Anton Losinger, Weihbischof und Dompropst im Bistum Augsburg, sitzt auf der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag im Tagungsraum im Kloster Seeon (7.1.2020).Aufnahmedatum 07.01.2020
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Augsburgs Weihbischof Anton Losinger

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Forschung in Gefahr? Augsburger Ethikexperte für KI-Moratorium

KI-Bots, die eine Bachelor-Arbeit schreiben, Plagiate in bisher ungeahnter Form und Qualität, gefälschte Chats - der Einsatz künstlicher Intelligenz bietet Chancen, aber auch Risiken. Warum ein Augsburger Ethikexperte jetzt ein Moratorium fordert.

Anton Losinger ist Mitglied im Bayerischen Ethikrat und im Senat der Max-Planck-Gesellschaft, die sich unter anderem mit der Entwicklung von Algorithmen der künstlichen Intelligenz für neue Anwendungen beschäftigt. Und jetzt treibt den Geistlichen – Losinger ist Weihbischof und promovierter Volkswirtschaftler – eine große Sorge um.

Wer unterscheidet zwischen Echtheit und Plagiat?

Was ist wenn ChatGPT-Strukturen sich zunehmend in unserem Alltag breitmachen? Was bedeutet das für das wissenschaftliche Arbeiten, wenn zwischen Wahrheit und Plagiat und Fake selbst Fachleute kaum mehr unterscheiden können? Und was bedeutet das für den Zusammenhalt der Gesellschaft? Anton Losinger unterstützt daher die Forderung der internationalen Forschergruppe "Future of Life" nach einer Entwicklungspause für neue Modelle von Künstlicher Intelligenz (KI). Er begrüße ein Moratorium.

ChatGPT: Gerät die Entwicklung außer Kontrolle?

So lange, bis man präzise sagen könne, was diese hochkomplexen ChatGPT-Strukturen können. Eine solche Zäsur sei längst überfällig und logisch. Denn nun zeige sich, dass hochkomplexe KI-Systeme sich in eine Richtung entwickeln, die außer Kontrolle zu geraten drohe. Etwa bei der Texterzeugung durch KI-Bots, die Plagiate in bisher ungeahnter Form und Qualität erzeugen könnten. Wie solle die Wissenschaft sich künftig organisieren, wenn Arbeiten von Assistenten oder Doktoranten in einer maschinellen Qualität erzeugt werden könnten, wo selbst die beste Prüfsoftware versage? Die KI-Entwicklung, auch durch privatwirtschaftliche Unternehmen, könne nicht wie bisher einfach weiterlaufen, so Losinger zum BR. Es gehe um den Zusammenhalt der Gesellschaft, um die Würde der Menschen und darum, dass auch künftige Generationen verlässliche Lebensmöglichkeiten hätten.

Viele Fragen bei Einsatz der KI

Drei Fragen müssten bei der Prüfung der Bereiche, ob KI eingesetzt werden könne, gestellt werden, so der Ethikexperte: Erstens eine "nüchterne Technik-Folgen-Abschätzung" – wohin führt das, ist das destruktiv oder bringt das die Menschheit weiter? Zweitens, ob das alles grundrechtekonform sei und der Mensch in seiner Würde berührt werde, etwa bei Chats, die Texte nicht wahrheitsgemäß generieren. Und drittens, ob das Ganze im Blick auf das Miteinander der Menschen tragfähig sei. Oder ob dabei Phänomene erzeugt werden, die dazu beitragen, dass eine Gesellschaft gespalten wird? Losingers Fazit: "Wir brauchen eine Gesellschaft und eine Wissenschaftsethik, die ganz klar Verantwortung übernimmt für die Ergebnisse der eigenen Forschung."

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