vertreter internationaler Rettungsorganisationen aus Spanien, den USA oder Österreich erwartet werden.
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