Männer mit Taschen betreten eine zur Notunterkunft umfunktionierte Halle.
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Wegen des hohen Ansturms verlegt das Bamberger Ankerzentrum Geflüchtete in eine Notunterkunft im Landkreis. Geflüchtete in Notunterkunft verlegt

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Flüchtlingsunterkünfte: Kapazitäten in Bayern am Limit

Die Flüchtlingszahlen in Bayern sind weiterhin hoch, doch Unterkünfte sind Mangelware. Selbst Discounter und Turnhallen werden zu Notunterkünften. Die Kommunen suchen verzweifelt nach Lösungen und fühlen sich von der Politik alleingelassen.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Im vergangenen November hatten sich viele Bürgermeister bereits an Landtags- und Bundestagsabgeordnete gewandt und das nicht nur in Bayern. Ob im nordrhein-westfälischen Kürten oder dem hessischen Wetterau, ob im oberfränkischen Bamberg oder im oberbayerischen Bad Tölz: Die Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge sind weitgehend erschöpft. Doch die Politik hat keine Lösung.

Unterkünfte voll belegt

Städte und Gemeinden haben eine Verpflichtung, Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. In Deutschland ankommende Asylbewerber werden auf alle Bundesländer nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel verteilt. Er wird für jedes Jahr entsprechend der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl der Länder berechnet.

Danach nimmt Bayern rund 15,56 Prozent aller in Deutschland ankommenden Asylbewerber auf. Innerhalb des Freistaates regelt die Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) die Verteilung. Für Oberfranken beträgt die Quote beispielsweise 8,3 Prozent. Das bedeutet in Zahlen, dass derzeit 24.373 Asylbewerber und Flüchtlinge im Regierungsbezirk Oberfranken untergebracht sind, die Hälfte davon stammt aus der Ukraine. Für den Landkreis Bamberg bedeutet das, dass weiterhin monatlich 130 Flüchtlinge auf Gemeinden verteilt werden müssen. Sie werden in der Regel aus dem Ankerzentrum Bamberg "abverlegt", da die Einrichtung ebenfalls seit Wochen an seine Aufnahmekapazität gelangt ist und fast täglich neue Flüchtlinge eintreffen.

"Die ohnehin schwierige Lage spitzt sich auch im Landkreis Bamberg weiter zu. Der Flüchtlingszustrom verstärkt sich." Johann Kalb, Landrat Bamberg

Bamberg sucht seit Monaten nach Lösungen

Der Landkreis Bamberg hat Bürger aktiviert, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Er hat Wohnungen angemietet und betreibt jetzt schon 42 Unterkünfte. Rund 1.100 ukrainische Flüchtlinge konnten so dezentral untergebracht werden. Er hat vier Containeranlagen geplant, baut einen Discounter in Scheßlitz gerade zur Notunterkunft um und steht ständig in Verhandlungen, um weitere Gebäude für die Aufnahme nutzen zu können. Doch die Verantwortlichen kommen an ihre Grenzen.

So fehlten jetzt Sanitärcontainer für die Notunterkunft, denn die sind stark nachgefragt. "Haben wir die nicht, so können wir die Einrichtung nicht freigeben", so Frank Förtsch vom Landratsamt. Noch zwei Tage vor der Belegung stand nicht fest, ob die bestellten Container mit Toiletten und Duschgelegenheiten geliefert werden können. Letztendlich klappte es.

"Es gibt aber auch andere Schwierigkeiten. So müssen sie ungefähr vier bis sechs Wochen Wartezeit einplanen, um überhaupt einen Termin bei einem Brandschutzsachverständigen zu bekommen. Der ist aber wichtig, um eine Abnahme der entsprechenden Gebäude zur Unterbringung zu bekommen. Und dann ist die Frage, ob nicht noch weitere Fluchtwege mit Außentreppen beispielsweise gefordert werden, die ebenfalls erst wieder bestellt und eingebaut werden müssen." Gleichzeitig stehen die Gemeinden unter enormen Druck, denn die Regierung von Oberfranken lässt nur einen gewissen zeitlichen Aufschub für die Aufnahme von Flüchtlingen zu.

Die Zahl der Flüchtenden steigt weiter

Das Zugangsgeschehen sei weiterhin sehr dynamisch, antwortet die Regierung von Oberfranken auf Nachfrage von BR24. "Die Zahlen bewegen sich auf hohem Niveau. Die Anker-Einrichtung Oberfranken (AEO) beherbergt zum Stand 09.01.2023 insgesamt 2.470 Menschen. Hauptzugangsländer in der AEO sind nach wie vor Syrien, Georgien und Russland." Seit dem Ukraine-Krieg verzeichnet das Ankerzentrum in Bamberg hohe Zuwachszahlen. Bewegten sie sich in den Jahren davor zwischen 100 und 600 Flüchtlinge pro Monat, so stiegen sie im März 2022 auf rund 2.300 an. Und auch im November 2022 verzeichnete das Ankerzentrum Bamberg noch einen Zugang von rund 1.000 Menschen.

