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Obdachlose in einer Unterführung

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Immer mehr Obdachlose in den Großstädten

Immer mehr Obdachlose in den Großstädten

In den Ballungsräumen leben immer mehr Menschen auf der Straße. Das hängt mit den stark gestiegenen Mieten zusammen, doch auch mit der starken Armutszuwanderung aus Osteuropa. Die Situation für die wird Obdachlosen immer prekärer. Von David Friedman

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Obdachlos" sind Menschen, die weder ein Dach über dem Kopf, noch ein geregeltes Einkommen haben. Ihre Zahl steigt stetig an. Das hängt einmal mit den stark gestiegenen Mieten zusammen. Zum anderen aber auch mit der EU-Osterweiterung. Auf dem Land ist die Lage noch relativ entspannt. In den Großstädten jedoch nimmt die Zahl der Obdachlosen rapide zu, erklären die sozialen Verbände.

Gedränge in der Teestube

Geduldig sitzt Robert vor der Teestube "komm" des Evangelischen Hilfswerks München und wartet, bis die Tür aufgesperrt wird. Der obdachlose Mann will sich aufwärmen und mit jemandem reden. Drinnen bereitet sich Franz Herzog auf den täglichen Ansturm vor.

"Wir haben siebzig Sitzplätze. Wenn mehr als siebzig Menschen diesen Raum bräuchten, wird's eng." Franz Herzog, Münchner Teestube 'komm'

Ist die Teestube voll, wird zugesperrt. Die, die zu spät kommen, müssen dann draußen bleiben. Christoph Lochner - auch er in der Teestube beschäftigt - macht die Zunahme der Obdachlosen in München an den Postkästen fest, die sein Team für die Bedürftigen eingerichtet hat:

"Da hatten wir all die Jahre über einen großen Kasten, in den wir die Post einsortiert haben. Mittlerweile sind das zwei Kästen, und die platzen aus allen Nähten und unsere Postliste ist bestimmt doppelt so umfangreich wie sie noch vor fünf Jahren gewesen ist." Christoph Lochner, Münchner Teestube 'komm'

Keine aktuellen Zahlen

In München leben vermutlich 550 Männer und Frauen auf der Straße. Das schätzt das städtische Sozialreferat. Genaue Zahlen gibt es aber keine. Desgleichen in Augsburg. Knut Bliesener vom Katholischen Verband für soziale Dienste spricht von dreißig Obdachlosen, die früher auf den Straßen, unter den Brücken und in den Parkanlagen kampiert haben.  Heuer seien es schon sechzig.

"Wir bräuchten sicher noch mehr Plätze, um schnell jemanden unterbringen zu können. Ein Problem sind sicher Leute, die aus EU-Ländern auch in Augsburg stranden, die teilweise versuchen, ihr Leben eben draußen in den Parks oder unter Brücken zu fristen." Knut Bliesener, Katholischer Verband für soziale Dienste

Laut Knut Bliesener sind insgesamt eintausend Menschen in Augsburg von Obdachlosigkeit bedroht. Die meisten davon seien Bürger, die wegen des umkämpften Wohnungsmarktes vorübergehend keine Wohnung haben und übergangsweise in einer sozialen Einrichtung untergebracht werden müssen.

Auch in Nürnberg steigt die Zahl der Obdachlosen leicht an. Das Sozialreferat spricht von fünfzig Menschen, die auf der Straße leben müssen. Peter Mertel von der Obdachlosenunterkunft in der Großweidemühlstraße registriert einen steilen Anstieg bei den Übernachtungen in den Notschlafstellen der Stadt.

"In den Notschlafstellen ist es so, dass in den letzten Jahren ein starker Anstieg zu verzeichnen war, insgesamt in Nürnberg. Auch wir hatten einen Anstieg von durchschnittlich 4.000 Übernachtungen auf über 10.000 Übernachtungen." Peter Mertel, Nürnberger Obdachlosenunterkunft

Vor allem Ballungsräume betroffen

Ein Grund, warum gerade der  Ballungsraum München so viele Menschen anzieht, die später obdachlos werden: Es ist die boomende Wirtschaft. Vor allem vollkommen verarmte Menschen aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien suchen im vermeintlich goldenen Westen Arbeit und Auskommen, berichtet Franz Herzog von der Inneren Mission München:

"Dann kommen die hier an und stoßen halt an ihre Grenzen, weil die Qualifikation fehlt, weil die Wohnung sowieso fehlt, die gibt es nicht, das Sprachvermögen fehlt, um auf dem Arbeitsmarkt Bestand zu haben. Die treffen dann möglicherweise auch auf Arbeitgeberverhältnisse, wo sie gnadenlos ausgenutzt werden." Franz Herzog

Die meisten sind Osteuropäer

Das Gros der Obdachlosen stammt mittlerweile aus Osteuropa. Während westliche Konzerne dank der wirtschaftlichen Freizügigkeit im Osten expandieren, tobt offensichtlich im Westen ein Verteilungskampf unter Obdachlosen. Für Andreas jedenfalls, der seit einigen Monaten auf der Straße lebt und gerade auf die Öffnung der Teestube "komm" wartet, ist die Luft - aus seiner Sicht - rauer geworden:

"Man hört kein Bitte, kein Danke, und ich find das unverschämt. Also dass die richtig einfordern, das gibt's hier umsonst und ich will haben. Und so in einer Masse, wo man dann sagt, andere Leute hätten auch gern noch was - das interessiert die gar nicht. Das ist eine richtige Ellbogenmentalität. Und das find ich dann wiederum problematisch." Obdachloser Andreas