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Grafinger Messerstecher legt Geständnis ab

Grafinger Messerstecher legt Geständnis ab

Im Prozess um die tödliche Messerattacke am Bahnhof Grafing hat der Angeklagte am ersten Verhandlungstag stundenlang ausgesagt und den Tathergang detailliert geschildert. Von Julia Binder

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der 28-Jährige aus Hessen, der in geistiger Verwirrung handelte, hat alles gestanden und sich für seine Taten entschuldigt.

"Es tut mir schrecklich leid, ich wünschte, das wäre alles nicht passiert." Mutmasslicher Täter von Grafing

Ruhig und in sich logisch schilderte er vor dem Münchner Landgericht seine Wahnvorstellungen. Allah habe ihm eine Eingebung geschickt, zum Islam zu konvertieren. Doch das sei nur mit Menschenopfern möglich, habe er in seiner geistigen Verwirrung gedacht. Einen vorbeifahrenden Güterzug deutet er an dem Morgen seiner Attacke als Zeichen von Allah. Sehr genau erinnerte sich der 28-Jährige vor Gericht an den Tathergang, bestätigte fast jeden Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Opfer leiden noch immer unter den Folgen der Tat

Zwei der Opfer, die den Angriff schwer verletzt überlebten, wurden heute als Zeugen vernommen. Sie leiden noch immer unter der Tat, sind weiterhin in psychologischer Behandlung. Einer der Männer erzählte, er könne seit der Attacke nicht mehr mit der S-Bahn fahren. Ein anderer kam mit Gehhilfe in den Gerichtssaal. Durch den Messerstich in den Rücken ist sein Bein noch heute gelähmt.

Warnhinweise nicht ernst genommen

Bereits zwei Tage vor seiner Bluttat am 10. Mai 2016 litt er unter Wahnvorstellungen. Er habe geglaubt, einen Mord beobachtet zu haben, schildert er im Prozess. Der Hartz-IV-Empfänger informiert seine Familie, erzählt von dem vermeintlichen Mord. Die Angehörigen bringen ihn in ein Krankenhaus in Gießen, doch er entlässt sich nach einer Nacht selbst. "Ich wünschte, ich wäre in der Klinik geblieben", sagt er heute.

Weil der junge Mann überzeugt davon ist, dass Deutschland nicht mehr sicher sei, will er das Land verlassen - und steigt zunächst in einen Zug nach München. Als er dort ankommt, sieht er zwei Polizisten. Er habe sie für die "Islampolizei" gehalten, erzählt er. Auf der Flucht vor den Beamten sei er in eine S-Bahn gestiegen. In Grafing bei München sei er ausgestiegen, weil er geglaubt habe, dass der Zug voller Muslime sei.

Schon seit Jahren psychisch krank

Schon seit Jahren plagen den Mann psychische Krankheiten. Er sei mal manisch, mal depressiv gewesen, berichtet er. Mehrmals habe er versucht, sich das Leben zu nehmen. Behandlungen hätten nichts gebracht, die Medikamente habe er selbst immer wieder abgesetzt. Im Nachhinein bereue er das sehr. Auch mit Drogen und Alkohol habe er Probleme gehabt.

Vier weitere Verhandlungstage

Vier Verhandlungstage sind für den Prozess noch angesetzt. Neben weiteren Opfern soll auch ein medizinischer Gutachter gehört werden. Das Gericht muss entscheiden, ob der 28-Jährige auf Dauer in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wird. Sollte er für schuldfähig erklärt werden, könnte es auch um eine Haftstrafe gehen.

Alle Opfer waren Zufallsopfer

Der 28-Jährige hatte am 10. Mai des vergangenen Jahres kurz vor 5 Uhr in der Früh mit einem Messer wahllos auf die Passanten eingestochen, die zufällig vor Ort waren. Auf einen Zeitungsausträger zum Beispiel oder weitere Männer, die die erste S-Bahn nehmen wollten. Drei der Opfer konnten schwer verletzt flüchten. Ein 56-jähriger Mann aus Wasserburg starb kurz nach dem Angriff im Krankenhaus. Der mutmaßliche Täter flüchtete nach den Angriffen zwar noch auf den Bahnhofsvorplatz, ließ sich dort dann aber widerstandslos festnehmen.

"Der Beschuldigte war im Zustand einer Psychose. Er hat wahnhafte Vorstellungen gehabt, selbst getötet zu werden, und dies dadurch abwenden zu können, dass er Menschenopfer bringt." Barbara Stockinger, Sprecherin des Landgerichts, vor dem Prozessauftakt