Nichtsahnend hatte Volker Beitler vor einigen Tagen eine Nebenkostenabrechnung seines Vermieters geöffnet. Im Ingolstädter Westpark betreibt er seit 2001 auf 4.000 Quadratmetern ein großes Fitnessstudio. Zuverlässig bezahle er 50.000 Euro Miete monatlich und natürlich die Nebenkosten, so Beitler.
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Doch jetzt wurde ihm ohne große Vorankündigung eine Nebenkostenabrechnung geschickt. "Die letzten 20 Jahre wurde irgendein Punkt vergessen, zu berechnen. Dieser wurde jetzt nachberechnet und am 27. September von meinem Konto eingezogen," sagt Beitler. "Dann habe ich nach der Summe geschaut. Und als ich dann sah, dass es 1,547 Millionen Euro sind, war ich doch etwas überrascht."
Die Existenz der Mieter ist gefährdet
Beitler und drei andere Ladenmieter haben sich in seinem Fitnessstudio versammelt. Eines verbindet sie alle: Sie sind langjährige Mieter und selbständige Unternehmer im Einkaufszentrum "Westpark" in Ingolstadt. Doch das nützt ihnen nichts: Sie alle werden mit Heizkosten-Nachforderungen konfrontiert, die ihre Existenz gefährden.
Friseurmeister Peter Treubel, seit 1999 mit seinem Geschäft im Westpark, soll 60.000 Euro nachzahlen. Seine Schwester Gabi Pehr soll gut 40.000 Euro für ihre beiden kleinen Friseursalons nachzahlen. Sie erzählen, dass sie derzeit noch ihre KfW-Kredite aus der Corona-Zeit abbezahlen müssen, und diese Nachforderung des Vermieters Pehr die Existenz koste.
Vermieter: Forderungen rechtlich in Ordnung
Der Westpark gehört der Edeka Südbayern. Gegenüber BR24 erklärt Westpark-Geschäftsführer Frank Hausschmid, dass alle Nachforderungen berechtigt seien und der Westpark dafür in Vorleistung gegangen sei. Er gibt zu, dass es Forderungen in nicht unbeträchtlicher Höhe seien und dass der Zeitpunkt sehr unglücklich sei. Dafür wolle er sich bei den Mietern entschuldigen, so Hausschmid im Interview. Man biete den Mietern jetzt individuelle Lösungen an, zum Beispiel Ratenzahlung.
Mieter lassen Forderungen prüfen
Die Mieter haben nun ihre Rechtsanwälte eingeschaltet. Sie prüfen Einwände und auch mögliche Versäumnisse durch den Vermieter. Während gegenüber privaten Mietern nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Nebenkostenansprüche nach drei Jahren verjähren, sei das bei Mietern von Gewerbeimmobilien nicht so, bestätigt Rechtsanwalt Peter Lutz aus Ingolstadt. Bei Gewerbeimmobilien haben die Vermieter die Verjährungsfrist durch andere Regeln selbst in der Hand. Das wurde schon in früheren Fällen vor Gericht bestätigt. Lutz rät, die Mietverträge genau zu prüfen.
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Nachzahlung aus Reserve fürs Alter
Einer der Betroffenen ist der Orthopädie-Schuhmachermeister Roland Schneider. Er ist Mieter der ersten Stunde. Seit der Eröffnung des Westparks 1996 hat er hier 50 Quadratmeter gemietet, fertigt unter anderem Einlagen für Schuhe an und betreibt einen Schlüsseldienst. Im kommenden Jahr geht er in Rente. Vermutlich mit 14.000 Euro weniger. Denn die muss er aus seinen Reserven fürs Alter für die Nachzahlungen aufbringen.
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