Pflanzenschutzmittel "Roundup"
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Pflanzenschutzmittel "Roundup"

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Glyphosat-Verlängerung in der EU – Was das bedeutet

Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat darf in der EU ein Jahr länger verwendet werden. Wie es dann weitergeht, ist offen. Bayerische Landwirte erwarten endlich eine wissenschaftlich fundierte Entscheidung – in einer aufgeheizten Debatte.

Die Europäische Kommission hat entschieden, die Zulassung für den Wirkstoff Glyphosat bis zum 15. Dezember 2023 zu verlängern. Diese Entscheidung hat die Brüsseler Behörde jetzt getroffen, da im Oktober die Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) und im entsprechenden Berufungsausschuss das notwendige Quorum für eine qualifizierte Mehrheit oder gegen eine erneute Zulassung nicht herstellen konnten. Deutschland hatte sich bei beiden Abstimmungen enthalten.

Wie geht es weiter?

Die aktuelle Zulassung für den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat in Unkrautvernichtungsmitteln wird deshalb um ein Jahr verlängert. Die zuständige Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA braucht mehr Zeit, um eine fundierte Stellungnahme zu Glyphosat abzugeben.

Eine öffentliche Konsultation der EFSA von vergangenem Jahr zeigte nämlich, dass der Diskussionsbedarf zu dem Herbizid immer noch riesig ist. Zur wissenschaftlichen Bewertung von Glyphosat erreichten die Behörde dabei mehr Kommentare und Beiträge als jemals zuvor. Daraus ist ein Dossier von rund 3.000 Seiten entstanden, das die EFSA dabei ist, auszuwerten. Die neue Beurteilung kommt voraussichtlich im Juli 2023. Erst danach kann laut Kommission eine längerfristige Entscheidung zum Einsatz von Glyphosat getroffen werden.

Ampel hält an Glyphosat-Verbot ab 2024 fest

Auch Deutschland ist an die Entscheidung der EU gebunden und wird die bestehenden Regelungen zu Glyphosat für zunächst ein Jahr verlängern. Ziel der Bundesregierung bleibt aber, den Wirkstoff ab Anfang 2024 komplett zu verbieten. So ist es im Koalitionsvertrag vereinbart und daran werde festgehalten, heißt es vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Über das weitere Vorgehen werde dann "je nach Entwicklung" auf EU-Ebene zu entscheiden sein.

Glyphosat bleibt umstritten

Totalherbizide wie zum Beispiel Roundup enthalten den chemischen Wirkstoff Glyphosat. Alle grünen Pflanzenteile werden abgetötet, die damit in Kontakt kommen. Totalherbizide sind die in Deutschland und weltweit am häufigsten eingesetzten Herbizide. Landwirtinnen und Landwirte behandeln ihre Felder meistens vor der Aussaat damit. So können sie Unkräuter oder über den Winter nicht abgestorbene Zwischenfrüchte komplett beseitigen, um dann gewünschte Kulturen wie Weizen, Raps oder Kartoffeln anzubauen. Der Boden muss also nicht umgepflügt werden.

Seit langem gibt es hitzige Debatten um Glyphosat. Der Wirkstoff steht im Verdacht, krebserregend zu sein, wobei der Hersteller Bayer (vormals Monsanto) diese Kritik strikt zurückweist. Naturschützer betonen die Folgen für den Artenschutz: Weil das Herbizid alle Kräuter und Gräser auf Ackerflächen vernichtet, verschwinden auch Nahrungsquellen für Insekten und Vögel.

Umweltinstitut München lehnt Zulassungsverlängerung ab

Dem Umweltinstitut München zufolge sind solche indirekten Auswirkungen von Glyphosat besonders verheerend. Ganze Nahrungsnetze würden durch den Unkrautvernichter zerstört, sagt die Referentin für Landwirtschaft des Vereins, Christine Vogt. Sie ist der Ansicht, dass es schon ausreichend wissenschaftliche Belege gibt, die ein sofortiges Verbot rechtfertigen würden. "Glyphosat ist komplett verzichtbar, das zeigen auch tausende Biobetriebe tagtäglich", sagt Vogt.

