Die CSU nach der Wahl: Söders bislang unerfüllte Versprechen
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Archivbild: CSU-Chef Söder

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Gegenwind für CSU-Chef: Söders bislang unerfüllte Versprechen

Markus Söder bleibt als CSU-Chef bisher unangefochten, nach dem Debakel bei der Bundestagswahl aber mehren sich kritische Stimmen. Denn Söder hat als Parteichef viel versprochen - und vieles davon noch nicht erfüllt. Eine Analyse.

Markus Söder strotzte nur so vor Entschlossenheit und Kraft: Vieles wollte er als CSU-Chef anders und vor allem besser machen als sein Vorgänger Horst Seehofer. Auch wenn Söder Anfang 2019 längst nicht für alle der Parteichef des Herzens war, ordneten sich die Christsozialen dem neuen starken Mann unter - Söder galt als alternativlos. Zwei Wochen nach der Bundestagswahl sieht sich der CSU-Chef nun aber einem Gegenwind ausgesetzt, den er in seiner Amtszeit bisher nicht kannte - und der in der CSU-Zentrale durchaus für Nervosität sorgen dürfte.

In den vergangenen Tagen gab es an Söder reichlich Kritik - nicht nur aus der CDU, sondern es mehren sich auch mahnende Stimmen in der eigenen Partei. Die Gründe dafür sind vielfältig und haben eine Menge mit Söders eigenen Ankündigungen und Zielen zu tun, denen er deutlich hinterherhinkt. Noch sägt niemand so an Söders Stuhl, wie er selbst es seinerzeit bei Seehofer gemacht hat. Doch um die Geduld der Partei nicht zu sehr zu strapazieren, wird der 54-Jährige in naher Zukunft liefern müssen. Fünf zentrale Söder-Ankündigungen - und wo sie aktuell stehen.

1. Söder und das Verhältnis zur CDU

Die Äußerung des ehemaligen Unionsfraktionschefs Friedrich Merz hat es in sich: "Das Jahr 2021 markiert einen Tiefpunkt unserer Zusammenarbeit und unseres Umgangs miteinander", schrieb Merz am Wochenende über das Verhältnis von CDU und CSU. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er das Söder ankreidet: "Das war stillos, respektlos und streckenweise rüpelhaft."

Dabei war Söder 2019 doch mit dem klaren Versprechen angetreten, für ein neues Miteinander, ein "neues gemeinsames Wir" der Unionsparteien zu sorgen. Ein Versprechen, das eine klare Abgrenzung zur Ära Seehofer und dessen jahrelangem Streit mit Angela Merkel über die Migrationspolitik darstellte: Dieser Zwist habe der Union geschadet - das dürfe und werde sich nicht wiederholen, verkündete Söder mehrfach.

Mit Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Chefin übte sich Söder in demonstrativer Harmonie. Mit ihrem Nachfolger Armin Laschet lieferte sich der CSU-Chef dann aber einen turbulenten Wettstreit um die Unions-Kanzlerkandidatur - und trug nach seiner Niederlage selbst einen Teil dazu bei, das Image des CDU-Vorsitzenden zu beschädigen. Statt wie angekündigt mit einem gemeinsamen Wahlprogramm der Union um Stimmen zu werben, legte die CSU schließlich doch noch ein eigenes Papier vor - zum Teil mit Forderungen, die Laschet abgelehnt hatte. Bis kurz vor der Bundestagswahl verbreiteten CSU-Granden zudem öffentlich, dass Söder der bessere Kandidat gewesen wäre. Der angeordnete Jubel für Laschet auf dem CSU-Parteitag reichte nicht mehr aus, um den Eindruck echter Geschlossenheit entstehen zu lassen.

Kritik von Günther: Wenn Söder "södert"

Nach der Wahlpleite dauerte es dann keine 20 Stunden, bis die CSU-Spitze Laschet zum Sündenbock erklärte. In den folgenden Tagen widersprach Söder ihm mehrfach öffentlich und schwächte damit Laschets Position weiter. Selbst CDU-Politiker, die durchaus offen für einen Kanzlerkandidaten Söder gewesen wären, äußerten daraufhin ihren Unmut über das Vorgehen der Schwesterpartei und attestierten dem CSU-Vorsitzenden eine Mitschuld am Wahldebakel. Laschets Anhänger sind sowieso verärgert. Damit hat Söder nicht nur das Verhältnis von CDU und CSU beschädigt, sondern auch sein eigenes Ansehen.

