Insgesamt lagern im Deutschen Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg auf rund 13 laufenden Regal-Metern Skizzen, Bauanträge und persönliche Korrespondenz rund um die Reichstagsverhüllung von Christo in Berlin. Aktenordner und Kartons voller Unterlagen dokumentieren die jahrzehntelange Vorbereitung des Projekts, bilden somit die "Biografie der Verhüllung", so Archivleiterin Susanna Brogi. Ihren Worten zufolge glaubten Christo und seine Unterstützer anfangs etwa, das Projekt schon Mitte der 1970er-Jahre verwirklichen zu können. Tatsächlich umgesetzt wurde die Reichstagsverhüllung dann aber erst im Juni 1995.
Wertvolle Protokolle
Von ganz besonders großem Interesse sind in diesem Zusammenhang die Gedächtnisprotokolle von Michael Cullen, betont Brogi. Der Historiker und Autor hatte gemeinsam mit Christo die Idee der Reichstagsverhüllung entwickelt und auch die Unterlagen zu dem Großprojekt gesammelt und archiviert. Heute lassen seine Unterlagen den Leser Teil des Großprojekts werden, so Brogi. Bis zuletzt sei dabei die politische Komponente der Verhüllung entscheidend gewesen.
"Es ging darum, an diesem hochpolitischen Ort – mit der Mauer, auch nach dem Mauerfall, mit dem wiedervereinigten Deutschland – eben ein so symbolträchtiges Monument wie das Reichstagsgebäude zu verhüllen. Und entsprechend sind diese Protokolle voller Überlegungen, nach Strategien, wen kann man gewinnen. Aber auch, wen muss man gewinnen, um ein solches Projekt zu realisieren." Susanna Brogi, Archivleiterin im Germanischen Nationalmuseum
Auch der ganz konkrete Weg von der Idee zur Umsetzung der Verhüllung lässt sich im Museumsarchiv nachvollziehen, etwa wie es zur finalen Stoffauswahl kam. Brogis Worten zufolge wollte Christo den Reichstag ursprünglich in weiß verhüllen. Davon zeugen in der Dokumentation unter anderem zahlreiche Stoff-Muster. Andere Unterlagen zeigen, wie Christo die Stoffbahnen berechnet hat oder welche Anforderungen beispielsweise an den Brandschutz gestellt werden mussten. Die Dokumentation sei von unschätzbarem Wert, betonen Brogi und Mißfeldt.
Nur zu Forschungszwecken
Öffentlich zu sehen ist die Dokumentation nicht. Weil sich in den Unterlagen unter anderem die Protokolle interner Bundestagssitzungen befänden, sei das aus rechtlichen Gründen nicht möglich, so Museumssprecherin Mißfeldt. Menschen mit Forschungsinteresse können aber beim Germanischen Nationalmuseum Einsicht in die Dokumente beantragen. Eine eigene Ausstellung zu Christo oder seiner Reichstagsverhüllung ist demnach nicht geplant. Die schriftlichen Unterlagen rund um das Kunstprojekt "Wrapped Reichstag" seien ehr von wissenschaftlichem Interesse, denn für eine Präsentation geeignet, so GNM-Sprecherin Sonja Mißfeldt.
Christo und Jeanne-Claude
Der gebürtige Bulgare Christo, der mit bürgerlichem Namen Christo Vladimiroff Vavacheff hieß, war am Pfingstsonntag kurz vor seinem 85. Geburtstag in New York gestorben. Gemeinsam mit seiner Frau Jeanne-Claude (1935-2009) schuf der "Verhüllungskünstler", der später US-amerikanischer Staatsbürger wurde, weltweit gefeierte Installationen.
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