Gutachten: Cannabis-Pläne verstoßen gegen Völker- und EU-Recht
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Gutachten: Cannabis-Pläne verstoßen gegen Völker- und EU-Recht

Die Cannabis-Pläne des Bundes verstoßen gegen internationales Recht - zumindest laut einem Gutachten, das Bayerns Gesundheitsminister Holetschek in Auftrag gegeben hat. Die Grünen wittern eine "Privatfehde", die FDP sieht Nordamerika als Vorbild.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sieht seine Ablehnung der Cannabis-Pläne des Bundes durch ein Rechtsgutachten bestätigt. In der Analyse, die der Minister beim Rechtswissenschaftler Bernhard Wegener (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) in Auftrag gegeben hatte, heißt es: "Die von der Bundesregierung geplante Cannabis-Legalisierung widerspricht völker- und europarechtlichen Vorgaben." Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch im Gesundheitsministerium erneuert Holetschek daher seine Forderung an den Bund, die Pläne zur Zulassung des Anbaus, Handels und des Konsums von Cannabis zu Genusszwecken "sofort fallen zu lassen".

SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart, "die kontrollierte Abgabe der Droge an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" einzuführen. Cannabis soll staatlich reguliert in Deutschland angebaut und verkauft werden. Erlaubt werden soll auch der Eigenanbau von wenigen Pflanzen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte im Herbst die ersten konkreten Ideen zur Umsetzung präsentiert - einen Gesetzentwurf gibt es bisher aber noch nicht. Daher ist die konkrete rechtliche Ausgestaltung noch unklar. Bundesminister Lauterbach und der bayerische Ressortchef Holetschek streiten schon seit Monaten über die Pläne.

"Verstoß gegen UN-Übereinkommen"

Dem Rechtsgutachten zufolge steht die geplante Cannabis-Legalisierung im Widerspruch zu den "einschlägigen UN-Übereinkommen zur Drogenbekämpfung". Demnach seien der Anbau, der Handel, der Im- und Export, der Verkauf und Kauf, der Besitz und der Konsum von Cannabis zu verbieten. Lediglich für den Gebrauch von Cannabis zu wissenschaftlichen und medizinischen Zwecken in einem engen Sinne dürfe es eine Ausnahme geben.

In ihrer Entscheidungspraxis würden die Drogenkontrollorgane der Vereinten Nationen (UN) eine umfassende Cannabis-Legalisierung in der von der Bundesregierung geplanten Art als "vertragswidrigen Verstoß gegen die UN-Übereinkommen zur Drogenbekämpfung" bewerten, heißt es weiter. Die Cannabis-Pläne könnten daher völkerrechtskonform nur im Zuge einer Kündigung der UN-Übereinkommen zur Drogenbekämpfung umgesetzt werden. Allerdings sei auch die Europäische Union Vertragspartei eines der zentralen UN-Übereinkommen - somit müsste auch die EU zum Ausstieg bewegt werden.

Staatlicher Handel laut EU-Recht unzulässig

Neben den auch für die EU verbindlichen völkerrechtlichen Verbotsvorgaben steht dem Gutachten zufolge auch das EU-Recht als solches der geplanten umfassenden Cannabis-Legalisierung entgegen. "Unzulässig sind danach insbesondere der geplante staatliche oder staatlich lizensierte Handel, Anbau und Verkauf von Cannabis zu anderen als wissenschaftlichen oder medizinischen Zwecken." Lediglich die Frage einer Entkriminalisierung des privaten Konsums und des unmittelbar auf diesen persönlichen Konsum gerichteten privaten Anbaus erfasse das EU-Recht nicht.

Gesundheitsminister Holetschek warnte, ein Verstoß gegen EU-Recht müsste seiner Ansicht nach "ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich ziehen".

Rechtswissenschaftler Wegener sagte bei der Pressekonferenz: "Selten sind die Antworten so eindeutig wie hier." Das Legalisierungsvorhaben der Bundesregierung ignoriere die völker- und europarechtlichen Grenzen nationaler Drogenpolitik. "Dieser international und europäisch nicht abgestimmte Sonderweg ist deshalb rechtlich überaus riskant und droht selbst die von der Bundesregierung verfolgten Ziele von vornherein zu verfehlen." Wegener ist in Erlangen Professor für Öffentliches Recht und Europarecht.

Niederländische Universität stützt Ampelpläne

Es gibt allerdings auch andere juristische Auffassungen. Die Deutsche Presseagentur zitierte am Mittwoch aus der Untersuchung zweier Wissenschaftler der Universität Nimwegen (Niederlande). Sie geben dem Vorhaben der Bundesregierung Rückendeckung. Konkret schreiben die Autoren: Eine Legalisierung sei zu rechtfertigen, wenn der betreffende Staat "überzeugend argumentiert, dass er über dieses System die individuelle und öffentliche Gesundheit, die Sicherheit der Öffentlichkeit und/oder die Verhinderung von Gewaltverbrechen wirksamer umsetzen kann, als er dies über den prohibitiven Ansatz für Cannabis für Genusszwecke zu erreichen vermag". Die Untersuchung soll in der Märzausgabe einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift für Kriminologie erscheinen.

