Jana Hager trägt Wanderstiefel an den Füßen und schultert eine Kamera mit langem Objektiv und Stativ. Plötzlich biegt sie vom Kiesweg ab, der durch das Gelände der LBV-Umweltstation Lindenhof in Bayreuth führt und kämpft sich ein paar Meter durch Äste und Dornen. "Hier war es", sagt die 13-Jährige, steigt auf einen Baumstumpf und deutet auf die kleine Insel im Weiher, etwa 20 Meter entfernt. Dort saß ein kleiner Vogel auf einem Ast, als Jana während des Lockdowns vor rund einem Jahr auf Motivsuche war. Sie ließ damals die Kamera klicken, ohne genau zu wissen, wen sie da fotografierte.
Experte zweifelt den Halsbandschnäpper zunächst an
Zuhause am PC schauten sich Jana und ihre Mutter Anja Hager das Foto mit dem unscheinbaren Vogel genauer an. "Wir haben ihn dann bestimmt, mit einer Vogelbestimmungs-App, und festgestellt, dass es ein Halsbandschnäpper ist", sagt die Siebtklässlerin. "Für uns war das eigentlich kein besonderes Foto", fügt sie hinzu.
Doch dann melden die beiden ihre Sichtung bei www.ornitho.de, einem Portal für Vogelbeobachtungen aus dem gesamten Bundesgebiet. "Die haben die Meldung angezweifelt", grinst Jana. Sie schickt das Foto hinterher und wartet. "Dann kam plötzlich "Herzlichen Glückwunsch!".“ Der Halsbandschnäpper war laut Experten des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) im Landkreis Bayreuth seit 20 Jahren nicht mehr nachgewiesen worden. "Das war schon ein eine Überraschung", sagt die 13-Jährige bescheiden.
Die Fachwelt staunt über den Zufallstreffer
Der Halsbandschnäpper ist etwa so groß wie ein Rotkehlchen. Das Männchen ist auffällig schwarz-weiß gemustert, das Weibchen eher unscheinbar mit grauen Schulter- und Rückenfedern. Bei beiden zieht sich ein weißes Band um den Hals. Der kurze, nach unten gebogene Schnabel und die Augen sind ebenfalls grau. Der kleine Zugvogel jagt im Sommer insbesondere auf Streuobstwiesen nach Insekten, hin und wieder nicht nur aus der Luft, sondern auch am Boden.
Jana Hagers Foto vom Halsbandschnäpper am Lindenhof. Es ist erste fotografische Nachweis des Vogels in Bayreuth seit 20 Jahren.
Vogel-Fotografie als neues Hobby im Lockdown
Jana Hager hat die Naturfotografie während des Lockdowns für sich entdeckt. Die Gymasiastin wohnt unweit des LBV-Geländes Lindenhof, wo ihr das Sensationsfoto des Halsbandschnäppers gelungen war. Dass ihre Mutter Biologin ist und Schmetterlinge kartiert, hat bei ihrem neuen Hobby sicherlich eine Rolle gespielt. Der Mutter gehört auch die Kamera mit dem langen Objektiv, mit der Jana fast täglich loszieht. "Wir haben ausgemacht, dass die Kamera mir gehört, die Fotos ihr", lacht Anja Hager.
Beim Landesbund für Vogelschutz besucht Jana seit vielen Jahren die Gruppentreffen für Kinder und Jugendliche. Ihre ehemalige Betreuerin Andrea Tornow von der "Rasselbande" blättert im LBV-Magazin "Vogelschutz", das Jana und ihrem Foto eine ganze Seite widmet. "Ich platze fast vor Stolz", sagt die Erzieherin. "Ich hätte das nie gedacht. Wir haben uns vor dem Lockdown eigentlich mehr mit Fledermäusen beschäftigt."
Späte Rückkehr aus Afrika: Nistplätze sind schon belegt
Halsbandschnäpper kommen in östlichen Europa und im nördlichen Asien vor. Die größten Populationen sind in Rumänien und in der Ukraine bekannt. In Bayern gibt es laut LBV zwischen 1.200 und 2.200 Brutpaare. Der Halsbandschnäpper wird in Bayern und Deutschland auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten als gefährdet eingestuft. Ihre Nester bauen Halsbandschnäpper in Baumhöhlen oder Nistkästen, gerne in Laubwäldern, wo von Mai bis Juli gebrütet wird. Das Problem: Wenn sie aus Afrika zurückkehren, sind die wenigen geeigneten Höhlen oft schon besetzt. Naturschutzverbände oder Förster rufen deshalb dazu auf, Nistkästen anzubringen.
Besser als Schule: Vögel beobachten
Im Lindenhof ist Jana mittlerweile einen der beiden Beobachtungstürme hinaufgestiegen und sucht mit den Augen die weite Fläche ab, die ihr zu Füßen liegt. "Dort sind Grau- und Kanadagänse", erklärt sie und zeigt auf die großen Vögel am Wasserrand. "Der Nachwuchs könnte sich bald mausern", fügt sie hinzu und fotografiert die Tiere. Beim Heranzoomen des Fotos auf dem Display zeigt sich, dass Jana recht hat.
Was sie über Vögel weiß, hat sie sich zum großen Teil selbst angelesen. Mit der Schule hat das nichts zu tun - dort geht sie hin, weil sie muss. "Ich mache mein Zeug, aber ich halte vieles für unnötig, was wir dort lernen müssen." Einmal hat Jana selbst Unterricht gehalten und die Wasservögel am Lindenhof vorgestellt. "Der Lehrer hat vorher gesagt, erzähl halt zehn Minuten", sagt sie. "Daraus wurde dann eine ganze Schulstunde. Und er war ziemlich beeindruckt."
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