Die Wertachklinik Bobingen südlich von Augsburg am Dienstagmorgen - in der Notaufnahme geht es Schlag auf Schlag, wie fast immer. Von einer Entspannung über die Feiertage ist nichts zu spüren. Viele kommen mit Atemwegserkrankungen, sagt Dr. Marleen Pfeifer, die leitende Oberärztin der Notaufnahme und ärztliche Direktorin: "Viele Patienten kommen auch mit Doppelinfektionen. Dazu kranke Mitarbeiter und deren Kinder, die betreut werden müssen." Und dann muss die Ärztin auch schon wieder ans Telefon und gleich weiter zum nächsten Termin.
Es fehlt eine Finanzierungsstrategie
Intensivpfleger Marius Wachter kümmert sich derweil um die neu angekommene Patientin. Alles läuft eingespielt und routiniert – auch wenn für die Betreuung nur sehr wenig Zeit bleibt, bedauert Wachter, der auch Personalrat ist: "Spätestens gegen neun, zehn Uhr kann man mit dem großen Patientenaufkommen rechnen. Es geht eigentlich den ganzen Tag rund."
Auch die Normalstationen sind nahezu randvoll – immer wieder müssen einzelne Bereiche vom Rettungsdienst abgemeldet werden. Allein in Bobingen fehlen 40 bis 50 Pflegekräfte – und dazu kommen jetzt auch noch finanzielle Probleme. Erstmals seit zwölf Jahren werden die Wertachkliniken in Bobingen und Schwabmünchen heuer wohl ein Defizit von rund 1,5 Millionen Euro einfahren. Und sie sind kein Einzelfall, erklärt Martin Gösele aus dem Klinikvorstand der Wertachkliniken: "Jetzt schon schreiben 60 Prozent der Kliniken rote Zahlen, und daher ist aus meiner Sicht nicht nur ein Wumms wichtig, sondern – vielleicht eher ein dreifacher Wumms, ein Dauer-Wumms? Es fehlt die dauerhafte Strategie."
Kaum Zeit für die Patienten
Eine Strategie, die es dem Pflegepersonal wie hier in Bobingen in Zukunft wieder ermöglichen würde, sich angemessen um ihre Patienten zu kümmern. Zeit zum Durchschnaufen bleibt hier kurz vor Silvester jedenfalls keine. Iris Eger, Bereichsleitung Pflege, arbeitet seit fast drei Jahrzehnten in dem Krankenhaus - ihre Arbeit hat sich seitdem stark verändert. "Der administrative Aufwand ist viel höher geworden. Vor allem in den letzten fünf Jahren. Corona hat da natürlich mit reingespielt, aber ist nicht der Auslöser für alles. Vor 20 Jahren hat es sich noch ganz anders gearbeitet. Es gab aber auch nicht diesen Fachkräftemangel, der sich jetzt herauskristallisiert."
An der Kapazitätsgrenze
Wer Glück hat, wird nach der Notaufnahme auf die Normalstation verlegt – wenn ein Bett frei ist. Das allerdings ist mittlerweile selten. Die Wertachkliniken, wie viele andere Krankhäuser, sind an der Kapazitätsgrenze. Und das vor allem aus zwei Gründen. Der Krankenstand ist historisch hoch – sowohl bei den Patienten wie auch beim Pflegepersonal, beobachtet Martin Gösele vom Klinikvorstand der Wertachkliniken: "Wir haben 16 bis 18 Prozent Krankheitsquote. Dann kommen noch Urlaubsausfälle und Fortbildungen, das muss auch sein - also roundabout 30 Prozent des Personals fehlen."
Dass es trotzdem irgendwie weitergeht, sei dem riesigen Engagement des medizinischen Personals zu verdanken. Das war schon vor Corona so, die Pandemie aber hat es sicher nicht besser gemacht.
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