Im 19. und bis etwa zur Hälfte des 20. Jahrhunderts war Fürth ein Zentrum der Spiegelindustrie mit zahlreichen Manufakturen und Produktionsstätten. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Auch für die ehemalige Spiegelfabrik J. L. Lehmann. Für das Grundstück unweit des Stadtparks und den Pegnitzauen interessierten sich ursprünglich acht Gründer einer Baugemeinschaft für ein Mehrgenerationenwohnprojekt.
2016 kauften sie das ehemalige Industriegrundstück, gründeten eine Baugenossenschaft und beauftragten schließlich das Berliner Architektenbüro Heide & von Beckerath mit der Umsetzung ihrer Ideen. Der Wunsch der Baugemeinschaft: ein diverses Zuhause, in dem sich alle wohlfühlen sollen.
Große Herausforderung, gelungenes Ergebnis
Auf dem knapp 3.400 Quadratmeter großen ehemaligen Fabrikareal ist den Bauherren und Architekten ein Stadtquartier gelungen, in dem die Gemeinschaft im Mittelpunkt steht, ganz egal wie unterschiedlich sie sich zusammensetzt. Es ist ein Dorf in der Stadt entstanden, in das im Frühjahr 2021 nach dreijähriger Bauzeit die Bewohner einziehen konnten. 57 Wohneinheiten unterschiedlicher Art und Größe umfasst das siebengeschossige Bauwerk. Dazu kommt eine Werkstatt, eine Tiefgarage mit Carsharing-Konzept und Plätzen für weit mehr Fahrräder als Autos, ein Blockheizkraftwerk sowie ein Festsaal und auch das städtische Quartiersbüro.
Etwa 13,7 Millionen Euro betrugen die Baukosten. Bund und Freistaat gaben Fördergelder, denn das Bauprojekt ist nachhaltig und energiesparend konzipiert. Das Blockheizkraftwerk in Kombination mit einer Photovoltaikanlage deckt etwa 60 Prozent des Strombedarfs. Das alles ist innovativ und zukunftsweisend, fand die Jury des Deutschen Bauherrnpreises und zeichnete die Spiegelfabrik im Herbst 2022 aus.
Inklusives Wohnprojekt in Fürth
Es war mitten in der Corona-Pandemie, als das bunte Völkchen aus Eigentümern und Mietern in die neue Spiegelfabrik einzog. Gemeinschaft konnte damals kaum gelebt werden. Deshalb fanden die Bewohner digital zueinander.
Auf einer gemeinsamen Plattform wird alles besprochen, organisiert und entschieden, Grundsätzliches aber auch Praktisches. Da kann man ganz einfach mal schnell in die Runde fragen, ob jemand vielleicht noch ein paar Kartoffeln übrig hat, oder jemand den vermissten Kinderfahrradhelm gefunden hat. Damit das klappt und alle mit der Plattform auf ihrem Smartphone zurechtkommen, hält ein IT-Fachmann, der mit seiner Familie ebenfalls hier wohnt, regelmäßige Sprechstunden.
Fast jeden Tag gibt es gemeinschaftliche Aktivitäten: Nachbarschaftsstammtisch, Spieleabend und Willkommenscafé. Und wie empfinden die Bewohner selber dieses inklusive Wohnprojekt nach zwei Jahren? Es kann manchmal etwas anstrengend sein, sei aber äußerst sinnvoll in der heutigen Zeit, lautet oft die Antwort mit einem Augenzwinkern.
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