An rund 350 Schulen in Bayern wird es vom kommenden Schuljahr an ein Wahlpflichtfach "Islamischer Unterricht" geben. Das Kabinett beschloss am Dienstag die Überführung des bisherigen landesweiten Modellversuchs in ein reguläres Schulfach. Dieses soll für Schülerinnen und Schüler, insbesondere muslimischen Glaubens, künftig statt Religionslehre und neben Ethik wählbar sein.
"Islamischer Unterricht" als staatliches Angebot
Es handelt sich um ein staatliches Angebot, bei dem staatliche Lehrkräfte in deutscher Sprache Wissen über die islamische Religion sowie eine grundlegende Werteorientierung "im Geiste der Werteordnung des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung" vermitteln sollen.
Der Kabinettsbeschluss war schon seit einigen Monaten erwartet worden, da der Start des Wahlpflichtfachs zu Beginn des nächsten Schuljahres im Herbst erfolgen soll. Vorher muss nun noch der Landtag zustimmen - zudem müssen die weiteren Lehrpläne entwickelt werden.
Modellversuch verlief gut
Das neue Fach hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Anfangs gab es etwa eine "Islamische Unterweisung" in türkischer Sprache. Später erfolgte das Angebot dann auf Deutsch. Ein Modellversuch "Islamischer Unterricht" lief seit 2009 und wurde immer weiter ausgedehnt. Zuletzt gab es den Modellversuch an rund 350 Schulen, insbesondere an den Grund- und Mittelschulen und vor allem in Ballungsgebieten, bei dem etwa 16.000 Schüler unterrichtet wurden.
Bayernweit gibt es nach Angaben des Kultusministeriums mehr als 163.000 muslimische Schüler, das sind ungefähr zehn Prozent aller Schüler. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sagte nach der Kabinettssitzung, der Modellversuch sei 2015 und 2019 bei zwei Evaluationen von den Familien sehr positiv bewertet worden. In dem neuen Wahlpflichtfach sollen den muslimischen Schülerinnen und Schülern Wissen über die islamische Religion an sich, aber auch Werte wie etwa Religionsfreiheit vermittelt werden. Piazolo sagte, alle rund 100 bislang ausgebildeten Lehrkräfte seien beim Freistaat angestellt.
Schutz vor den Versuchungen des Fundamentalismus
Der in der evangelischen Landeskirche für den Bereich Schulen zuständige Oberkirchenrat Stefan Blumtritt sieht im staatlich verantworteten Islamischen Unterricht die Chance, "dass sich die muslimischen Schüler gut über ihre Religion informieren können". Dies könne dazu beitragen, sie "vor den Versuchungen des Fundamentalismus" zu schützen. Er mahnte allerdings auch, längerfristig sollte "ein konfessioneller islamischer Religionsunterricht" nach Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes "Zielpunkt staatlichen Handelns bleiben".
Bei dem neuen Islamunterricht handelt es sich nicht um einen Islamischen Religionsunterricht, der vergleichbar mit dem evangelischen, katholischen oder jüdischen Religionsunterricht wäre. Dies sei "mangels einer islamischen Religionsgemeinschaft" als dafür nötigem Ansprechpartner nicht möglich. Die Muslime in Bayern und in Deutschland sind nicht einheitlich organisiert. Nur in einem solchen konfessionellen Religionsunterricht entschieden jedoch die Religionsgemeinschaften über die Lerninhalte und nicht der Staat, erläuterte Oberkirchenrat Blumtritt.
Ein neuartiges Fach für muslimische Schüler
Nach Angaben der Staatsregierung handelt es sich beim neuen Islamunterricht um ein "ganz neuartiges" auf muslimische Schülerinnen und Schüler zugeschnittenes "islamkundliches und wertebildendes" Wahlpflichtfach als Alternative zu Ethik. Um die hohe Akzeptanz dieses Wahlpflichtfachs zu bewahren, soll bei der Gestaltung und Entwicklung des Lehrplans mit seinen Inhalten auf die Kompetenz des Wissenschaftlichen Beirats des Departments Islamisch-Religiöse Studien der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zurückgegriffen werden, heißt es.
"Ein Meilenstein für Integration"
Die bayerische Integrationsbeauftragte Gudrun Brendel-Fischer (CSU) nannte die Entscheidung für ein Wahlpflichtfach einen wichtigen Baustein der Integration und des friedlichen Miteinanders. Eine Alternative zur Religionslehre und über den Ethikunterricht hinaus zu haben, sei ein ganz wichtiges Signal an die muslimische Bevölkerung.
Der Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU), der den breiten Modellversuch 2009 als Kultusminister gestartet hatte, lobte, der Kabinettsbeschluss biete neue Chancen zur Integration muslimischer Kinder. "Er ist ein Meilenstein für Integration, Erziehung zu Toleranz und zur Bekämpfung von Antisemitismus", erklärte Spaenle.
"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!