Ein Rübenroder erntet im Gäuboden Zuckerrüben
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Ein Rübenroder erntet im Gäuboden Zuckerrüben

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Geplantes BMW-Werk in Niederbayern: Konkurrenz um Flächen?

Die mögliche BMW-Ansiedlung eines neuen Batteriewerks auf rund 100 Hektar Fläche im Gäuboden sorgt für Diskussionen. Es geht dabei auch um die Frage: Was will Bayern künftig: Ackerbau oder Industrie, Weizen oder Werk?

Bewohner von Irlbach und Straßkirchen im Landkreis Straubing-Bogen haben sich zur Bürgerinitiative "Lebenswerter Gäuboden" zusammengeschlossen. Sie kritisieren bei einer möglichen BMW-Ansiedlung in der Region unter anderem die Flächenversiegelung im fruchtbaren Gäuboden und den Verlust von Ackerbau. BMW plant auf einer Fläche bis zu 100 Hektar ein XXL-Montagewerk für Auto-Akkus.

Neue Werke, neue Konkurrenz um Arbeitskräfte?

Matthias Huber, Professor der TH Deggendorf am Campus Pfarrkirchen und Experte für Energiewirtschaft und Nachhaltige Energiesysteme, meint: "Früher hat sich jeder gefreut, wenn sich ein Unternehmen in der Gegend angesiedelt hat." Jetzt stellen Unternehmens-Ansiedlungen teils Konkurrenz um Arbeitsplätze dar – es herrscht schon jetzt fast Vollbeschäftigung. Das verdeutlicht ein Blick auf die Arbeitslosenquote: Im bundesweiten Vergleich hatte Bayern im Dezember die geringste Arbeitslosenquote mit 3,1 Prozent (bundesweit: 5,4 Prozent). Im Landkreis Straubing-Bogen liegt sie sogar nur bei 2,6 Prozent.

Die Interessensgemeinschaft "Lebenswerter Gäuboden" befürchtet auch, dass durch ein neues Werk rare Arbeitskräfte aus mittelständischen Unternehmen abgezogen werden.

BMW in Bayern - als Sicherung des Industriestandorts Bayern?

Huber versteht, dass sich deswegen Widerstand in der Region formiert. Das sollte ernst genommen werden, wie er findet. Jedoch weiß der Experte für Energiewirtschaft: Alle Autohersteller müssen auf E-Mobilität umstellen. Einige wandern dafür ins Ausland ab, wie das aktuelle Beispiel von Ford zeigt. Das Unternehmen plant in den kommenden Jahren bis zu 3.200 Stellen in Köln abzubauen - entwickelt und produziert werden soll verstärkt in den USA.

"Wenn BMW mit den Werken nicht ins Ausland geht, sondern hier in Bayern ein Batteriewerk entstehen soll, dann ist das auch positiv zu sehen. Das macht den Standort Deutschland, Bayern und Niederbayern attraktiv." Es gehe um den Industriestandort Bayern. Wie der Industriebericht des Bayerischen Wirtschaftsministeriums 2022 zeigt, wird mit der Autoproduktion der größte Umsatz in Bayern (29,1 Prozent) und Deutschland (20,7 Prozent) erwirtschaftet.

Minister Bernreiter: BMW als Säule bayerischer Industrie

Auch Bayerns Bau- und Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) stellt die Ansiedlung in den Vordergrund, ebenso Investitionen in Zukunftstechnologien: "Meine klare Meinung ist, dass Betriebsansiedlungen und Arbeitsplätze in Niederbayern auch weiterhin höchst willkommen sind und sein müssen. Die Entscheidung trifft aber nicht die Staatsregierung, sondern die Verantwortlichen vor Ort."

Autoindustrie rüstet auf E-Mobilität um

TH-Professor Matthias Huber wirft die Frage auf, ob Bayern Industrieland bleiben wolle. Damit einher gingen auch neue Werke und Hallen, wie ein mögliches BMW-Batteriewerk in Niederbayern. Wie es von BMW heißt, wolle man die Elektrifizierung vorantreiben. EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament haben sich darauf geeinigt, dass ab dem Jahr 2035 nur noch klimaneutrale Fahrzeuge zugelassen werden sollen – neue Benzin- oder Dieselautos dürfen nicht mehr verkauft werden.

Neue Werke fressen landwirtschaftliche Fläche

Doch neue Hallen und Werke bedeuten auch: Flächenversiegelung. Aktuell werden in Bayern umgerechnet jeden Tag rund zehn Hektar Fläche versiegelt, wie es in einem Bericht des Bayerischen Wirtschaftsministeriums heißt. Ergibt sich in Zeiten der Energiewende eine Konkurrenz um die Flächen und deren Nutzung: Hafer oder Halle?

Franz Schreyer, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands in Straubing, spricht von einer "schmalen Gratwanderung". Als Landwirt "blutet mir das Herz, wenn landwirtschaftliche Flächen aus der landwirtschaftlichen Produktion rausgenommen werden". Gerade im Gäuboden liegen die fruchtbarsten Böden Bayerns. Hier werden laut Schreyer fast ausschließlich Nahrungsmittel wie Zuckerrüben, Getreide, Weizen oder Kartoffeln angebaut. Andererseits könne und wolle er keinem Landwirt vorschreiben, ob Flächen verkauft werden - das sei die alleinige Entscheidung der Eigentürmer.

Bauernverband: Gemeinsame Flächennutzung als Zukunft

Hinzu kommt für Schreyer: Während der Pandemie habe die Bevölkerung zum einen gemerkt, wie wichtig regionale Produkte und Lebensmittel seien – zum anderen habe die Krise auch gezeigt, wie bedeutend eine Unabhängigkeit in der Industriebranche sei. "Ich glaube daher nicht, dass wir gegen ein BMW-Werk in Bayern sein können." Es brauche daher künftig eine gesunde Mischung und ein Miteinander der Flächennutzung für Lebensmittelanbau und Industrie.

Forderungen an BMW: Flächensparend bauen

Für beide Seiten steht fest: Egal wo das neue BMW-Werk für Hochvoltbatterien gebaut wird, es müsse flächensparend geschehen. Kurz: Es soll nicht in die Breite, sondern in die Höhe oder Tiefe gebaut werden - mit mehreren Stockwerken und Tiefgaragen. Schreyer vom Bauerverband betont, sollte sich BMW für den Standort in den Gemeinden Irlbach und Straßkirchen entscheiden, werde man sich kritisch beim Planfeststellungsverfahren einbringen.

Einbeziehen von Bürgern essentiell

Für Energie-Experte Professor Huber ist die lokale Beteiligung ein entscheidender Faktor bei Baumaßnahmen jeglicher Art, die immer eine strukturelle Veränderung für Orte und Dörfer bedeuten. Man müsse betroffene Bürger frühzeitig aufklären und bei Konzepten mit einbeziehen, ebenso müssten Gemeinden und Anwohner in Form von Steuereinnahmen profitieren. Das ist bei Industriehallen genauso wie bei Windrädern oder Solarparks, so Huber. Ansonsten werde man weiterhin hören: "Ich bin ja dafür, aber nicht vor meiner Haustüre."

BMW betont: Eine endgültige Standortentscheidung für das neue Batteriemontage-Werk ist noch nicht gefallen. Sobald das klar ist, werde man die Öffentlichkeit informieren. Ohnehin müsse bei der Aufstellung eines Flächennutzungs- und Bebauungsplans die Öffentlichkeit mit einbezogen werden.

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