Roee Ballas bürstet behutsam das Moos von einem alten Grabstein. Dann versucht er gemeinsam mit zwei Mitschülerinnen, die verwitterte Inschrift auf Hebräisch zu entziffern. Ihre Ergebnisse tippen sie ins Handy. 191 Grabsteine nehmen die Schülerinnen und Schüler des Rabin-Gymnasiums aus Kfar-Saba in Israel unter die Lupe, erfassen die Daten der hier Begrabenen.
Die Friedhofskartierung mit modernster Technik ist nach der Stolperstein-Datenbank das neuste Projekt des Aschaffenburgers Oded Zingher. Bereits 1326 lebten Menschen jüdischen Glaubens in Kleinheubach, im Maintal zwischen Würzburg und Frankfurt. Seit 1730 gibt es dort auch den jüdischen Friedhof, der bis heute nicht dokumentiert wurde.
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Kartierung mit modernster Technik
Laut Zingher, dem Vorsitzenden des Vereins "Jüdisches Leben in Unterfranken – Biographische Datenbank", ist das Ziel vor allem, Jugendliche in Deutschland und Israel gemeinsam für die Jahrhunderte alte Geschichte zu begeistern. "Unser Ziel ist es, mit der Jugend zu arbeiten. Hier haben wir ein super digitales System – sie sind begeistert und ich auch", sagt Zingher.
Vorbereitung mit Drohnenbildern im Schulunterricht
Mit modernster Technik wird der 300 Jahre alte jüdische Friedhof im Kleinheubacher Wald aus dem Dornröschen Schlaf geholt. Oded Zingher ließ vorab eine Drohne fliegen und schickte die Bilder zur Vorbereitung nach Israel. Die Schüler erstellten im Unterricht Lagepläne und wandern nun jeden einzelnen Grabstein ab, fotografieren ihn und dokumentieren, was sie entziffern konnten. Im Kleinheubacher Rathaus pflegen sie ihre Ergebnisse in die Datenbank Zinghers ein.
Ein Projekt, das Brücken schlägt
"Eigentlich beschäftigen wir uns mit der Vergangenheit aber die Brücke in die Zukunft wird hier geschlagen", sagt Geographie-Lehrerin Sigal Ostreicher. Sie kennt Oded Zingher seit zehn Jahren. Sie freut sich über den Auftakt einer neuen Reihe, die mehrere Brücken schlägt – zwischen Geschichte und Technik und zwischen jungen Menschen aus Israel und Deutschland. Ihre Schülerinnen und Schüler wohnen in Gastfamilien, tauschen sich mit Kleinheubacher Jugendlichen aus.
Jugendliche begeistert vom Leben in den Gastfamilien
Noa Schwed und Roee Ballas sind begeistert vom Leben in den Gastfamilien – man lerne viel voneinander, der Umgangston sei herzlich, familiär. Elad Sendowski findet es aufregend, ein Stück Geschichte frei zu legen und auch, dass so viele Menschen kommen, um sie und ihre Arbeit zu sehen. Und Michal Ish-Hurwitz erzählt von ihrem Großvater, der lange versuchte, Verwandte zu finden. Jetzt anderen Menschen dabei zu helfen, ist ihr Antrieb.
Hilfe bei der Suche nach Verwandten
Nach Stunden in der Kälte kommen die 16- und 17-Jährigen am Kleinheubacher Rathaus zusammen, um die gesammelten Daten ins Internet einzuspeisen. "Es ist einfach großartig, denn niemand kann das so gut lesen und so schnell arbeiten und tippen und sich in der hebräischen Sprache bewegen wie Menschen aus Israel", sagt Riccardo Altieri vom Johanna Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken. Er ist aus Würzburg angereist und schaut den Jugendlichen über die Schulter.
Immer wieder wenden sich Menschen an ihn, die auf der Suche nach Verwandten sind. "Wir helfen sehr gerne den Menschen aus Israel aber auch aus den USA oder anderen Teilen der Welt, ihre Familienangehörigen zu finden." Beeindruckt haben Altieri auch die zwölf Jugendlichen aus Israel ohne deutsche Vorfahren: "Sie haben diese tolle Aufgabe übernommen für einen Friedhof, der überhaupt keinen Bezug zu ihnen hat. Das finde ich großartig!"
Der jüdische Friedhof von Kleinheubach
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