Sie empfiehlt als Alternativen zu chemischen Herbiziden beispielsweise Fruchtfolgen, Untersaaten oder eine schonende mechanische Bodenbearbeitung. Das Umweltinstitut hatte sich mit kritischen Anmerkungen zu Glyphosat auch an der öffentlichen Konsultation der EFSA beteiligt. "Es wäre wünschenswert gewesen, wenn es die EFSA in der vorgegebenen Zeit hinbekommen hätte, ihre Bewertung abzugeben", sagt die Referentin für Landwirtschaft.

Bauernverband erwartet endlich fundierte Fakten

Bayerische Landwirte begrüßen, dass die EFSA sämtliche Informationen und Einwände zu Glyphosat noch einmal prüft. "Auch, wenn es jetzt noch ein Jahr dauert, sind wir froh, wenn die Zulassung dann wissenschaftlich auf sicheren Beinen steht", sagt Anton Huber, der als Referent beim Bayerischen Bauernverband für Getreide, Ölsaaten und Digitalisierung zuständig ist. Derzeit seien Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat das wichtigste Pflanzenschutzmittel. Viele Landwirte seien darauf angewiesen, insbesondere, wenn sie – wie ökologisch empfohlen – ohne Pflug arbeiteten.

Huber zufolge wäre ein komplettes Verbot von Glyphosat deshalb schwierig und auch für den Artenschutz nicht hilfreich. Hauptsache aber, es werde endlich eine Entscheidung getroffen – auf wissenschaftlicher Basis. "Wenn die EU sagt, das ist gefährlich ist, dann wollen wir’s auch nicht haben, dann müssen wir anders zurechtkommen", sagt er.

Auch andere Pestizide in den Blick nehmen

Glyphosat ist zwar das einzige Totalherbizid und es wird am häufigsten eingesetzt, aber es gibt zahlreiche andere Unkrauthemmer, die sich negativ auf die Umwelt auswirken könnten. Laut dem Bundesamt für Verbraucherschutz sind in Deutschland 281 Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln zugelassen. Ein Glyphosat-Verbot dürfe nicht dazu führen, dass vielleicht sogar giftigere Substanzen stattdessen gespritzt werden, sagt Christine Vogt vom Umweltinstitut München. "Man muss natürlich die Landwirtschaft umbauen, damit sie funktioniert, ohne dass solche Mittel zum Einsatz kommen“, so die Referentin.

EU-Kommission will Einsatz von Pestiziden bis 2030 halbieren

Sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission wollen, dass insgesamt weniger Pflanzenschutzmittel auf die Äcker kommen. Im Rahmen des Europäischen Green Deals hat die Kommission vorgeschlagen, deren Einsatz bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides bekräftigte diesen Plan kürzlich bei einem Treffen mit der Europäischen Bürgerinitiative "Bienen und Bauern retten!".

Kyriakides zufolge gehe es um rechtsverbindliche Regeln für alle Mitgliedstaaten, um Bestäuber zu schützen und Ökosysteme gesünder zu machen. Bayern hatte 2019 im Zuge des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" das Ziel ausgegeben, den Einsatz von Pestiziden sogar schon bis 2028 zu halbieren. Dabei geht es nicht nur um Herbizide, sondern auch um Insektizide und Fungizide.

Anton Huber vom Bayerischen Bauernverband sieht beim Verzicht auf Unkrautvernichtungsmittel insbesondere in der Digitalisierung eine Chance: "Wenn sich Agrarroboter stärker durchsetzen, gehe ich davon aus, dass wir weniger Pflanzenschutzmittel brauchen." Roboter könnten den ganzen Tag auf dem Acker herumfahren und einzelne Unkrautpflanzen herausrupfen oder nur punktuell mit einem Herbizid behandeln, sagt Huber. In diesem Bereich gebe es aktuell viele Fortschritte, die sich immer mehr durchsetzten.

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