Schülerinnen und Schüler sprechen im Unterricht über psychische Gesundheit.
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Im Berufsschulzentrum in Neuendettelsau steht psychische Gesundheit auf dem Stundenplan.

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Gegen Depression: Schulstunden über psychische Gesundheit

Immer mehr Jugendliche haben psychische Problemen, Druck und Stress. Doch in vielen Schulen finden ihre Sorgen kaum Gehör. Eine Schule in Neuendettelsau im Kreis Ansbach hat die psychische Gesundheit deshalb auf den Stundenplan gesetzt – mit Erfolg.

Freitagmorgen in einer elften Klasse im Beruflichen Schulzentrum in Neuendettelsau im mittelfränkischen Landkreis Ansbach: Hier in der Ausbildungsklasse der Diät-Assistentinnen und -Assistenten dreht sich sonst eigentlich immer alles darum, anderen zu helfen. Doch heute ist das eigene psychische Wohlbefinden Thema der Schulstunde: Was tut mir gut? Was treibt mich an? Über diese Fragen diskutieren die Schülerinnen und Schüler mit ihren beiden Lehrerinnen.

"Psychische Gesundheit" steht auf dem Lehrplan

Spezielle Unterrichtseinheiten, die der eigenen psychischen Gesundheit helfen sollen, stehen seit 2020 an dieser Schule auf dem Lehrplan. Etwa 300 Unterrichtsstunden hat es seitdem schon gegeben. Geschult und unterstützt werden die Lehrkräfte dabei von der Präventions-Initiative "Stark", die sich seit 2016 Schulen und Ausbildungsstätten engagiert. Die Initiative wurde von der Schulewirtschaft-Akademie im Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e. V. ins Leben gerufen.

Psychisches Wohl: Schulen sind zentrale Orte

Ein guter Ansatz zur Prävention, findet Prof Dr. Gerd Schulte-Körne, Kinder und Jugendpsychiater an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Beim Thema psychische Gesundheit seien Schulen oft die entscheidenden Orte: "Nicht nur, weil viele Kinder mit psychischen Erkrankungen in der Schule sind und entsprechend Unterstützung brauchen", sagt er. "Auch, weil wir wissen, dass viele Kinder psychische Probleme erst in der Schule entwickeln – sei es durch erlebtes Mobbing, durch nicht erkannte Entwicklungsstörungen oder auch eine belastete Schulatmosphäre."

Hinzu kommen aktuelle Umbrüche: Klimakrise, Ukraine-Krieg und natürlich auch die Corona-Pandemie. Erst im November war eine Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass die psychischen Sorgen von Jugendlichen in den letzten Monaten zugenommen haben.

Unterricht, der Vertrauen schafft

In dieser Stunde unterrichten die beiden Lehrerinnen Bettina Schumann-Flemmer und Anja Haßler zusammen. Sie sind überzeugt davon, dass der Unterricht beiden Seiten gut tut: "In persönlichen Gesprächen spürt man, dass da eine Vertrauensbasis entstanden ist", sagt Bettina Schumann-Flemmer. "Und sobald diese Vertrauensbasis zwischen Lehrern und Schülern da ist, dann hat man das Gefühl, das ist jetzt ein ganz anderes Miteinander und Arbeiten."

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Auf Papptellern soll jeder aus der Klasse eine Stärke des anderen notieren. Die Komplimente kommen gut an.

Pappteller als Erinnerung

Oft sind es einfache Übungen, die den Lernenden ein gutes Gefühl geben: Heute sollen die Schülerinnen und Schüler ihren Mitschülern ihre Stärken deutlich machen. Sie notieren sie in Stichworten auf Papptellern, die auf den Plätzen verteilt sind. "Immer ein offenes Ohr" steht auf einem, "Ich schätze deine innere Ruhe", schreibt jemand anderes dazu. Es sind kleine Aktionen mit großer Wirkung, sagt Lehrerin Anja Haßler und berichtet von ihrer ehemaligen Klasse. "Sie waren bei der Abschlussfeier einfach wahnsinnig dankbar und haben mir erzählt, dass sie noch immer diese Teller mit den Stärken haben und gerne darauf schauen."

Konzept kommt gut an

Auch heute kommen die Gespräche und Übungen gut an. "Man konnte wirklich sehr viel über sich selbst lernen und auch über die anderen", erzählt Schülerin Leonie Igel. "Mir hat es wirklich sehr viel Spaß gemacht und ich finde es toll, dass wir da weitere Unterrichtseinheiten drin haben werden." Ihre Klassenkameraden pflichten ihr bei: die Stunde sei ein spannender Einblick gewesen und eine gute Abwechslung zum üblichen Schulalltag.

Drei Schulen bekommen "Stark"-Gütesiegel

Für das Engagement wurde das berufliche Schulzentrum in Neuendettelsau nun als Modellschule ausgezeichnet – mit dem Gütesiegel "Stark". Die Stark-Initiative und das bayerische Kultusministerium haben aber auch die Berufliche Schule Direktorat 14 in Nürnberg und die FOS/BOS in Neu-Ulm für ihr Engagement beim Thema Resilienz und psychische Gesundheit geehrt. Laut Initiative sind rund 30 Schulen in Bayern Teil des Projekts.

Jugendliche der Berufschule Neuendettelsau lernen mit schweren Zeiten umzugehen.
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Präventionsarbeit in Neuendettelsau: Im Berufsschulzentrum steht psychische Gesundheit auf dem Stundenplan.

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