Es geht um Russland, um den Klimawandel und um den Welthunger: Beim G7-Gipfel verhandeln die sieben reichsten Industrienationen der westlichen Welt über große Themen. Ein wichtiges Thema aber fehlt nach Ansicht von Betroffenen sexualisierter Gewalt auf der Agenda: das Thema Missbrauch. Und dagegen protestieren die Betroffenen an diesem Wochenende mit einer Demonstration und einem Protestcamp.
Forderung: Sexualisierte Gewalt soll Thema werden
In vielen Ländern ist es immer noch ein Tabu, über sexualisierte Gewalt zu reden. Das soll sich nach dem Willen der neuen Organisation "Brave Movement" ändern. Erstmals haben sich Betroffene aus der ganzen Welt zusammengeschlossen und wollen ihr Thema auf die große Bühne bringen. Ihr Ziel: Die Vertreter der G7-Staaten sollen sich beim Gipfel auf Schloss Elmau auch mit dem Thema Missbrauch beschäftigen, wie Matthias Katsch von der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch" erklärt: "Der Kampf gegen Gewalt und Missbrauch ist die wichtigste gesellschaftspolitische Herausforderung unserer Zeit. Und deswegen glauben wir, dass dieses Thema sehr wohl an dieser Stelle richtig platziert ist."
Wer sich frage, wo Aggression und Gewalt in Kriegen ihre Wurzeln haben, lande oftmals bei der Gewalt in Familien und bei Gewalterfahrungen in der Kindheit, sagt Katsch. Um Kriege und Konflikte zu verhindern, müsse es deshalb im Interesse der G7-Staaten sein, sexualisierte Gewalt weltweit aufzuarbeiten, Betroffene zu entschädigen und weiteren Fällen vorzubeugen. "Wir wollen, dass die Regierungen der wichtigsten und reichsten Länder dabei den Anfang machen in einer weltweiten Bewegung, um den Schutz von Kindern vor Gewalt, vor sexueller Gewalt, vor Missbrauch zu verbessern, um die Opfer, die Betroffenen besser zu unterstützen", sagt Matthias Katsch.
Von Engagement könnten Betroffene weltweit profitieren
Es sind genau die Forderungen, mit denen Missbrauchsbetroffene aus dem kirchlichen Kontext seit vielen Jahren auf sich aufmerksam machen. Für Agnes Wich, Ex-Mitglied des Betroffenenbeirates des Erzbistums München und Freising, steht fest: "Wir haben mit sehr viel Hartnäckigkeit und Beständigkeit das Thema immer wieder am Laufen gehalten. Unser Druck war beständig über die Jahre hinweg."
Vom Engagement dieser Betroffenen in kirchlichen Einrichtungen könnten weltweit Überlebende sexueller Gewalt profitieren, ist Paul Zeitz überzeugt. Er ist geschäftsführender Direktor der Betroffenenorganisation "Brave Movement" und hat an die G7-Staaten ganz konkrete Erwartungen, auch in finanzieller Hinsicht. "Wir fordern die G7 auf, Ressourcen zu mobilisieren, mindestens eine Milliarde Dollar pro Jahr für einen globalen Fonds, den wir End-Violence-Fonds nennen wollen", sagt Paul Zeitz.
Deutschland nicht besser als andere Mitgliedstaaten
Denn, so das Fazit der Organisation "Brave Movement", die Anstrengungen der G7 gegen sexuelle Gewalt seien bislang nicht ausreichend. Zwar habe Deutschland als einziger G7-Staat einen Betroffenenbeirat. In anderen Bereichen schneidet Deutschland nach Ansicht der Organisation aber ähnlich schlecht oder sogar schlechter ab als andere Mitgliedsstaaten. Kein G7-Staat hat einen in den Augen des "Brave Movement" ausreichenden "Nationalen Aktionsplan gegen sexuelle Gewalt", und das Engagement gegen Online-Pornografie und sexuelle Gewalt im Netz bewertet "Brave Movement" als völlig unzureichend.
Paul Zeitz und seine Mitstreiter wollen das nicht mehr hinnehmen, schließlich habe jede fünfte Frau und jeder zehnte Mann weltweit sexualisierte Gewalt erlebt: "Es ist jetzt Zeit aufzustehen und zu sagen: Genug ist genug, wir können nicht länger still sein, wir müssen sexuelle Gewalt in der Kindheit beenden."
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