  • Zum Artikel: Über Bande gegen Laschet - Was treibt Söder an?

Am Wochenende beklagte neben Merz auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) den Mangel an Zusammenhalt in der Union. Laschet sei nicht allein für das Wahlergebnis verantwortlich, nicht alle hätten an einem Strang gezogen. Auch einen Seitenhieb gegen Söder hatte Günther parat: Andere in ein schlechtes Licht zu stellen, um selbst besser zu glänzen - das habe man in seiner Zeit als Politikwissenschaftler "södern" genannt.

2. Söder und die "One-Man-Show"

Als designierter CSU-Vorsitzender schickte Söder im November 2018 eine klare Botschaft in die eigene Partei. Die Zeiten der One-Man-Shows seien vorbei, sagte Söder damals, "die sind out". Vielfach wurde das als bewusste Anspielung auf Noch-Parteichef Horst Seehofer verstanden, den Söder ein Dreivierteljahr davor auch schon als Ministerpräsident beerbt hatte. Um die Ziele der CSU zu erreichen, versprach Söder, werde er voll auf Teamwork setzen.

Rund drei Jahre später wird Söder in der eigenen Partei eine solche One-Man-Show vorgeworfen. Auf dem Treffen der bayerischen Jungen Union am Wochenende setzte es Liebesentzug für den Vorsitzenden, den einst auch die Pappschilder des Parteinachwuchses ins Ministerpräsidenten-Amt hievten. Anders dieses Mal, schon bei Söders eigener Rede war der Applaus recht verhalten. Der CSU-Chef nannte darin als Gründe für das Unions-Wahlergebnis: Spitzenkandidat Laschet, gesellschaftliche Verwerfungen durch die Corona-Politik, Maskenaffäre, ohne Namensnennung das eigene CSU-Wahlpersonal (Dobrindt, Bär, Scheuer), fehlende Bierzelte, die Freien Wähler. Selbstkritik? Höchstens bei Söders Zweifeln an Strategie und Inhalten im Wahlkampf.

Junge Union streicht "Zugpferd" Söder aus Erklärung

Er sei mit sich selbst im Reinen, betonte der CSU-Chef. Als Söder den Saal schon wieder verlassen hatte und die Luft eigentlich raus war, fand ein bemerkenswerter Antrag eines JU-Ortsvorsitzenden eine Dreiviertelmehrheit – gegen den Willen der JU-Spitze. In der Erklärung des Parteinachwuchses wurde aus der Forderung, ein "schlagkräftiges, frisches Team hinter unserem starken Zugpferd Markus Söder zu bilden", das "Zugpferd Markus Söder" gestrichen. Tenor: Es könne nicht sein, dass man alles nur auf eine Person zuschneide. Das war noch kein Aufstand, aber ein klares Warnsignal an den eigenen Chef.

Eine Verbreiterung an der Parteispitze haben nach der Bundestagswahl schon einige aus dem erweiterten Führungspersonal gefordert. Auffällig: Besonders CSU-Vize Manfred Weber rückt wieder mehr in den Fokus. Die Junge Union feierte ihn am Samstag nach seiner Rede minutenlang. Die Union habe es im Wahlkampf an Geschlossenheit fehlen lassen, sagte Weber, noch so eine kleine Kritik an Söder. Kurz zuvor hatte der CSU-Europapolitiker via Zeitungsinterview klargemacht: Es werde "immer deutlicher, wie notwendig das Team für die CSU ist". Und auch Bayerns JU-Chef Christian Doleschal gab Söder eine Botschaft mit auf den Weg: "Gebt unserer Generation die Chance, die Erfolgsgeschichte unserer Volkspartei weiterzuschreiben!"

3. Söder und die CSU-Modernisierung – jünger, weiblicher?

Doleschals Forderung lautet also: Verjüngung. Tatsächlich hat Söder genau das bereits mehrmals angekündigt. Das Ergebnis wirkt jedenfalls auf der Hauptbühne bisher überschaubar: In der neuen Landesgruppe im Bundestag sind nur zwei von 45 CSU-Abgeordneten unter 35 Jahre alt. Bei den CSU-Ministerinnen und -Ministern in Bayern sind nur zwei von elf jünger als 45 Jahre.

