Bernd Kaulitzki zieht sein Fischernetz aus dem Wasser. Zug um Zug. Der Fischermeister aus Wasserburg steht an der Reling seines Bootes auf dem Bodensee. Es ist kurz nach 7 Uhr Ende März, ein kühler Wind weht sanft über das Wasser, die Sonne ist gerade aufgegangen. Kaulitzki sagt: "Mich persönlich ärgert es, dass man am Bodensee Lachsforellen verkauft, die als Bodensee-Fisch deklariert werden. Das ist für mich schlichtweg Verarschung von Kunden." Lachsforellen heißen so im Sprachgebrauch. Eigentlich handelt es sich um Regenbogen- oder Seeforellen. Das sind Zuchtfische, die ihr rotes Fleisch meist durch das Futter erhalten. "Die gibt’s nicht im Bodensee", sagt Bernd Kaulitzki.
"Wildfang Bodensee" künftig geschützt
Deshalb hat er sich mit anderen Fischern zusammengetan. Und nicht nur das. Zum ersten Mal haben sich Fischer aus Bayern, Baden-Württemberg, Österreich und der Schweiz in einem Verein zusammengeschlossen und auch noch Gastronomen, Verarbeiter, Händler, Tourismusexperten und Förderer - wie die Organisation Slowfood - mit ins Boot geholt. Sie alle haben ein Ziel: Den vorhandenen Fisch aus dem Bodensee besser an die Kundschaft zu bringen. Es gibt nämlich grundsätzlich genug Fisch, nur viele Arten werden nicht nachgefragt. Deshalb hat sich der Verbund nun die Marke "Wildfang Bodensee" schützen lassen, mit eigenem Logo: ein blauer Fisch mit gelber Kochmütze vor dem Umriss des Bodensees. Für die Fischer hängt ihr Überleben davon ab, dass die Idee funktioniert.
Fischer fangen kaum noch Felchen
Denn seit Jahrzehnten fangen sie immer weniger. Nach aktuellen Zahlen der IBKF (Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei) gingen etwa im Jahr 2020 rund 295 Tonnen in die Netze und damit deutlich weniger als im Mittel der letzten zehn Jahre (435 Tonnen). Zwar ist der Ertrag der Felchen kurzzeitig im Vergleich zum Vorjahr angestiegen, insgesamt gesehen ist er aber schon lange rückläufig.
Fischer wollen mehr Rotaugen verkaufen
Felchen gehören zu den beliebtesten Speisefischen am Bodensee. Sie werden seit Jahren aber immer kleiner und leichter. Als Grund nennen Fischer und Forscher unter anderem das Nahrungsangebot im Bodensee, das immer weiter abnimmt, weil durch die Abwasserklärung immer weniger Phosphat im See ist. Auch eingeschleppte Arten wie der Stichling und der Klimawandel machen den Fischen zu schaffen. Insgesamt leben laut Fischern aber mindestens rund 30 Fischarten im See. Darunter das Rotauge. Der Weißfisch ist anpassungsfähig und kommt mit dem Nahrungsangebot im See besser zurecht als die Felchen. Von ihm könnten die Fischer eine Menge fangen. Bisher haben sie davon aber meist Abstand genommen, weil Rotaugen zahlreiche Gräten haben und deshalb deutlich mehr Zeit in der Verarbeitung brauchen.
Verarbeitung von Rotaugen ist aufwendiger
Bernd Kaulitzki hat heute acht Kilogramm Felchen gefangen. Von den Rotaugen sind es vier Kisten voll: 60 Kilogramm. Kaulitzki sagt: "Wir wollen nicht jammern, dass wir keine Felchen mehr fangen, wir wollen verkaufen, was gefangen wird. Also auch Unbekanntes pushen." Im weiß gefliesten Verarbeitungsraum startet er eine spezielle Kreissäge: Erst werden Schwanz und Kopf der Rotaugen abgetrennt, dann wirft Kaulitzki den Rumpf in die Maschine. Innen drehen sich parallel zwei weitere Sägeblätter. Sie trennen die Filets rechts und links der Wirbelsäule ab. Danach werden die Bauchgräten von jedem Filetstück in Handarbeit mit dem Messer abgeschnitten und schließlich noch durch eine Maschine geschickt, die die letzten Gräten zerkleinert. Am Nachmittag fährt Fischer Bernd Kaulitzki dann nach Nonnenhorn.
Rotaugen schmecken als Matjes und gebraten
Vor dem Hotel "Zur Kapelle" nimmt Gastronom Hans-Jörg Witzigmann die frischen Rotaugen-Filets entgegen. Die eignen sich jetzt gut zum Braten und Einlegen. Nach vier Tagen in der Salzlake wird so Matjes daraus. Der Wirt zieht in der Küche die Haut von den Filets. Dann schneidet er sie in Würfel, packt Schalotten, Apfelstücke, Petersilie und Birnen-Balsamico dazu. Angerichtet wird das auf Rote Beete mit Meerrettich-Spänen: "Ein Rotaugen-Matjes-Tartar, mittlerweile ein Standardgericht", sagt Witzigmann und fügt hinzu: "Ein schönes Glas Nonnenhorner Wein dazu, das ist leicht und ein Stück Lebensqualität."
Wo "Wildfang" steht, ist Wildfang drin
Auf seiner Speisekarte finden sich Fisch-Gerichte mit und ohne neuem Fisch-Logo "Wildfang Bodensee". "Wenn Zander draufsteht und nicht Bodensee dabeisteht, dann ist er zugekauft", sagt Hans-Jörg Witzigmann. Wo dagegen das Logo platziert ist, ist auch garantiert Bodenseefisch drin – erstmals gibt es damit eine Herkunftsgarantie. Nur Mitglieder des Vereins aus Fischern, Verarbeitern und Köchen dürfen es verwenden. Und auch nur dann, wenn der Fisch mit traditionellen Fangmethoden aus dem Bodensee gezogen wurde. So wollen sie künftig sicherstellen, dass für die Gäste eindeutig ersichtlich ist, welcher Fisch auf dem Teller tatsächlich aus dem Bodensee stammt und welcher nicht.

Das Logo der neuen Marke "Wildfang Bodensee" auf einem Flyer
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