Hells Angels (Symbolbild)
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Hells Angels (Symbolbild)

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Hells Angels: Ermittlungen auch in Bayern

Drogenhandel, Zuhälterei, Geldwäsche: In Madrid stehen Hells-Angels-Mitglieder in einem Mammutprozess vor Gericht. In Bayern schätzt der Verfassungsschutz die Gefährdungslage in der Rockerszene als "eher ruhig" ein, ermittelt wird aber auch.

Aktuell müssen sich 48 Mitglieder und Komplizen einer berüchtigten Bande in der spanischen Hauptstadt Madrid vor Gericht verantworten. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht der deutsche Frank Hanebuth, der bis zu seinem Umzug nach Mallorca als zentrale Figur einer bekannten Motorrad-Gang in Deutschland galt. Es geht um die Hells Angels.

In Bayern ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft in mindestens zwei Verfahren gegen mutmaßliche Gang-Mitglieder. Mehrere Tatverdächtige haben sich ins Ausland abgesetzt, drei Männer sitzen in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe gleichen den Anklagen in Madrid. Doch, was sind das konkret für Fälle?

Zugriff bei Drogenhandel im Landkreis Dachau

Am 4. August 2022 lauern Spezialkräfte der Polizei vor einem Tattoostudio in Karlsfeld im Landkreis Dachau drei Männern auf. Monatelang hat die Kripo gegen eine Rocker- und Drogenbande ermittelt, an diesem Donnerstag wird eine Lieferung von Rauschgift erwartet. Ein Taxifahrer taucht auf und übergibt zwei mutmaßlichen Hells Angels-Mitgliedern über ein Kilogramm Kokain und zwei Kilogramm Marihuana. In diesem Moment greifen die Einsatzkräfte zu. Das Rauschgift wird beschlagnahmt.

Bei den anschließenden Durchsuchungen von Wohn- und Geschäftsräumen konfiszieren die Drogenfahnder 85.000 Euro Bargeld, etliche Luxusgegenstände, darunter fünf Rolex-Uhren und einen Goldbarren. Außerdem stellen die Ermittler einen verbotenen Morgenstern, einen Schlagring und Munition für eine sogenannte Pumpgun sicher. Die illegale Schusswaffe selbst kann allerdings nicht entdeckt werden. Der 34-jährige Drogenlieferant und die beiden 32-Jährigen, die von der Polizei der Rockerbande Hells Angels zugerechnet werden, sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt wegen des Verdachts des Drogenhandels und illegalen Waffenbesitzes. Wann die Behörde Anklage gegen das Trio erhebt, ist noch unklar.

Drei Verletzte bei "Rocker-Krieg" in München - Tatverdächtige im Ausland

10. Juni 2020: Zwei Männer stechen einen 45-Jährigen am helllichten Tag vor einem Supermarkt in München-Schwabing nieder. Zwei Bekannte des Opfers eilen dem Verletzten zu Hilfe. In diesem Moment steuert ein schwarzer Kleintransporter auf die Gruppe zu, mehrere Männer springen aus dem Fahrzeug, prügeln und treten auf das Trio ein, zusammen mit beiden Erstangreifern – alles auf offener Straße. Anschließend flüchten die Täter. Eine Szene wie in einem Mafia-Film – mitten in Schwabing.

Die Polizei spricht später von einer gewalttätigen Auseinandersetzung unter rivalisierenden Rockergruppen. Die fünf Angreifer sollen Hells Angels-Mitglieder gewesen sein, die drei Opfer den Black Jackets angehören. Die angegriffenen Männer konnten schon am nächsten Tag das Krankenhaus wieder verlassen. Die Polizei nahm zwar noch in der Nacht fünf Tatverdächtige fest, musste die Männer aber entlassen, weil sie nicht an der Auseinandersetzung beteiligt waren. Der "Rocker-Krieg" machte bundesweit Schlagzeilen.

Das für Organisierte Kriminalität/Rocker zuständige Fachkommissariat hat zwar bereits kurz nach der Tat andere Tatverdächtige als die vorübergehend Festgenommenen identifiziert. Diese sind aber anscheinend ins Ausland geflüchtet. Die für das Verfahren federführende Staatsanwaltschaft München I erklärt auf BR-Nachfrage, die unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung gesuchten Hauptverdächtigen hätten sich in die Türkei abgesetzt. Ein Abschluss des Verfahrens sei deshalb in nächster Zeit nicht zu erwarten.

Rockerkriminalität in Bayern: Etwa 1.200 "1-Prozenter"

"Outlaw Motorcycle Gang" oder kurz OMCG: dieser Begriff wird weltweit für Rockergruppen verwendet, die typische Delikte der Organisierten Kriminalität wie Rauschgifthandel, Bedrohung oder Körperverletzung begehen. Diese OMCGs werden auch als "1-Prozenter" bezeichnet, denn die breite Masse der Motorradclubs (eben die anderen 99 Prozent) gehört nicht zu den kriminellen "Outlaws" (Gesetzlosen).

Der Kreis der "polizeilich bedeutsamen Rockergruppierungen" umfasst in Bayern laut Verfassungsschutz aktuell rund 1.200 Personen. Die mitgliederstärkste Rockergruppe ist demnach in Bayern der "Hells Angels MC" mit neun Regionalclubs. Drei dieser sogenannten "Charter" sind im Großraum München, außerdem gibt es Charter in Nürnberg, Hof, Lindau, im Raum Mühldorf, im Raum Passau sowie am Chiemsee. Zu den OMCGs, die vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden, gehören außerdem der "Bandidos MC", "Outlaws MC", "Gremium MC", "Mongols MC", "Rock Machine MC" und "Trust MC".

Verfassungsschutz: Gefährdungslage in Bayern "eher ruhig"

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, das die kriminelle Rockerszene beobachtet, schätzt die Gefährdungslage in Bayern auf BR-Nachfrage generell als "derzeit eher ruhig" ein. Die Behörde führt das aber auch auf die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zurück. Mit deren Wegfall sei jetzt wieder eine Zunahme von Veranstaltungen der OMCGs zu verzeichnen. Bundesweit seien 2022 zwar vereinzelt öffentlichkeitswirksame Gewalttaten von kriminellen Rockergruppen festgestellt worden, diese seien aber regional beschränkt gewesen und hätten keine erkennbaren Auswirkungen in Bayern gehabt.

Audio: Interview mit Rocker-Expertin

Teilnehmer an der Motorrad-Demonstration der Rockerbande Hells Angels im Jahr 2020.
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Teilnehmer an der Motorrad-Demonstration der Rockerbande Hells Angels im Jahr 2020.

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