Auf einer Baustelle in Würzburg schraubt ein Handwerker eine Gips-Karton-Platte fest. Der Handwerksbetrieb saniert in dem Klinikgebäude zwei Etagen. In nur wenigen Tagen ist der Trockenbau fertig. 1.300 Quadratmeter Gips-Karton-Platten haben die Handwerker dann auf der Baustelle verarbeitet. "Preislich und von der Verarbeitung her ist Gips unschlagbar. Aktuell gibt es kein vergleichbares Material. Wir brauchen Gips", sagt Tobias Stöth, der den Handwerksbetrieb leitet. Doch es gibt ein Problem: Der Rohstoff Gips wird knapp.
Gips wird knapp - wegen des Kohle-Ausstiegs
Etwa die Hälfte des Rohstoffs ist sogenannter Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen-Gips (REA-Gips) – ein Nebenprodukt, das in Kohle-Kraftwerken entsteht. Mit dem Kohle-Ausstieg entsteht spätestens 2038 kein REA-Gips mehr in Deutschland. Schon jetzt ist der Rückgang zu spüren. Gleichzeitig bleibt die Nachfrage groß: In Deutschland liegt der Gips-Bedarf bei etwa zehn Millionen Tonnen Gips pro Jahr. "Die Konsequenz ist ganz klar, dass, um die Nachfrage am Markt zu befriedigen, mehr Natur-Gips abgebaut werden muss", sagt Gips-Experte Jörg Demmich. Er berät die Geschäftsführung der Firma Knauf, den Weltmarktführer für Gips-Produkte mit Sitz in Iphofen im Landkreis Kitzingen.
Knauf plant neues Bergwerk bei Würzburg
Um den REA-Gips zu ersetzen, will Knauf mehr Natur-Gips abbauen. Der Weltkonzern plant deshalb ein neues Bergwerk, etwa 55 Kilometer vom Firmensitz entfernt, in der Altertheimer Mulde bei Würzburg. Unter Ackerflächen und Wäldern gibt es ein großes Gips-Vorkommen. Anfangs will Knauf dort 300.000 Tonnen Gips im Jahr abbauen. Das soll sich immer weiter steigern – auf eine maximale Förderleistung von einer Million Tonnen jährlich. Damit werden auch immer mehr Lkw, beladen mit Gips, von Altertheim nach Iphofen fahren. In den ersten Jahren sollen es noch rund 40 sein, später bis zu 120 am Tag.
Naturschützer: Sorge um Würzburger Trinkwasser
"Der Abbau findet in 70 bis 130 Metern Tiefe statt, unter einem wichtigen Grundwasserleiter. Und dieser Grundwasserleiter hat zentrale Bedeutung für die Zeller Quellen", sagt Steffen Jodl vom Bund Naturschutz. Der Niederschlag, der in der Altertheimer Mulde fällt und versickert, fließt unterirdisch zu den Quellen, die in Zell am Main als Trinkwasser gewonnen werden. Etwa die Hälfte der Würzburger Bevölkerung ist auf die Zeller Quellen angewiesen.
Steffen Jodl befürchtet, dass das Grundwasser verunreinigt werden könnte – oder dass die Grundwasser-Leitung nach Zell am Main unterbrochen wird. "Wenn ich hier Gips abbaue, dann wird immer ein Restrisiko für die Trinkwasserversorgung da sein. Das lässt sich einfach nicht ausschließen", so Jodl.
Gips-Abbau im Wasserschutzgebiet
Während die Pläne für das Bergwerk voranschreiten, läuft am Würzburger Landratsamt ein Verfahren zur Erweiterung des Wasserschutzgebietes der Zeller Quellen. Es soll von etwa acht auf insgesamt 66 Quadratkilometer erweitert werden. Dann würde auch die Altertheimer Mulde in dem Wasserschutzgebiet liegen. Bergbau in einem Wasserschutzgebiet ist grundsätzlich verboten. "Aber: kein Verbot ohne Ausnahme. Das heißt, wir können dann immer noch eine Genehmigung bekommen, das Bergwerk hier zu betreiben, wenn wir nachweisen, dass das Trinkwasser sicher ist", sagt Knauf-Mitarbeiter Jakob Herrmann.
Probe-Bohrungen für den Trinkwasser-Schutz
Um sicherzustellen, dass der Gips-Abbau das Trinkwasser nicht gefährdet, hat eine Tochterfirma des TÜV an 18 Stellen Bohrungen durchgeführt und Bohrkerne aus dem Boden entnommen. Derzeit wird ein hydrogeologisches Gutachten erstellt. Wenn das vorliegt, entscheidet das Bergamt Nordbayern über das geplante Bergwerk. Läuft für Knauf alles nach Plan, fährt Ende 2026 der erste Lkw beladen mit Gips von Altertheim nach Iphofen.
Altertheimer Bürgermeister will Pläne nicht bewerten
Was die Firma Knauf im Gemeindegebiet vorhat, ist in Altertheim schon lange bekannt. Die Pläne bewerten will Bürgermeister Bernd Korbmann (SPD) nicht. Er sagt aber, dass der Gemeinderat entschieden hat, die Ansiedlung von Knauf in Altertheim zu unterstützen. "Es wäre ja schlimmer, wenn das Bergwerk zwischen Unter- und Oberaltertheim liegen würde. Dann würde der Lkw-Verkehr durch Oberaltertheim fahren. So ist es ja außerhalb der Ortschaft", sagt Korbmann. Vom Dorf aus ist das geplante Abbau-Gebiet nicht zu sehen. Und auch vom Lkw-Verkehr bekommen die Bürgerinnen und Bürger vermutlich kaum etwas mit: Die Lkw biegen noch vor der Gemeinde auf die Staatsstraße ab, die zur Autobahn führt.
Recycling als Alternative?
Während Gips für viele unverzichtbar ist, kämpfen andere für Alternativen. Für Naturschützer Steffen Jodl ist der Wegfall des REA-Gips kein Grund dafür, mehr Natur-Gips abzubauen. "Es muss eine Alternative zum Gips-Abbau geben. Und das ist Recycling, das sind alternative Baustoffe", sagt Jodl. Theoretisch ist Gips beliebig oft recycelbar. Man kann verwendeten Gips immer wieder zerkleinern, ihm Wasser hinzufügen, ihn neu in Form bringen und trocknen. Laut Jodl ist es jedoch billiger, Gips-Abfälle zu deponieren als sie zu recyceln. Dazu kommt, dass es zu wenige Gips-Abfälle gibt: "Es müssten viel, viel mehr Gebäude abgerissen werden, was natürlich wider den gesunden Menschenverstand ist", sagt Gips-Experte Jörg Demmich.
- Zur Radioreportage: Baustoff-Recycling – wie geht nachhaltiges Bauen?
Der Weltmarktführer Knauf sieht aktuell keinen anderen Weg, als mehr Natur-Gips abzubauen – und hält an den Plänen für die neue Grube in der Altertheimer Mulde fest. Laut dem Bergamt Nordbayern wäre es dann das größte Bergwerk Bayerns.
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