Gesundheitsminister sieht "Büchse der Pandora"

Holetschek lehnt die Legalisierung nicht nur aus rechtlichen Gründen ab, sondern auch "wegen der gravierenden gesundheitlichen Risiken" der Droge: "Ich kann nicht nachvollziehen, wie eine Freigabe von Cannabis zu 'Genusszwecken' für junge Menschen ab 18 Jahren den Gesundheits- und Jugendschutz verbessern soll." Nicht haltbar sind nach Meinung des CSU-Politikers auch das Argument, durch die Legalisierung könnten der Schwarzmarkt und die Kriminalität besser bekämpft werden. "Die Erfahrungen aus den USA oder Kanada zeigen, dass sich der Schwarzmarkt mit einer Legalisierung nicht austrocknen lässt."

Auch das Argument einer Entkriminalisierung und folglich einer Entlastung für die Strafverfolgungsbehörden ließ der Gesundheitsminister nicht gelten. Es sein an diesem Punkt "kompromisslos", man öffne hier "eine Büchse der Pandora", die man nicht mehr geschlossen bekäme. Holetschek sieht in dem Bundesvorhaben eine "gesellschaftspolitische Veränderungsagenda der Ampel", schließlich seien bereits Legalisierungen weiterer Substanzen diskutiert worden.

Feierabendbier oder Feierabendjoint?

Die Fraktionschefin der Landtagsgrünen, Katharina Schulze, kritisierte Holetscheks Gutachten gegenüber BR24. Der Gesundheitsminister führe eine "Privatfehde", statt die Realitäten anzuerkennen, dass viele Menschen Cannabis konsumieren und Repression bislang nichts genutzt habe. "Der Dealer um die Ecke fragt nicht nach dem Personalausweis", sagte Schulze. In lizensierten Fachgeschäften würde künftig hingegen die Volljährigkeit kontrolliert. So lasse sich Gesundheits- und Jugendschutz zusammenbringen. In Schulzes Augen sollen Erwachsene nicht kriminalisiert werden, wenn sie selbst entscheiden, "ob sie sich ein Feierabendbier oder einen Feierabendjoint gönnen wollen".

In den Augen der bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten Carmen Wegge ist "die Prohibitions-Politik der CSU gescheitert". Man müsse Jugendliche schützen, aber ohne Verfolgung und Bestrafung. Deshalb werde die Bundesregierung bis Ende des ersten Quartals ein erstes Gesetzespaket mit einer europarechtlich sicheren Lösung vorstellen - da könne Minister Holetschek "noch so viel drohen und Theater machen".

FDP-Chef blickt nach Nordamerika - die AfD auch

Bayerns FDP-Chef Martin Hagen sagte, Holetschek solle sich anstelle von Rechtsfragen lieber um die Herausforderungen im Gesundheitswesen kümmern. Bundesjustizminister Heiko Buschmann (FDP) werde zusammen mit dem Gesundheitsministerium einen rechtssicheren Entwurf machen. "Die Beispiele Kanada und USA widerlegen, dass es rechtlich keine Möglichkeit gibt", sagte Hagen. Dort habe man mit der Legalisierung gute Erfahrungen gemacht.

Auch die AfD nannte die USA als Beispiel: Dort gäbe es in manchen Bundesstaaten die bewährte Praxis, Cannabis nach medizinischen Kriterien an Personen abgegeben, sagte der gesundheitspolitische Sprecher Andreas Winhardt. Diese Art Umgang mit Cannabis befürworte die Partei, aber: "Als AfD halten wir die völlige Legalisierung dieser Droge für unverantwortlich", so Winhardt. Konsum allein zu Rausch- und Genusszwecken könne gesundheitliche und psychische Schäden nach sich ziehen.

Lauterbach will Zahl der Abhängigen einschränken

Lauterbach hatte die Cannabis-Pläne der Ampel-Koalition im Januar als Versuch verteidigt, die Zahl der Abhängigen und den Konsum der Droge durch junge Leute einzuschränken. "Das ist ja auch ein Präventionsgesetz", sagte er in der ARD. Zugleich sollten dadurch Drogenkriminalität und illegaler Handel bekämpft werden. "Der Cannabis-Konsum ist ja da!" Während beim Alkohol ein Rückgang zu verzeichnen sei, werde immer mehr Cannabis konsumiert – auch in Bayern.

Aktuell habe ein "hochkrimineller Markt" zum Ziel, junge Menschen möglichst schnell in eine "Multi-Abhängigkeit" zu bringen, beklagte Lauterbach. Um der Drogen-Mafia den Profit zu nehmen, müsse der Bund den Preis von legalem Cannabis auf ein Niveau bringen, bei dem sich der Schwarzmarkt nicht halten könne. Künftig sollten Konsumenten dann die Wahl haben zwischen "Cannabis mit guter Qualität ohne Kriminalität" oder "verunreinigtem Cannabis mit viel Kriminalität und dem Versuch von Drogenhändlern, von anderen Substanzen auch abhängig zu machen". Zugleich solle die Prävention insbesondere an Schulen verstärkt werden.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.