Bayerisches Nationalmuseum in München
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Guillotine von Stadelheim bleibt weiter im Depot

2014 hat der BR aufgedeckt, dass die angeblich verschollene Guillotine des Gefängnisses München-Stadelheim im Depot des Bayerischen Nationalmuseums steht. Der damalige Kunstminister untersagte eine Ausstellung. Dabei soll es auch weiter bleiben.

Über dieses Thema berichtet: Zeit für Bayern am .

Die Guillotine von München-Stadelheim darf auch in Zukunft nicht öffentlich zu sehen sein. Die Entscheidung seines Vorgängers Ludwig Spaenle (CSU) bekräftigte Amtsinhaber Bernd Sibler gegenüber BR24. Er befürchtet, das Stück könnte Voyeurismus und Grusel bedienen, die Würde der Opfer beeinträchtigen oder ihre noch lebenden Angehörigen verletzen. Zu den Opfern gehörten auch die Geschwister Scholl und andere Mitglieder der Widerstandsgruppe "Die Weiße Rose".

"Herausragendes Objekt für deutsche Erinnerungskultur"

Jedoch ist das Stadelheimer Fallbeil ein einzigartiges Zeitdokument. Der Leiter der Dokumentation Obersalzberg, Sven Keller, etwa bezeichnet es als "außerordentliches Objekt für unsere Erinnerungskultur an den Justizterror zwischen 1933 und 45". Er wünscht sich, dass eine mögliche Ausstellung nicht nur kurz von einem Runden Tisch diskutiert wird wie 2014, sondern ausführlich von Fachleuten sowie einer breiten Öffentlichkeit.

"Aus lauter Angst vor Fehlern tun wir gar nichts"

Auch Susanne Opfermann, die Leiterin des Strafvollzugsmuseums Ludwigsburg, das auch eine Guillotine aus der NS-Zeit ausstellt, bedauert es, dass die bayerische Politik so zaghaft sei. Man könne doch wenigstens einen Versuch wagen: "Aus lauter Angst, etwas falsch zu machen, tun wir gar nichts." Sie ist sich sicher, dass es möglich wäre, die Guillotine sensibel und respektvoll auszustellen.

Die Museumspädagogin spricht aus Erfahrung: In ihrem Museum habe sie noch nie taktloses Verhalten von Besuchern erlebt. Im Gegenteil: Wenn eine Schulklasse über eine eventuelle Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert, werden die Befürworter beim Anblick einer Guillotine sofort still, erzählt sie. Der Anblick einer Guillotine ermögliche ein viel tieferes Lernen, als wenn man nur ein Foto sehe.

Wegen Bagatelldelikten hingerichtet

Dass unter Adolf Hitler in Deutschland 12.000 Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet worden sind, ist den meisten Menschen in Deutschland wohl nicht bewusst. Allein im Gefängnis München-Stadelheim waren es 1.188. Anlass waren oft Bagatelldelikte: Kleine Diebstähle, Hören von ausländischen Radiosendern, sexuelle Beziehungen von jüdischen Deutschen mit Nicht-Juden und natürlich Widerstand gegen das NS-Regime. In vielen Fällen hat es für ein Todesurteil ausgereicht, wenn die Betreffenden Kritik am Regime äußerten.

Bis auf sehr wenige Ausnahmen wurden alle Stadelheimer Todeskandidaten mit der Guillotine getötet. Sie war für ganz Bayern "zuständig", außerdem für das westliche Österreich und den Westen des Sudentenlandes.

Prominenteste Opfer der Guillotine: die Geschwister Scholl

So wurden am 22. Februar 1943 auch die Anhänger der Widerstandsgruppe "Die Weiße Rose" bei einem Schauprozess im Münchner Justizpalast von Richter Roland Freisler zum Tode verurteilt und noch am selben Tag auf der Stadelheimer Guillotine geköpft.

Der Henker von Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst war der Scharfrichter Johann Reichhart, der vor allem in den Kriegsjahren zwei Mal pro Woche 30 Menschen und mehr hinrichtete und sein Handwerk auch in Prag, Berlin oder Stuttgart ausübte. Er soll über 3.000 Menschen hingerichtet haben - vorzugsweise mit dem Fallbeil.

  • Zum Artikel: "Das vergessene Mitglied der weißen Rose"

"Fallschwertmaschine" 1854 von Turmuhrmacher konstruiert

Ursprünglich stammte die Stadelheimer Guillotine noch aus dem Königreich Bayern. 1854 hatte König Maximilian sie eingeführt, nachdem ein Henker bei einer öffentlichen Hinrichtung sieben Schwertschläge brauchte, um einen 19-jährigen Sattlergesellen zu enthaupten - er war so stark betrunken, dass er zwei Köpfe sah und nicht wusste, welchen er abschlagen sollte.

Gebaut hat die "Bayerische Fallschwertmaschine" der Münchner Erfinder und Turmuhrenmacher Johann Mannhardt. In den knapp 80 Jahren zwischen 1855 bis 1933 wurden mit der Guillotine etwa 200 Menschen hingerichtet - unter ihnen der Räuber Kneissl. In den nur zwölf Jahren des Dritten Reiches waren es dann fast sechs Mal so viele, sagt Sybe Wartena vom Bayerischen Nationalmuseum in München.

Fast 70 Jahre verheimlicht

Nach 1945 ging das Gerücht, man habe die Guillotine 1945 bei Straubing in der Donau versenkt. Bei Tauchaktionen ist sie jedoch nicht gefunden worden. 2014 dann die Sensation: Der BR konnte aufdecken, dass die Guillotine seit 40 Jahren im Depot des Bayerischen Nationalmuseums lagerte. Zuvor hatte sie 25 Jahre auf einem Speicher der JVA Regensburg gestanden. Die JVA, das Bayerische Justizministerium und das Nationalmuseum hatten jahrzehntelang von der Existenz der Guillotine gewusst.

Hinweis: Aus bildrechtlichen Gründen zeigen wir die Guillotine nicht mehr im Aufmacherfoto.

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