Der Erlanger David Seeberger (rechts im Bild) hat in jungen Jahren einen Schlaganfall erlitten. Er trainiert mit seinem Coach Gzim Ferizi.
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David Seeberger (rechts im Bild) ist keine Herausforderung zu schwer. Das Training mit Coach Gzim Ferizi fordert und stärkt ihn.

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Gar nicht so selten: Schlaganfall bei jungen Menschen

Schlaganfall trifft primär ältere Menschen, kommt aber auch im Kinder- oder Jugendalter vor. Jeder siebte Schlaganfallpatient ist jünger als 50 Jahre, sagt das Centrum für Schlaganfallforschung in Berlin – so wie der Erlanger David Seeberger.

Der Italien-Urlaub 2011 veränderte sein Leben: Von einer Sekunde auf die andere verliert David Seeberger die Kontrolle über seinen Körper. Er kann nicht mehr aufstehen. "Von jetzt auf gleich war alles anders", erinnert sich der Erlanger. Die Ärzte brauchen Tage, um die richtige Diagnose zu stellen. Die lautet: Schlaganfall. Da ist David Seeberger gerade mal 19 Jahre alt.

Schlaganfallpatienten werden immer jünger

Und mit dieser Diagnose ist der heute 31-Jährige nicht allein. Jährlich erleiden etwa 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Dabei komme es zu einer "schlagartig" einsetzenden Durchblutungsstörung des Gehirns, schreibt die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Primär sind von der Erkrankung ältere Menschen betroffen, aber auch Kinder und Jugendliche können einen Schlaganfall bekommen. Jeder siebte Schlaganfallpatient sei jünger als 50 Jahre, konstatiert das Centrum für Schlaganfallforschung in Berlin. Tendenz steigend.

Dazu sagt Dr. Alexander Nave, Arzt am Centrum für Schlaganfallforschung Berlin in einem Interview: "Diese Daten stammen zumeist aus Registern, die auf den Diagnosekodierungen der Krankenhäuser beruhen. Im Juni 2017 wurde beispielsweise eine solche Studie aus Amerika von George et al. im anerkannten Journal JAMA Neurology publiziert. Ähnliche Studien gibt es auch aus Europa bzw. Schweden und Frankreich."

"Alle Studien zeigen einen Anstieg in den Schlaganfallzahlen bei jüngeren Menschen, wohingegen die Anzahl an Schlaganfallpatienten insgesamt stagniert bzw. zurückgeht." Dr. Alexander Nave, Centrum für Schlaganfallforschung Berlin

Juveniler Schlaganfall ist oft Veranlagungssache

Versucht man den Ursachen für einen sogenannten juvenilen Schlaganfall auf den Grund zu gehen, sind diese mannigfaltig. Im Fall von David Seeberger war dies unter anderem eine angeborene Faktor-V-Leiden-Mutation, erzählt der junge Mann im BR-Interview. Der Faktor V ist einer von mehreren Blutgerinnungsfaktoren. Bei Menschen, bei denen der Faktor V defekt ist, ist das Verhältnis von Blutgerinnung und Blutgerinnungshemmung nicht ausgewogen.

Das heißt, ihr Blut gerinnt schneller und das Risiko für eine Verstopfung der Gefäße steigt. Andere Ursachen für einen Schlaganfall in der Altersgruppe 18 bis 35 Jahre sind beispielsweise Herzfehler oder Gefäss-Einrisse. Aber auch angeborene Fettstoffwechselstörungen können das Risiko laut Centrum für Schlaganfallforschung erhöhen.

Je schneller die Behandlung erfolgt, desto größer sind die Heilungschancen

Je schneller ein Patient nach einem akuten Schlaganfall im Krankenhaus behandelt wird, desto größer sind auch die Chancen auf Heilung. Dadurch, dass bei David Seeberger 2011 der Schlaganfall nicht sofort erkannt worden ist, ist auch die Prognose nicht optimal. Als er zurück in Deutschland ist, steigt zudem der Druck in seinem Kopf so sehr, dass ein Teil der Schädelplatte für einige Zeit entfernt werden muss, erzählt der Erlanger. Doch der damals 19-Jährige gibt nicht auf. "Ich glaube das Wichtigste war, dass meine Freunde und Familie um mich herum waren. Ich wusste: Egal, was passiert, die sind immer noch da."