"Wir müssen die Partei durchlüften und öffnen an der Basis: für Junge, Frauen, für Außenstehende und vor allem für mehr Diskussionen vor Ort", forderte Söder vor knapp drei Jahren. Die angestrebte Ausweitung der Frauenquote auf CSU-Kreisvorstände (für Landes- und Bezirksebene gilt sie schon) scheiterte aber 2019 nach hitziger Debatte an den eigenen Parteitagsdelegierten. Beim Frauenanteil in Führungspositionen bleibt noch immer Luft nach oben – die wichtigen Ministerposten in Bayern und die enge Parteispitze sind weitgehend mit CSU-Männern besetzt. Und im Bundestag? In der neuen CSU-Landesgruppe liegt der Frauenanteil bei 22 Prozent, immerhin knapp fünf Prozentpunkte mehr als in der vergangenen Legislaturperiode - aber weit entfernt von ungefährer Parität. Söder hatte zwar durchgesetzt, dass die CSU-Landesliste zur Bundestagswahl erstmals paritätisch besetzt wurde. Auswirkungen auf die Landesgruppe hatte das aber keine, da es nur CSU-Direktkandidaten in den Bundestag schafften.

4. Moderne thematische Aufstellung der CSU

Inhaltlich trat Söder das Amt des CSU-Chefs mit dem Ziel an, die CSU "klar im Zentrum des politischen Spektrums als bürgerliche Partei zu positionieren". Die innerparteilichen Kritiker Söders vermissen aber die thematische Breite, die für eine echte Volkspartei nötig wäre. Das wiederum hat auch damit zu tun, dass Söder die CSU stark auf die eigene Person zugeschnitten hat (siehe "2. Söder und die One-Man-Show").

CSU-Vize Weber warnte seine Partei zuletzt davor, die Ursache für die Niederlage bei der Bundestagswahl nur bei Laschet zu suchen. Auch die CSU habe es nicht geschafft, ihre Themen gut rüberzubringen. Die CSU müsse eine moderne bürgerliche Volkspartei der Mitte sein und dürfe nicht den Grünen oder Liberalen hinterherlaufen. "Wir haben einen Wahlkampf der Gegenwart gemacht und nicht einen Wahlkampf der Zukunft." Ein deutlicher Hinweis an die Adresse Söders, der für sich in Anspruch nimmt, die Partei auch thematisch modernisieren und zukunftsfähig machen zu wollen. Andere, wie zum Beispiel Ex-Landtagspräsidentin Barbara Stamm, beklagen ein zuletzt zu schwaches soziales Profil der CSU.

5. Die CSU zu alter Stärke führen

Es war Söders wohl mutigstes Versprechen zum Amtsantritt als CSU-Chef 2019: "Wir haben die Chance, zu alter Kraft zurückzufinden." Damit fasste er in Worte, was die Basis von ihm erwartete. Denn dass Seehofer nach zehn Jahren die Parteiführung abgeben musste, lag letztlich an schlechten Wahlergebnissen. Mit Seehofer gewann die CSU zwar bei der Landtagswahl 2013 die absolute Mehrheit zurück, darauf folgten aber mehrere Enttäuschungen: 40,5 Prozent bei der Europawahl 2014, 38,8 Prozent in Bayern bei der Bundestagswahl 2017 - und 37,2 Prozent bei der Landtagswahl 2018.

Auch wenn Seehofer weder 2017 noch 2018 selbst auf den Wahlzetteln gestanden hatte, suchten viele in der Partei die Schuld für die herben Verluste einzig bei ihm. Mit Söder wartete ein neuer Hoffnungsträger nur darauf, gerufen zu werden. Bisher blieb der neue Vorsitzende aber nennenswerte Wahlerfolge schuldig. Bei der Europawahl 2019 verbesserte sich die CSU (wohl dank der Spitzenkandidatur von Manfred Weber) zwar minimal auf 40,7 Prozent, bei den Kommunalwahlen 2020 musste die Partei aber ihr schlechtestes landesweites Ergebnis seit 1952 hinnehmen. Und bei der Bundestagswahl folgte der historische Absturz auf 31,7 Prozent.

Die Landtagswahl in zwei Jahren wird für Söder somit zu Schicksalswahl. Wie man in der CSU vom starken Mann zum Sündenbock werden kann, konnte er aus nächster Nähe am Beispiel Seehofer selbst verfolgen.

Rundschau-Moderator Stefan Scheider
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Rundschau-Moderator Stefan Scheider

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