Auch aus anderen Regierungsbezirken kommen ähnliche Meldungen. Im Landkreis Amberg-Sulzbach kämen monatlich rund 50 Schutzsuchende an. In der ganzen Oberpfalz sogar rund 1.000 Flüchtlinge pro Monat. Die zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber in Regensburg sei mit 1.400 Betten komplett ausgelastet. Auch das Ankerzentrum in München meldet eine angespannte Lage. Die Unterbringung wird zunehmend schwieriger - etwa in den Kreisen Altötting, Freising, Ebersberg und München.

Unterbringung bringt Unruhe in die Gemeinden

Die Rathauschefs und Landräte wollen oft die Belegung von Turnhallen oder Mehrzweckhallen vermeiden, denn das könnte Unmut in den Gemeinden auslösen. Nicht nur, weil dann regelmäßig Sport in den Schulen, Kurse der VHS oder Veranstaltungen von Vereinen ausfallen müssen. Auch für die Geflüchteten ist die Unterbringung schwierig, denn lediglich Stoffwände bieten hier eine gewisse Privatsphäre. Es ist permanent laut, Beschäftigung fehlt, Spielecken für Kinder sind selten.

Bis jetzt wurden oft vorrangig größere Gemeinden für die Unterbringung herangezogen, da sie eine gute Infrastruktur bieten mit Einkaufsmöglichkeiten und öffentlichem Nahverkehr. Das wird wohl in den nächsten Wochen nicht so bleiben können. Mittlerweile zählt jeder Platz in jeder noch so kleinen Gemeinde.

Innenministerkonferenz ohne große Ergebnisse

Innenminister Joachim Herrmann hat bereits bei der Innenministerkonferenz im Dezember den Bund kritisiert. Der dürfe ohne Not nicht auch noch zusätzliche Aufnahmeprogramme verkünden, wie beispielsweise die Aufnahme von 1.000 Afghanen monatlich, zusätzlich zu den afghanischen Ortskräften. Auch müsse es eine gerechtere Verteilung von Geflüchteten aus der Ukraine innerhalb Europas geben. Hier hätten Polen und Deutschland über die Hälfte aller ukrainischen Flüchtlinge aufgenommen, so Herrmann in einem Interview mit Bayern 2.

Von den Ankündigungen, dass auch Länder wie Spanien, Frankreich und Italien ukrainische Flüchtlinge aufnehmen wollten, sei wenig übriggeblieben, so Herrmann. In seiner Bilanz zur Innenministerkonferenz in München fordert er vom Bund mehr finanzielle Verantwortung im Bereich der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen, aber auch eine Begrenzung des Flüchtlingsstroms sowie eine Rückführungsoffensive.

"Wir müssen den Zugang von Flüchtlingen einschließlich der nach wie vor erheblichen irregulären Sekundärmigration begrenzen." Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Seit Wochen appellieren Rathauschefs und Landräte

Eine solche Situation ist vergleichbar mit dem großen Flüchtlingsstrom 2015. Auch damals wandten sich 215 Bürgermeister alleine aus Nordrhein-Westfalen an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Alle Unterbringungsmöglichkeiten seien erschöpft, zu viel Personal der Kommunen durch den Betrieb von Unterbringungseinrichtungen gebunden. Pflichtaufgaben könnten nicht mehr erfüllt werden. Damals wurde ein Gesetz zur Beschleunigung der Asylverfahren beschlossen. Im Dezember 22 war es eine schnellere Einbürgerung. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Kleine Maßnahmen ändern nichts an der Gesamtsituation.

Händeringend werden aber auch Ehrenamtliche gesucht, denn nach Jahren sind sie oft an ihrer Belastungsgrenze angekommen. Sie werden vor allem gebraucht, um Unterstützung beim Gang zu Ämtern und Behörden zu geben, aber auch, um eine soziale Einbindung zu ermöglichen.

Über 40 Prozent Zunahme an Flüchtlingen im Vergleich zu 2021

Im Ankerzentrum Bamberg stammt nach wie vor der überwiegende Teil der Neuankömmlinge aus Syrien, Georgien und Russland. Georgien deshalb, weil Bamberg neben Zirndorf diese Nationalität in Bayern als Aufnahmeeinrichtung zugewiesen bekommen hat. Laut den statistischen Zahlen (Jan- Nov. 22) des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind bundesweit die zugangsstärksten Staatsangehörigkeiten Syrien (62.720) , Afghanistan (36.238), die Türkei (20.802), der Irak (15.108) und Georgien (8.048).

"Im Zeitraum Januar bis November 2022 haben insgesamt 214.253 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt (189.998 Erst- und 24.255 Folgeanträge). Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet dies einen Anstieg um 43,2 Prozent." Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
 Geflüchtete warten vor einer Flüchtlingsunterkunft auf Einlass.
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Kommunen suchen verzweifelt nach Lösungen zur Unterbringung Geflüchteter.

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