Zwei Männer und eine Frau stehen an einer Simulator-Puppe, einer von ihnen schiebt einen Beatmungsschlauch in den Hals der Puppe.
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Ohne Numerus clausus kann man an der Medical School in Coburg studieren. Der Weg dorthin führt über eine Universität in Kroatien.

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Gegen den Ärztemangel: Medizin studieren ohne NC in Coburg

Überall fehlen Ärzte. Es gibt zu wenig Nachwuchs. Doch die Hürden für ein Medizinstudium sind hoch. An der Medical School in Coburg aber kann man ohne Numerus clausus studieren. Der Weg dorthin führt über eine Universität in Kroatien.

Auf der Intensivstation des Klinikums Coburg schiebt Chefarzt Georg Breuer einer lebensgroßen Simulator-Puppe konzentriert einen Beatmungsschlauch mit Videofunktion in den Hals. An seiner Seite schauen zwei Assistenzärzte und zwei Studentinnen interessiert zu und legen selbst Hand an. Eine von ihnen ist Amelie Schwerdt, sie studiert seit fünf Jahren Medizin an der Medical School des Klinikverbundes Regiomed und könnte in einigen Jahren helfen, den Ärztemangel abzufedern.

Medizinstudium ohne Numerus clausus in Coburg möglich

Nach dem Abitur und während ihres Auslandjahres in Tansania reifte bei der 24-jährigen Coburgerin der Wunsch, Menschen helfen zu wollen und Medizin zu studieren. Da ihre Abiturnote ein Medizinstudium an einer deutschen Universität nicht zuließ, entschied sich Amelie Schwerdt für ein Studium ohne Numerus clausus (NC) an der Medical School. Nach der Bewerbung und dem Aufnahmeverfahren studierte sie drei Jahre an der staatlichen Universität in Split. Die kroatische Uni ist der Kooperationspartner des Regiomed-Verbunds.

Inzwischen befindet sich die angehende Medizinerin in ihrer Praxisphase, die in verschiedenen Kliniken in Oberfranken stattfindet. Der theoretische Teil des Studiums in Kroatien war fordernd und durchgetaktet, viel Zeit für die Verlockungen der kroatischen Stadt Split blieb dabei nicht übrig, erzählt sie. Die Studiengebühren für das sechsjährige Medizinstudium in Kroatien und Coburg liegen bei insgesamt fast 80.000 Euro. Viele Studierende finanzieren sich die teure Ausbildung über Bafög, Studienkredite oder Stipendien. Auch Amelie Schwerdt ist Stipendiatin, im Gegenzug hat sie sich verpflichtet, ihre Facharztausbildung in Coburg zu absolvieren.

Medical School in Coburg kooperiert mit Universität in Split

2016 startete der Klinikverbund Regiomed die Medical School in Kooperation mit der Universität in Split. Das Ziel: Vor dem Hintergrund des Ärztemangels eigene Medizinerinnen und Mediziner auszubilden und nach einer dreijährigen Praxisphase in Oberfranken an die Region zu binden.

Pro Jahr können 30 Interessierte das Studium aufnehmen. Anders als an deutschen Universitäten sind an der Medical School nicht die Abiturnoten das einzige Kriterium für einen Studienplatz, erklärt Geschäftsführer Johannes Brachmann. So wolle man die Bewerberinnen und Bewerber im Aufnahmeverfahren in Einzelinterviews als Persönlichkeiten kennenlernen und einschätzen, so Brachmann. Noten spielten dabei eine untergeordnete Rolle, was jedoch nicht bedeute, dass das Verfahren anspruchslos sei.

Philipp Groetsch hat im ersten Jahrgang der Medical School studiert, hat den europäischen Abschluss "Medical Doctor" in der Tasche und ist seit wenigen Wochen Assistenzarzt im Klinikum. Wie er haben sich viele Absolventinnen und Absolventen dafür entschieden, in der Region zu bleiben. Auch Philipp Groetsch hat vom Konzept der Medical School profitiert, ohne NC Medizin zu studieren. Dass ein solches Studium allein von der Schulnote abhängig sei, findet er nicht richtig. Schließlich habe man ohnehin große Probleme, dem Ärztemangel entgegenzuwirken.

