Gesungene Gebete mit Live-Band, minutenlang, immer wieder die gleichen Strophen. Rund 60, fast ausschließlich junge Menschen unterschiedlicher Konfessionen huldigen Jesus, beten zu Gott. "Gebetshaus Augsburg" nennt sich die private Initiative. Untergebracht ist sie in einem von außen schlicht anmutenden Zweckbau, mitten im Gewerbepark am Rande von Augsburg. Es ist viel los, Dreh- und Angelpunkt ist der Gebetsraum, in dem rund um die Uhr und das ganze Jahr über gebetet und gesungen wird. Ist dieses Gebetshaus der Gegenentwurf für die Amtskirchen, die gerade von so vielen Menschen verlassen werden?
Gebetshaus: Moderner Anstrich mit konservativer Meinung
2005 hat der Theologe und Philosoph Johannes Hartl das Gebetshaus mit seiner Frau Jutta gegründet, es gilt als eine Art Experiment. Das scheint zu funktionieren: Das Gebetshaus und die Veranstaltungen sind gut besucht, vor allem junge Menschen zieht das Haus an. Obwohl die Botschaften sehr konservativ sind.
Strenge Sexualmoral und viel Satan
Es ist ist eine richtige Bewegung, mit Missionaren und Jüngern. Jung und hipp - und damit zeitgemäßer als die Amtskirchen? Die Botschaften weisen allerdings in eine andere Richtung. Das zeigen Auftritte des Gründers Johannes Hartl auf seinem Youtube-Kanal, und wie er dort über Sexualität denkt und spricht: "Gott hat Sex dafür gemacht, dass ein Mann, eine Frau ein Leben lang zusammen in Liebe und Treue Verantwortung für einander und ihre Kinder übernehmen. Das ist die beste Art und Weise, Sex zu haben."
Einfache und konservative Botschaften. Und das nicht nur bei der Sexualmoral: Es ist vom Teufel die Rede, von Sünde, von der Erlösung. Transportiert werden diese Botschaften über Emotionen und ein ansteckendes Miteinander. Mehr als zehntausend Menschen kommen zu Konferenzen des Gebetshauses, im Netz hat es an die hunderttausend Follower.
Ein Gegenmodell zu den Amtskirchen?
Das Gebetshaus folgt der Idee des Klosters: Es gibt Übernachtungs- und Gemeinschaftsräume, jeden Morgen wird die sogenannte Laudes gebetet, in einer Kapelle finden Eucharistiefeiern und Abendmahlgottesdienste statt. Eingeladen sind alle, egal ob Katholiken, Protestanten, Freikirchler oder nicht konfessionell Gebundene.
Die Atmosphäre im Haus ist offen und familiär, jeder duzt sich. Johannes Hartl will vor allem junge Menschen ansprechen: "Ich mag Kirchenmusik sehr gerne, aber wer hört klassische Musik, wenn er unter 80 ist? Die Wenigsten. Deswegen verwenden wir modernere Musik. Und unsere Veranstaltungen oder die Vorträge im Internet sind so, dass jeder sie versteht, und nicht nur jemand, der irgendwie studiert hat."
"Im Gebetshaus geht es darum, dass man sich auf diesen gemeinsamen Nenner trifft. Und nicht, dass man sagt, man möchte ein Ersatz für die Kirche sein. Wir möchten hier ganz bewusst in Gottes Gegenwart treten und Gemeinschaft mit ihm haben", sagt Johannes Hartl.
Oberste Aufgabe: das Missionieren
Rund 50 Festangestellte kann sich das Gebetshaus leisten. In Schichten betreuen sie das 24-Stunden-Dauergebet, organisieren Veranstaltungen, bilden aus. Die oberste Aufgabe: das Missionieren, also möglichst viele von der eigenen Botschaft überzeugen. Das Gebetshaus ist bestens ausgestattet, wird gemanagt wie ein Wirtschaftsunternehmen.
Das Geld kommt von den Menschen, die die Arbeit des Gebetshauses wertschätzen, heißt es. "Wir haben nie von der Kirchensteuer, auch nicht von Großspendern profitiert", sagt Johannes Hartl. Jeder Missionar habe ein ganz normales Angestelltenverhältnis, aber auch seinen eigenen Unterstützerkreis, über den die Spenden kommen, erzählt Mitarbeiter und Missionar Elias.
Mehr zum Thema in der Sendung STATIONEN, am Mittwoch, 15. März 2023 um 19 Uhr im BR Fernsehen und in der ARD Mediathek.