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Heimkinder eingesperrt

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Fonds für traumatisierte Heimkinder läuft aus – zu früh

Viele ehemalige Heimkinder berichten von traumatisierenden Lebensverhältnissen im Nachkriegsdeutschland. Ende des Jahres läuft der Hilfsfonds für Betroffene aus. Der bayerische Beauftragte mahnt nun: Die Aufarbeitung muss noch weitergehen.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Insgesamt stellte die Bundesregierung 302 Millionen Euro im "Heimkinderfonds West" für ein dunkles Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte zur Verfügung. In den 1950er- und 1960er-Jahren haben zahlreiche Kinder in staatlichen und kirchlichen Kinderheimen seelische und körperliche Gewalt erfahren. Das wird erst seit wenigen Jahren aufgearbeitet – nachdem die Bundesregierung im Jahr 2006 den Runden Tisch Heimerziehung eingerichtet hat.

Zeit im Heim: Vergleich mit Kaspar Hauser

Brigitte Molnar ist eine Betroffene des damaligen Systems. Ihre Zeit im kirchlichen Kinderheim beschreibt sie mit einem Wort: "Kaspar-Hauser-Dasein". Die Gymnasiallehrerin vergleicht sich mit dem Findelkind Kaspar Hauser, das im 19. Jahrhundert in einem Keller gefangen gehalten wurde. Die heute 66-Jährige verbrachte ihre ersten fünf Lebensjahre in einem Säuglingsheim. Ihre Erinnerung beschreibt sie folgendermaßen:

"Grau, grau, grau. Langeweile, Langeweile. Keine Anregung, es gab kein Spielzeug. Ich hatte den Eindruck, es ging nur darum, dass man etwas zu Essen hat und Toilette und Schlafen und alles andere gab es nicht. Das war sehr karg." Brigitte Molnar

Völlige Beziehungslosigkeit in den ersten Lebensjahren

Für Brigitte Molnar waren die ersten fünf Lebensjahre von völliger Beziehungslosigkeit geprägt. Die Schwestern in dem Heim, erinnert sie sich, verwalteten die Kinder nur – vierzig Kinder in einer Gruppe. Persönliche Gespräche oder Zuwendung gab es nicht.

"Die Pädagogik war einfach streng, negativ … Ich erinnere mich, dass das Haare kämmen furchtbar war, denn die hatten keine Zeit. Zack, zack, zack! Es musste schnell gehen, und die haben einem dann die Haare ausgerissen. Es war wirklich Mangel, unpersönlich." Brigitte Molnar

Knapp 20.000 ehemalige Heimkinder entschädigt

Über den Heimkinderfonds konnten ehemalige Heimkinder in den zurückliegenden Jahren eine Entschädigung bekommen. Knapp 20.000 Menschen haben sich zwischen 2012 und 2014 an die eingerichteten Beratungsstellen gewandt. Ende des Jahres läuft der Heimkinder-Fonds West allerdings aus. Stefan Rösler, Leiter der Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in Bayern, sieht das kritisch.

"Seit einer Weile mehren sich die Stimmen, die sagen, man kann eine solche Unterstützung jetzt noch nicht einstellen. Das fordern Betroffene, das fordern Beiräte. Auch unser Beirat hat das aufgegriffen. Im Augenblick läuft der Versuch, dass eine Anlaufstelle weiterhin betrieben werden kann, für drei Jahre in einer kleineren Form." Stefan Rösler, Leiter der Anlauf- und Beratungsstelle Bayern