Zuerst die Corona-Pandemie, nun der Krieg in der Ukraine: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) beklagt eine "Doppelkrise", mit der die bayerische Wirtschaft derzeit zurechtkommen müsse. Nach zwei Jahren Corona hätten die Unternehmen gerade erst damit begonnen, wieder nach vorn zu schauen. Nachdem jetzt der Krieg in der Ukraine hinzukam, fürchtet Aiwanger weitere massive Auswirkungen auf die bayerische Wirtschaft.
Aktuell zeigten sich immer mehr Abhängigkeiten der bayerischen Wirtschaft von Russland und der Ukraine, die man bislang nicht so auf dem Schirm gehabt habe, sagte der Minister nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts. Als Beispiel nannte er Lieferprobleme bei Düngemitteln und seltenen Erden, die für die Chipherstellung gebraucht werden.
Auch Bauvorhaben seien in Gefahr, weil 30 Prozent des Bau-Stahls aus Russland kämen. Bei größeren Bauvorhaben fehle deshalb zum Teil Material - und es gebe massive Preissteigerungen. "Die bayerische Wirtschaft ist hier massiv betroffen und am Ende auch der Verbraucher."
Aiwanger sieht "eklatantes Versagen des Bundes"
Für Aiwanger steht fest: Die Firmen dürfen in dieser Situation nicht alleine gelassen werden. Vom Bund fordert er daher konkrete Lösungen für die Krise - beispielsweise einen Schutzschirm für betroffene Unternehmen. Denn Aiwanger bezweifelt, dass das KfW-Kreditprogramm am Ende reichen wird.
Noch dringenderen Handlungsbedarf sieht der bayerische Vize-Regierungschef bei den Energiepreisen. Der Bund dürfe "nicht die Wirtschaft erst in die Probleme hineinjagen und hinterher mit dem Rettungssanitäterkoffer kommen". Stattdessen muss es laut Aiwanger schon vorher heißen: "Runter mit den Energiepreisen", um die Unternehmen und die Verbraucher zu entlasten.
Das Problem der "ruinös hohen Energiepreise" sei in Deutschland noch immer ungelöst. "Wir erleben leider ein eklatantes Versagen des Bundes", kritisierte der Freie-Wähler-Chef . "In allen Ländern um uns herum, gibt es niedrigere Spritpreise, doch die Ampel diskutiert noch immer um Tankrabatte und Energiegeld."
Das Problem könne man auch daran erkennen, dass der Tanktourismus aus Bayern heraus in die Nachbarländer noch größer geworden sei. Dabei könne der Bund durchaus handeln, so Aiwanger: Mineralsteuer, CO2-Abgabe, Mehrwertsteuer - es gebe genug Steuerschrauben, an denen die Bundesregierung drehen könne.
Auch CSU fordert wirksame Energiepreisbremse
Auch der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) fordert eine schnelle Senkung der Benzin- und Dieselpreise. Vor allem im ländlichen Raum müsse man akut die Menschen entlasten, die täglich 50 bis 100 km einfach zur Arbeit fahren und dies aus eigener Tasche zahlen müssten, sagte Bernreiter am Abend bei BR24 TV. Seine Partei habe dazu der Bundesregierung Vorschläge unterbreitet. "Zum einen wäre gerecht, dass man die Pendlerpauschale deutlich erhöht, und zwar ab dem ersten Kilometer. Zum anderen wäre es ein Vorschlag von unserer Seite, dass man die Mehrwertsteuer entsprechend senkt.“ Dies helfe allerdings nur dem privaten Bereich, nicht jedoch den Fuhrunternehmen, Taxis und der ganzen Logistikbranche. Mit Verweis auf Nachbarländer sagte Bernreiter, die Preise seien dort deutlich günstiger, und es gebe im Ausland bereits Klagen über den stark aufflammenden Tanktourismus aus Deutschland.
Ähnlich äußerte sich Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). "Die stark gestiegenen Energie- und Spritpreise belasten bereits jetzt die Bürgerinnen und Bürger wie auch die Wirtschaft massiv", teilte er mit. Das von der Bundesregierung beschlossene Entlastungspaket gehe nicht weit genug. Die Staatsregierung fordert deshalb eine substanzielle Reduzierung der Energiesteuer.
Bayerische Arbeiter von Gas aus Russland abhängig
Eine weitere bayerische Forderung an den Bund betrifft die Versorgungssicherheit mit Gas. Den Apellen, Deutschland sollte auf russische Gasimporte verzichten und so den Druck auf Wladimir Putin verschärfen, erteilt Aiwanger eine klare Absage. "Nach wie vor kommt Gas aus Russland und ich sage ganz offiziell und eindringlich: Gott sei Dank kommt noch Gas aus Russland." Sonst wären die Speicher längst leer, befürchtet der Minister. Darunter leiden würden seiner Meinung nach Privatleute, die im Winter ohne Heizung dastünden, und die Wirtschaft. Denn in Bayern hängen laut Aiwanger rund 220.000 Arbeitsplätze "relativ direkt an russischen Gasimporten".
Vor dem nächsten Winter braucht es nach Ansicht des bayerischen Wirtschaftsministers eine bessere Ausgangslage mit einer geringeren Abhängigkeit von russischen Gasimporten. Seine Forderung: Der Bund müsse vorurteilsfrei prüfen, ob eine vorübergehend stärkere Nutzung von Kohle Sinn macht. Gleiches gelte - im Hinblick auf die Stromversorgung - auch für eine Verlängerung der Laufzeit des Kernkraftwerks Isar 2.
- Zum Artikel: Russisches Gas: Wie schnell finden wir Alternativen?
Verlängerung von Isar 2 bis März 2023 im Gespräch
Sowohl der TÜV als auch der Betreiber von Isar 2, Preußen Elektra, und das bayerische Verbraucherschutzministerium, das die atomrechtliche Aufsicht hat, halten es laut Aiwanger für möglich, die Laufzeit des Kernkraftwerks um einige Monate zu verlängern. Konkret gehe es zumindest um eine Verlängerung über den nächsten Winter, bis März 2023. Dem Bund spricht Aiwanger ab, das ideologiefrei zu prüfen: "Ich bin mit dem Ehrgeiz an der Stelle nicht zufrieden."
Scholz lehnt Energie-Embargo gegen Russland weiter ab
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte unterdessen sein Nein zu einem sofortigen Stopp der Energie-Importe aus Russland wegen des Ukraine-Kriegs. Die Position der Bundesregierung sei unverändert, sagte er nach einem Treffen mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in Berlin.
Sanktionen müssten einerseits einen starken Effekt auf Russland haben, andererseits aber auch für die eigene Volkswirtschaft verkraftbar sein, betonte Scholz. "Wir müssen ja sehr klar sein: Das kann sein, dass es sich hier nicht um eine kurze Angelegenheit handelt, sondern um eine längere Auseinandersetzung. Und da müssen wir das alle gemeinsam durchhalten." Man werde dennoch daran arbeiten, Europa so schnell wie möglich unabhängig von russischer Energie zu machen.
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