Eine begrünte Fassade eines öffentlichen Gebäudes ist nicht gleich nachhaltige Vergabe. Die Landtagsgrünen wolle strengere Regeln.
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Eine begrünte Fassade eines öffentlichen Gebäudes ist nicht gleich nachhaltige Vergabe. Die Landtagsgrünen wolle strengere Regeln.

    Öffentliche Vergabe: Grüne fordern Nachhaltigkeit per Gesetz

    Bayern soll Bauaufträge und Beschaffungen künftig strenger nach ökologischen und sozialen Kriterien vergeben - zumindest wenn es nach den Grünen im Landtag geht. CSU und Freie Wähler sehen ein "Bürokratiemonster". Selbst von der SPD gibt es Kritik.

    Das Auftragsvolumen von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland ist enorm. Die öffentliche Hand vergibt pro Jahr Aufträge im Wert von schätzungsweise bis zu 500 Milliarden Euro – beispielsweise für Dienstleistungen oder Baumaßnahmen. In Bayern soll die Vergabe künftig strenger am Kriterium der Nachhaltigkeit gemessen werden – zumindest wollen das die Grünen, die heute einen entsprechenden Gesetzentwurf im Landtag eingebracht haben.

    Beispiel: Nachhaltige Beschaffung von Holz per Zertifikat

    "Die öffentliche Hand kann hier massiv Einfluss nehmen", sagte Hep Monatzeder von den Grünen. Ein Gesetz zur nachhaltigen Beschaffung und Auftragsvergabe sei "längst überfällig". Bisher hänge eine solche Priorisierung allein vom individuellen Engagement der ausschreibenden Behörde ab. "Wir müssen weg von einer Kann-Regelung, hin zu einer Soll-Regelung", so Monatzeder.

    Konkret geht es unter anderem um schärfere ökologische Vorgaben - so sollen unabhängige Gütesiegel und Zertifikate eine stärkere Rolle spielen, beispielsweise bei der Beschaffung von Holz oder Stein. Was das Soziale anbelangt, sollen etwa Unternehmen bevorzugt werden, die sich für Gleichstellung der Geschlechter einsetzen. Auch die von der SPD seit längerem geforderte Tariftreue ist Teil des Entwurfs. Der orientiert sich an Regelungen aus Baden-Württemberg und Berlin – dort gibt es solche Vorschriften bereits. Um besonders Kommunen zu beraten, wollen die Grünen eine Landeskompetenzstelle für nachhaltige öffentliche Auftragsvergabe einrichten.

    CSU und Freie Wähler: Entwurf sorgt für Bürokratieaufbau

    "Praxis- und weltfremd" nannte der stellvertretende Fraktionschef der CSU, Alexander König, den Entwurf bereits im Vorfeld der Debatte. Das Vergaberecht sei schon jetzt hochkomplex und müsse eher vereinfacht werden, statt es weiter zu verkomplizieren. Im Landtag legte König nach. Die Grünen würden ein "Bürokratiemonster" erschaffen. Die Ziele des Entwurfs, wie Bezahlung nach Mindestlohn oder die Vermeidung von ausbeuterischer Arbeit seien bereits in jetzigen Gesetzestexten festgehalten.

    Auch die Freien Wähler beklagten zusätzliche bürokratischen Hürden. "Starre Vorgaben wie Sie sie fordern sind in keiner Weise zielführend", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Partei, Manfred Eibl. Schon heute gebe es die Tendenz, dass sich immer weniger kleine und mittelständische Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Das Gesetz würde den Aufwand nochmals vergrößern. Hinzu kämen verpflichtend durchzuführende Kontrollen auf staatlicher Seite.

    Erfahrungen in Baden-Württemberg fallen unterschiedlich aus

    In Baden-Württemberg ist eine nachhaltige Auftragsvergabe bereits seit 2018 durch eine Verwaltungsvorschrift vorgegeben. Ein Sprecher des dortigen Wirtschaftsministeriums teilte auf Anfrage mit: "Die nachhaltige Beschaffung ist im Vergabealltag angekommen, obwohl sie auch ein aufwändiger Prozess sein kann." Auch die Unternehmen hätten erkannt, dass Umwelt und nachfolgende Generationen von diesem Prozess profitieren würden.

    André Bartel ist baden-württembergischer Landesvorsitzender des Verbands der Familienunternehmer. Ihm zufolge kann man gegen die Ziele einer nachhaltigen Vergabe nichts haben. Allerdings: "Die Komplexität ist über die Jahre immer weiter gewachsen", sagte Bartel zu BR24. Deshalb nehme die Anzahl der Bieter für öffentliche Aufträge ständig ab. "Solange es der freie Markt hergibt, wird sich keiner in diese komplexen Abläufe begeben", so Bartel.

    Hep Monatzeder von den Grünen wies im Landtag den Vorwurf von Bürokratieaufbau zurück. "Lösen Sie sich von diesem einstudierten Argument", sagte er in Richtung von CSU und Freien Wählern. Doch auch von anderen Parteien gab es heftige Kritik. Die Grünen seien Meister darin, überflüssige Regelungen zu schaffen, sagte Albert Duin, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP. Und weiter: "Keine Sau blickt mehr durch." Laut dem AfD-Abgeordneten Gerd Mannes wollten die Grünen dem Freistaat mit ihrem Entwurf eine "marxistische Planwirtschaft überstülpen".

    Auch SPD kritisiert: "Manchmal ist weniger mehr"

    Für die SPD geht der Vorstoß der Grünen in die richtige Richtung. "Bayern ist das einzige Land ohne Vergabegesetz – das sollten wir ändern", sagte Annette Karl, wirtschafts- und energiepolitische Sprecherin der Fraktion. Doch auch die Sozialdemokraten sehen Verbesserungspotential.

    Man bewege sich immer in einem Spannungsfeld zwischen wünschenswerten Vorgaben und Umsetzbarkeit, sagte Karl und fügte hinzu: "Es zeigt sich schon jetzt, dass sich die Grünen zur Umsetzbarkeit wenig Gedanken gemacht haben." Manchmal sei weniger mehr. Am Ende des Tagesordnungspunktes wurde der Entwurf zur weiteren Beratung in den Wirtschaftsausschuss verwiesen.

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