Die Isar ist in den letzten Jahren zu einem Ausflugsort für viele Menschen geworden - vor allem aus der nahegelegenen Großstadt München. Neben Spaziergängern, Radfahrern und Badegästen suchen dort vor allem auch Horden von Schlauchbootfahrern Erholung und Lebensfreude. Das geht jedoch auch zu Lasten des empfindlichen Lebensraumes von Vögeln, Insekten und Fischen. Deshalb hat das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen im April eine Bootsverordnung erlassen, die das Befahren mit Booten im Landkreis nur noch unter zahlreichen Auflagen erlaubt.
Zeitliche Einschränkung
So dürfen Boote südlich von Bad Tölz nur noch vom 1. Juni bis zum 15. Oktober fahren und nördlich von Bad Tölz vom 1. Juni bis zum 31. Dezember. Viele Kanu- und Kajakfahrer haben dafür kein Verständnis: Ihrer Meinung nach trifft diese Regelung die falschen, nämlich sie, die sie doch ein Bewusstsein für die sensible Natur der Isar hätten. Sie dürfen jetzt im Winter, Frühjahr und teilweise auch im Herbst nicht mehr auf der Isar fahren und trainieren. Und das, wo sie zahlenmäßig weit weniger ins Gewicht fallen als die teilweise hunderte Spaß- und Schlauchboote pro Tag im Sommer.
Martin Siering vom Bund Naturschutz würde das Bootsfahren auf der Isar jedoch am liebsten übers ganze Jahr verbieten, weil viele Isarfische - wie die Mühlkoppe, der Schretzer oder der Schlammpeitzger - auf der Roten Liste stehen und auch in weiten Teilen des Winters an seichten Stellen laichen. Außerdem würden dort die auf dem Boden entlangschrammenden Boote Larven von Libellen und anderen Insekten zerdrücken. Von den auf den Kiesinseln brütenden Vögeln gar nicht zu reden: Wenn die Bootsfahrer anlanden und auf den Inseln oder Ufern herumlaufen, kann es leicht passieren, dass sie die Gelege der selten gewordenen Flussregenpfeifer oder Flussuferläufer zertreten. In jedem Fall trauen sich die Vogeleltern nicht mehr an die Eier heran, um sie zu bebrüten.
Weil durch den Klimawandel im Frühjahr und Frühsommer immer wieder Hochwasser die Gelege vernichten, brüten die Vögel ein zweites Mal genau dann, wenn die vielen Boote im Hochsommer vor allem am Wochenende die Isar hinabfahren und die Vögel auch mit mit lauter Musik erschrecken.
Musikverbot auf der Isar im gesamten Landkreis
Auf rund 75 Kilometern fließt die Isar durch den Landkreis Bad-Tölz-Wolfratshausen. Auf der gesamten Strecke sind Lautsprecher und Tonverstärker seit April 2019 verboten - ebenso wie Glasflaschen: Denn die Isar hat nicht nur bei Hochwasser oft eine reißende Kraft, kann Boote in den vielen scharfen Kurven umwerfen und mit Bierträgern beladene Beiboote entleeren. Jedes Jahr landen so unzählige Flaschen - ganz oder in Scherben - im Wildfluss. Da kann sich dann der Biber die Schwimmhäute aufschneiden, sagt Isar-Ranger Gregor Baumert vom Landratsamt Bad-Tölz-Wolfratshausen. Er und seine zehn Kollegen kontrollieren die Boote immer wieder. Derzeit werben sie noch um Verständnis und versuchen, die Paddler zu sensibilisieren, in absehbarer Zeit soll es aber auch empfindliche Strafen hageln - bis zu 5.000 Euro.
Schwimmwesten und Alkoholgrenze
Weitere Regeln sind Schwimmwesten für Kinder bis 12 Jahre und Nichtschwimmer, eine Alkoholgrenze von 0,5 Promille im Blut und 0,25 mg/l im Atem, das Verbot, an Kiesinseln anzulanden, Boote zusammenzubinden, durch flaches Wasser zu ziehen und in tiefe Stellen zu springen, wo der Huchen steht - ein bis zu 130 cm langer Raubfisch, auch Donaulachs genannt.
Nur noch "wildwassertaugliche" Boote
Paragraph zwei der Bootsverordnung ist allerdings ein Gummiparagraph. Hier heißt es, dass die Isar nur mit "geeigneten" und "wildwassertauglichen" Booten befahren werden darf. Näher definiert ist das aber nicht - laut Isar-Ranger Gregor Baumert ist das juristisch auch nicht möglich. Somit ist der Paragraf ein zahnloser Tiger. Die meisten Bootsfahrer kaufen sich für 50 bis 100 Euro ein eher für den Badesee oder das Plantschbecken gedachtes Schlauchboot. Für ein wildwassertaugliches Boot muss man dagegen mindestens 500 Euro ausgeben.
Der Test
Wir machen die Probe aufs Exempel und fahren an einem Samstag im Juli mit dem Schlauchboot von Wolfratshausen bis nach München. Das Ergebnis: Es sind zu geschätzten 95 Prozent ungeeignete Badeboote unterwegs, deren Luftkammern leicht zum Platzen gebracht werden können, wenn die Kraft des Flusses die Boote in Totholzverhaue in den Kurven drückt. Mehrere Boote verlieren an diesem Samstag auch ihre Luft in einer oder mehreren Kammern. Wir sind Zeuge einiger brenzliger Situationen, wo Boote unter Büsche oder in Totholzverhaue am Ufer getrieben werden. Verletzungen oder sogar Ertrinken ist hier leicht möglich. Zum Glück geht es in den beobachteten Fällen mit ein paar blutenden Schrammen ab. Viele Boote haben nur windige Paddel oder Ruder, mit denen sie im Wildfluss nicht manövrierbar sind. Jedes Jahr gibt es Verletzte oder gar Tote.
Zweites Ergebnis des Praxistests: Einmal für nur fünf Minuten lang keine laute Musik zu hören, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Glasflaschen und alkoholisierte - teilweise auch grölende - junge Männer gehören ebenfalls zum Bild. Viele der Bootsfahrer sagen denn auch im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, dass sie in erster Linie Party und Abenteuer suchen.
Entgegen diesem Test betont das Landratsamt Bad-Tölz-Wolfratshausen die Wirksamkeit der neuen Bootsverordnung. Die Bootsfahrer hätten viel Verständnis für die neuen Regeln: Lärm, Beiboote und Alkohol seien zurückgegangen.
Kanuboom auf dem Regen