2.700 Freiwillige haben sich bundesweit als Insektenforscher auf die Lauer gelegt: Um Hummeln, Schmetterlinge, Ameisen und andere Insekten zu suchen – und zu zählen. Denn: Studien belegen, dass es in Deutschland immer weniger Insekten gibt. Mit der Aktion wollen der Naturschutzbund (NABU) und der Landesbund für Vogelschutz (LBV) nicht nur genauere Daten zu den Populationen sammeln, erklärt Tarja Richter vom LBV.
Menschen für Insekten begeistern
Tarja Richter ist an der Auswertung der Daten beteiligt. Sie findet die Aktion vor allem aus anderen Gründen enorm wichtig: Die Menschen sollen so für das Thema sensibilisiert werden und die Scheu vor Insekten verlieren.
Joachim Tyrone aus Volkach in Unterfranken hat mit seinen drei Kindern mitgezählt und will sie so für Insekten begeistern: "Durch die Aktion bekommen sie mehr Hintergrundwissen darüber, wieso die Insekten so nützlich und wichtig sind für uns."
Eine Stunde lang Insekten beobachten
Zwischen dem 3. und dem 12. Juni haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Stunde lang gezählt – und zwar alles, was im Umkreis von zehn Metern krabbelt und fliegt. Damit man die Insekten überhaupt korrekt bestimmen kann, gibt es eine offizielle Zählhilfe, die online zum Download zur Verfügung steht. Darauf sind die häufigsten Insekten abgebildet. Die Freiwilligen können in der Zählhilfe direkt eintragen, welche und wie viele Insekten sie entdeckt haben.
Die Hummel im Fokus der Zählaktion
Im Fokus der Aktion stand die Hummel. Das wird auch in den Ergebnissen der Zählung im Juni deutlich, die NABU und LBV jetzt veröffentlich haben: Die Insekten-Rangliste führt in Bayern mit 1.166 Stück zwar die Erdhummel an, aber das überrascht nicht: Denn sie stand im Fokus der Aktion. Laut Zählhilfe lassen sich die drei häufigsten Hummel-Arten übrigens gut an ihren Hinterteilen unterscheiden.
Die Erdhummel landete auf Platz 1 der Rangliste.
Wildbienen sind besonders vom Insektensterben betroffen
Doch laut Tarja Richter leiden Wildbienen wie zum Beispiel Hummeln besonders: Da sie normalerweise in kühleren Regionen leben, werden sie durch den Klimawandel verdrängt. Allerdings seien Hummeln schlecht darin, in neue Lebensräume auszuweichen. Zudem verlieren sie ihren Lebensraum durch Bebauung und die Intensivierung der Landwirtschaft.
Mittlerweile stehen über die Hälfte der Wildbienen auf der roten Liste. Laut Tarja Richter gehen sehr viele Insektenarten stark zurück, es gebe Verluste von über 70 Prozent, vor allem bei den Fluginsekten. Manche Schwebfliegen gingen sogar um 90 Prozent zurück.
Die Gründe für das Insektensterben sind vielfältig
Aber warum geht die Zahl der Insekten zurück? Ingolf Steffan-Dewenter erforscht an der Uni Würzburg, welche Auswirkungen Landnutzung und Klimawandel auf Insekten haben. Er sagt, die Gründe für das Insektensterben seien vielfältig.
Insekten verlieren ihre Lebensräume
Zum einen liege das an verlorenen Lebensräumen wie Mooren. Zum anderen an der Versiegelung von Flächen, Verkehr und Lichtverschmutzung in Siedlungsgebieten.
Dabei sind Insekten für Mensch und Natur enorm wichtig. 75 Prozent der Kulturpflanzen hängen von Bestäubung durch Insekten ab. Insekten sind aber nicht nur als Bestäuber wichtig, sondern auch als natürliche Gegenspieler, für die Zersetzung von organischem Material und als Nahrung für andere Tierarten – vor allem für Vögel.
Forschungslücken bei Insekten
Lange war in der Forschung die Datengrundlage so schlecht, dass gravierende Veränderungen übersehen wurden, berichtet Insektenforscher Ingolf Steffan-Dewenter. Er wünscht sich bessere und klar strukturierte Programme, um früher Alarmsignale erkennen zu können.
Mehr Daten für die Wissenschaft sammeln
Die Daten von NABU und LBV können noch kein genaues Bild über das Insektensterben geben. Der Zeitraum der gesammelten Daten ist zu kurz – langfristig sollen Aktionen wie diese aber dabei helfen, Zukunftstrends ablesen zu können. Vom 5. bis 14. August gibt es einen zweiten Aktionszeitraum in diesem Jahr.

NABU und LBV haben zum Insektenzählen aufgerufen. "Citizen Science" nennt man diese Art von Forschung, bei der jeder mitmachen kann.
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