Rohre mit der Aufschrift Sauerstoff und Wasserstoff in Bayerns größter Elektrolyse-Anlage in Wunsiedel.
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In Bayerns größter Wasserstoffproduktionsanlage in Wunsiedel kann aus erneuerbaren Energien Grüner Wasserstoff gewonnen werden.

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Strompreisbremse: Bayerns größte Elektrolyseanlage vor dem Aus

Im September wurde in Wunsiedel Bayerns bisher größte Elektrolyseanlage zur Produktion von grünem Wasserstoff eingeweiht. Nun könnte ausgerechnet die Strompreisbremse die privatwirtschaftliche Investition unrentabel machen.

Über dieses Thema berichtet: quer mit Christoph Süß am .

"Was hier passiert ist Champions League", hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der Einweihung der Wunsiedler Elektrolyseanlage Mitte September 2022 gesagt. Das dortige dezentrale Energiekonzept, der sogenannte "Wunsiedler Weg", ist bisher bundesweit einmalig.

Die Wasserstoff-Elektrolyse ist hier kein Laborversuch mit staatlichen Fördergeldern, sondern eine privatwirtschaftliche Investition. Genau das aber scheint nun zum Problem zu werden: Die Strompreisbremse droht laut den Verantwortlichen vor Ort, die Produktion von grünem Wasserstoff im Fichtelgebirge in hohem Maße unwirtschaftlich zu machen und damit lahmzulegen. Der Siemens-Konzern, eine von drei Betreiberfirmen der Elektrolyseanlage, hat bereits reagiert und den geplanten Ausbau von 8,75 Megawatt auf 17,5 Megawatt auf Eis gelegt.

Finanzierungsmodell verhindert Stromlieferungsverträge

Der Grund liegt in den selbst für Experten nur schwer zu durchschauenden Regelungen der Strompreisbremse: Das Problem entsteht durch die Art, wie das Bundeswirtschaftsministerium die Maßnahme mitfinanzieren will. Vereinfacht gesagt, will der Bund Übergewinne der Energieerzeuger kassieren. Diese entstehen daraus, dass der Strom an der Börse deutlich teurer als vor der Energiekrise gehandelt wird. Gleichzeitig ist es für bestehende Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen aber nicht teurer geworden, den Strom zu produzieren. Für die Elektrolyseanlage in Wunsiedel ist das ein Problem, weil sie deshalb keine günstigen Direktverträge mit den umliegenden Wind- und Solarparks abschließen kann.

Stromerzeuger würden mit Liefervertrag Verlust machen

Warum das so ist, erklärt das folgende fiktive Rechenbeispiel: Die Betreibergesellschaft der Elektrolyseanlage schließt mit einem Windpark einen Direktvertrag zur Stromlieferung für 13 Cent pro Kilowattstunde (KWh) ab. Der Bund geht aber für die Strompreisbremse davon aus, dass der Windpark den aktuellen Börsenpreis von zum Beispiel 30 Cent pro KWh eingenommen hat. Nach den Regelungen der Strompreisbremse behält der Windpark seine Erzeugungskosten - zuzüglich einer üblichen Gewinnmarge und einiger Toleranzen: Für unser Beispiel seien dafür eben diese 13 Cent angesetzt. Die restliche Differenz zum Börsenpreis – der Übergewinn – wird zu 90 Prozent abgeschöpft. Das würde in diesem Fall bedeuten: Der Windpark muss rund 15 Cent an den Staat abgegeben für eine Kilowattstunde Strom, für die er aber nur 13 Cent eingenommen hat. Die logische Folge: Der Vertrag mit der Elektrolyseanlage kommt nicht zustande.

Eine Anlage mit hohen runden Behältern, dahinter mehrere Gebäude.
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Die Strompreisbremse macht der Wunsiedler Elektrolyaseanlage schwer zu schaffen. Bayerns größte Elektrolyseanlage bedroht

Wasserstoffproduktion zum Strombörsenpreis unwirtschaftlich

Die Elektrolyseanlage aber ist auf einen günstigen Strompreis angewiesen. Zum einen, weil sie sich zu einem erheblichen Teil aus Überproduktionen der Solar- und Windparks speisen soll. Also aus regenerativem Strom, der ohne die Elektrolyseanlage gar nicht erzeugt werden würde. Zum anderen, weil eine Elektrolyse mit Strom zum aktuellen Börsenpreis den erzeugten Wasserstoff derart teuer machen würde, dass ihn niemand kauft.

Ausnahmen gelten für Wunsiedel nicht

Ausnahmen gibt es in der Strompreisbremse durchaus: Unangetastet bleiben Stromlieferungsverträge, die vor dem 01. November 2022 geschlossen wurden und Verträge mit neu entstandenen Energieerzeugungsanlagen. Beides hilft dem Wunsiedler Elektrolyseur aber nicht. Die Verträge sind dort noch nicht abgeschlossen und würden auch nicht mit neuen, sondern mit den bestehenden regionalen Erzeugern von Wind- und Solarstrom ausgehandelt werden.

Wirtschaftsministerium verweist auf EU-Vorgaben

Das Bundeswirtschaftsministerium teilt auf BR-Anfrage mit, dass ihm das Wunsiedler Dilemma durchaus bekannt sei. Man sei aber durch europarechtliche Vorgaben gebunden. Welche Vorgaben das genau sind, nennt das Bundewirtschaftsministerium in seiner Antwort nicht. Außerdem könne der Elektrolyseur als gewerblicher Verbraucher und als Verbraucher der Energieumwandlung von der Entlastung der Strompreisbremse bis Ende April 2024 profitieren, so das Ministerium weiter.

Von dieser Antwort zeigt sich Marco Krasser verwirrt. Krasser ist Geschäftsführer der Wunsiedler Stadtwerke SWW, ein weiteres der drei Betreiberunternehmen: "Im Gesetz steht es genau andersrum." Tatsächlich steht im beschlossenen Gesetzestext wörtlich: "Letztverbraucher, die Unternehmen sind, dürfen die Entlastung nach diesem Paragrafen nicht in Anspruch nehmen für Netzentnahmestellen, die der Erzeugung, Umwandlung oder Verteilung von Energie dienen […]".

Wunsiedler Elektrolysekonzept in Gefahr

Eine Lösung für das Problem gibt es dementsprechend bisher nicht, trotz der Versuche von lokalen Politikern aller Parteien, auf eine hinzuwirken. Im schlimmsten Fall wird es der Wunsiedler Elektrolyseanlage bis zum Ende der Strompreisbremse im April 2024 nicht möglich sein, marktfähig grünen Wasserstoff zu produzieren. Ein Desaster nennt das Philipp Matthes, einer von zwei Geschäftsführern der Betreibergesellschaft: "Das Ganze ist ja projektfinanziert, das heißt, wir haben Bankkredite aufgenommen, die wir zurückzahlen müssen. Da machen sich Verdienstausfälle dementsprechend sofort bemerkbar." Insgesamt schwanken Matthes und die anderen Wunsiedler Verantwortlichen zwischen Resthoffnung und Schock: "Das zarte Pflänzchen der Wasserstoffwirtschaft, das jetzt gerade am Kommen ist, wird praktisch in den ersten Schritten abgewürgt."

Eine Anlage mit mehreren Rohren steht in einer Halle
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Bayerns bislang größte Elektrolyseanlage zur Produktion von grünem Wasserstoff in Wunsiedel droht wegen der Strompreisbremse das Aus.

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