Mehr als die Hälfte der Studierenden bleibt in der Region

Chefarzt Georg Breuer ist sehr zufrieden mit den Studierenden und Absolventinnen und Absolventen der Medical School. Die Idee zur eigenen Ausbildung in der "Mediziner-Diaspora Oberfranken" sei aus der Not heraus entstanden, erzählt er.

Den Verantwortlichen der Medical School ist bewusst, dass das Problem des Ärztemangels nicht alleine zu lösen ist. Das Konzept solle flankierend und unterstützend zu den etablierten und sehr guten Medizinstudiengängen an deutschen Universitäten wirken, so Breuer. Dabei scheinen sich die Bemühungen auszuzahlen, mehr als die Hälfte des ersten Jahrgangs bleibt zumindest vorerst in der Region, der diesjährige Studienjahrgang bleibt wohl fast geschlossen in Oberfranken.

Privates Medizinstudium auch in Nürnberg möglich

In Nürnberg bietet die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) mit Hauptsitz in Salzburg bereits seit 2014 in Kooperation mit dem Klinikum Nürnberg ein Studium der Humanmedizin an. Auch in Nürnberg sei einer der Gründe für die Etablierung des Studiengangs die Überlegung gewesen, junge Medizinerinnen und Mediziner für das Klinikum oder die Region zu gewinnen, um so dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen entgegenzuwirken, so Studiengangleiterin Ines Spieler. Das erfolgreiche Studium schließen die Studierenden mit dem österreichischem Berufsdoktorat "Dr. med. univ." ab.

Die Studienzeit an der PMU beträgt fünf Jahre, pro Jahr können am Standort Nürnberg 50 und in Salzburg 75 Interessierte das Studium aufnehmen. Voraussetzung zum Studium ist auch an der PMU kein Numerus clausus. Bewerberinnen und Bewerber absolvieren einen schriftlichen Test, dessen Ergebnis zu 80 Prozent in ein Ranking einfließt, die restlichen 20 Prozent ergeben sich aus der Abiturnote. Die besten Bewerberinnen und Bewerber aus diesem Ranking werden dann zu einem persönlichen Interview eingeladen.

Die Kosten für das fünfjährige Medizinstudium an der PMU betragen fast 105.000 Euro. Durch eigene Förder- und Leistungsstipendien und einen Bildungsfond wolle man daher flexible Unterstützung für die Studierenden leisten, so Studiengangleiterin Spieler. Es sei den Verantwortlichen bewusst, dass die hohen Kosten für das Studium für viele Interessierte eine Herausforderung darstelle. Auch andere Stipendien, wie beispielweise von diversen Stiftungen, stehen den Studierenden zur Verfügung.

Freistaat Bayern fördert private Medizinstudiengänge

Das Konzept der PMU trägt laut Studiengangleiterin Spieler Früchte, seit 2014 haben 23 Medizinerinnen und Mediziner habilitiert. Seit 2019 haben insgesamt etwa 180 Absolventinnen und Absolventen das Studium in Nürnberg erfolgreich absolviert, davon sind rund 60 Medizinerinnen und Mediziner am Klinikum geblieben. Zwei Drittel der Absolventinnen und Absolventen haben Bayern als Standort für ihren Berufseinstieg gewählt, so Spieler.

Die Bedeutung der privaten Medizinstudiengänge in Nürnberg und Coburg wurde erst kürzlich von höchster Stelle unterstrichen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) präsentierten Mitte Januar in Nürnberg ein eigens aufgesetztes Förderprogramm für die private Medizinerausbildung. Insgesamt rund vier Millionen Euro fließen in den kommenden beiden Jahren nach Mittel- und Oberfranken. Mit diesen flexiblen und intelligenten Modellen bilde man die künftigen Mediziner für Bayern in Bayern aus, so Söder im Januar.

Ein Arzt schiebt einer Simulator-Puppe einen Beatmungsschlauch in den Hals, vier Medizinstudenten stehen am Krankenbett und schauen zu.
Bildrechte: BR/Richard Padberg

Ohne Numerus clausus kann man an der Medical School in Coburg studieren. Der Weg dorthin führt über eine Universität in Kroatien.

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