Ein starker Wille hilft David Seeberger zurück ins Leben

Mit Reha, Physiotherapie und einem starken Willen kämpft er sich zurück ins Leben. David wollte nicht aufgeben, sagt er. Er wusste, dass noch mehr in ihm stecke, er noch mehr aus sich herausholen könne, er dafür aber auch alles geben muss. "Anstatt Pausen habe ich mir volle Kanne Therapie gegönnt, bin freiwillig extra in die Reha gegangen und habe ganz viele Einheiten gemacht." Statt am Abend Fernsehen zu gucken drehte er Extrarunden auf der Treppe – immer wieder, rauf und runter, "um einfach noch fitter zu werden." Um das Fitnesslevel beizubehalten und mit gezielten Übungen Mobilität und Kraft zu steigern, trainiert er mehrmals in der Woche – teilweise sogar mit einem Personaltrainer.

Wichtig ist trotz Handicaps ein erfülltes Leben

Diesen Ehrgeiz hat er bis heute beibehalten. Zwar ist sein linker Arm gelähmt. Auch fällt es ihm schwer, sich lange zu konzentrieren oder sich Dinge zu merken, aber David hat es geschafft. Von seinen Handicaps will er sich nicht die Lebensqualität nehmen lassen. Er lebt ein völlig eigenständiges Leben und arbeitet 20 bis 30 Stunden in der Woche in seinem Beruf als Immobilienkaufmann. Auch das Autofahren klappt gut. Dafür hat er seinen Wagen mit einem speziellen Joystick ausgestattet. Diese Unabhängigkeit bedeutet für ihn "viel Freiheit". Das Auto sei für die Selbständigkeit ganz wichtig, um von A nach B zu kommen.

Als "Incluencer" will Seeberger anderen Menschen Mut machen

David Seeberger hat sein Schicksal gemeistert. Dass das nicht selbstverständlich ist, weiß er wohl am besten. Gerade deshalb will er anderen Betroffenen Mut machen und sie unterstützen. So engagiert sich der 31-Jährige beispielsweise in der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Zweitweise arbeitete er sogar als Botschafter für Jugendliche und junge Erwachsene. Es sei wichtig, sagt er, einen Ansprechpartner im selben Alter zu haben, dem man Fragen stellen kann wie etwa: "Gehst du feiern? Trinkst du Alkohol? Wie sprichst du Mädels an?"

Eine Begegnung auf Augenhöhe sei essentiell – mit denselben Schwierigkeiten und Problemen. Um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, sucht der 31-Jährige nun nach neuen Wegen. In den sozialen Medien wie zum Beispiel Instagram postet er als "Incluencer" – eine phantasievolle Wortschöpfung aus Inklusion und Influencer – Fotos und Videos, die seinen Alltag widerspiegeln.

"So ist ein kleiner Social-Media-Account gewachsen, wo ich anderen Leuten einfach versuche, etwas Mut zu machen und zu zeigen: Es gibt keinen Grund, sich in die letzte Reihe zu stellen." David Seeberger, Schlaganfallbetroffener und Influencer

Man könne sich durchaus auch mal in die erste Reihe stellen oder ein Teil von etwas sein, wo man im Mittelpunkt steht, ohne dass man sich verstecken muss. Denn egal wie man ist – ob mit oder ohne Behinderung – man sei gut so, wie man ist. "Ich denke, das ist eine Message, die viele hören sollten."

David Seeberger lässt sich nicht aufhalten

Nichts ist unmöglich! So lautet das Motto des sportbegeisterten 31-Jährigen. Sein Weg ist definitiv noch nicht zu Ende. Der Schlaganfall und seine Begleiterscheinungen sind für David Seeberger kein Grund, irgendetwas nicht zu probieren. Deshalb stehen auch schon die nächsten Projekte bei ihm an: Skifahren, Stand-Up-Paddling und Surfen!

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