Es wird geschliffen und gesägt. In der Luft hängt der Geruch von Lack und Holzspänen: Auf den ersten Blick wirkt das Treiben in der großen Halle im Dinkelsbühler Industriegebiet Botzenweiler wie eine ganz normale Schreinerei. Bis zu 22.000 Särge werden hier pro Jahr produziert – vom Holzstamm bis hin zum fertigen Sarg. "Hauptsächlich verarbeiten wir Kiefer, Eiche, Pappel, Linde und Lärche", sagt Alexander Wendel, der die Firma mittlerweile in dritter Generation leitet. Den ersten Sarg produzierte sein Großvater 1953, nun beschäftigt die Firma rund 50 Mitarbeitende.
Die Sargfabrik Hans Wendel ist ein Familienunternehmen in einer Branche, die in Deutschland immer kleiner wird, denn: Laut des Bundesverbands Bestattungsbedarf werden aktuell nur noch rund 15 Prozent der benötigten Särge komplett in Deutschland hergestellt. 60 Prozent der Särge kommen direkt aus Ländern wie Polen, Tschechien, Bosnien oder Kroatien. Ein Viertel der benötigten Särge wird zwar in Deutschland veredelt, produziert werden sie aber im Ausland.
Zwei Firmen fertigen vom Stamm bis zum Sarg
Laut Bundesverband gibt es deutschlandweit nur noch rund 15 Firmen, die Särge herstellen – vier davon haben ihren Sitz in Bayern. Ein Großteil der Firmen ist eher klein, sie arbeiten mit weniger als 20 Beschäftigten. Die meisten der verbliebenen Sarghersteller konzentrieren sich heutzutage auf die Veredlung von Särgen, lackieren oder verschönern den Sarg durch Schnitzereien. Eine Herstellung wie bei Alexander Wendel – vom Stamm bis zum Sarg – bieten deutschlandweit nur noch zwei Firmen an.
Seit einiger Zeit beobachtet Alexander Wendel den Wandel hin zum "Billigprodukt", wie er sagt. "Es wird nicht mehr so großen Wert auf den Sarg gelegt. Früher wurden noch hochwertige Produkte genommen, also auch hochwertiges Holz", erinnert er sich. "Mittlerweile ist es – teilweise – eine richtige Entsorgungsmentalität."
Vergangenes Jahr sind in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 1,06 Millionen Menschen gestorben. Für einen großen Teil der Angehörigen würde der Kostenfaktor bei der Bestattung die entscheidende Rolle spielen, so Alexander Wendel. Viele wählen möglichst billige Särge aus. Gleichzeitig beobachtet er auch beim Sargverkauf die Krise der Mittelschicht: "Der Sarg spiegelt eigentlich die Gesellschaft wider: Entweder extrem einfach oder extrem abgehoben, mit viel Farbe, verschiedene Formen – wirklich extravagant." Särge im mittleren Preissegment seien nicht mehr so gefragt wie früher.
Der Trend geht zur Feuerbestattung
Eine mögliche Erklärung für diese Entwicklungen liefert der Bundesverband Bestattungsbedarf. Dort geht man davon aus, dass sich die Zahl der Sargproduzenten deutschlandweit seit der Jahrtausendwende halbiert hat. Der Grund sei der Trend zur Feuerbestattung, durch die "das stückzahlmäßig relevante Mittelklassesortiment der deutschen Sarghersteller" nahezu komplett weggebrochen sei. Denn selbst bei einer Einäscherung wird ein Sarg benötigt – offenbar für viele ein Grund, ein günstiges Produkt zu wählen.
Bis zu 22.000 Särge produziert die Sargfabrik Hans Wendel pro Jahr.
Etwa 30 verschiedene Modelle bietet die Hans Wendel Sargfabrik an – alle sind jeweils in unterschiedlichen Farben und mit verschiedenen Schnitzereien bestellbar. So kommt Alexander Wendel auf eine Summe von rund 1.500 verschiedene Sarg-Varianten. Momentan geht der Trend zu natürlichen Farben. Lacke, wie früher bevorzugt, sind out. Machbar ist laut dem Geschäftsführer allerdings wirklich "alles was das Herz begehrt". Er sagt: "Wir hatten schon einen rosa Sarg, wir hatten schon schwarz, rot, pink – alles!" Manchmal kämen auch Interessenten mit Entwürfen für die Form ihres Wunsch-Sarges oder Angehörige, die sich den Verstorbenen als Airbrush-Bild auf den Sarg sprühen lassen.
Holz und Schafswolle aus der Region
Preislich ist es für die deutschen Sarghersteller kaum möglich, mit der Konkurrenz aus Osteuropa mitzuhalten. Wie Alexander Wendel wollen sie deshalb auch durch Nachhaltigkeit punkten: Das Holz, das bei ihm im Sägewerk geschnitten und später zu Särgen verarbeitet wird, kommt aus der direkten Umgebung. "Maximal 50 Kilometer Umkreis", sagt er. Und auch für die Polsterung der Särge kommen regionale Produkte zum Einsatz: "Wir haben teilweise Innenausstattung aus Schafwolle, da weiß ich sogar, wo die Schafe stehen – am Hesselberg. Wenn man richtig ins Detail geht, könnte man wahrscheinlich den Namen des Schafes rausfinden."
Energiekrise und Holzknappheit heben den Sarg-Preis
Bestattungsunternehmen aus dem ganzen Land ordern Särge bei den Wendels, die meisten Besteller kommen jedoch aus Süddeutschland. Auch er musste die Preise zuletzt anheben, denn die gestiegenen Energiekosten und der hohe Holzpreis machen auch vor der Sargfabrik nicht Halt. Laut dem Bundesverband Bestattungsbedarf ist auch der Kraftstoff ein starker Preistreiber, denn der Transport mache einen relativ großen Anteil der Gesamtkosten eines Sarges aus. Wie viel genau der Sarg am Ende kostet, das bestimmt der Bestatter, so Sarghersteller Alexander Wendel. Die günstigsten gebe es für 600 bis 800 Euro, nach oben hin sei der Preis – abhängig von den Wünschen – jedoch offen.
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